Nachfolger für Klaus Wowereit: Das Rennen ums Rote Rathaus
In der SPD wird der Kampf um Wowereits Nachfolge immer spannender. Senator Müller zögert, hat aber offenbar viele Unterstützer. Auch Saleh und Stöß können auf wichtige Helfer hoffen. Ein Überblick.
Zwei oder drei Kandidaten? Noch am Mittwoch hatte Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) um die Journalisten einen großen Bogen gemacht und gemurmelt, dass man nicht auf jede Frage antworten muss. Auch im Landesvorstand der Berliner Sozialdemokraten und in der Sondersitzung der SPD-Abgeordnetenhausfraktion hatte er sich nicht zu Wort gemeldet. Und der SPD-Landeschef und Mitbewerber für die Nachfolge des Regierenden Bürgermeisters, Jan Stöß, ging am Mittwoch noch davon aus, dass es beim Zweikampf mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh voraussichtlich bleiben wird. Mit einer Kandidatur Müllers (siehe auch Porträt rechts) ändert sich die Lage.
Viele mögliche Unterstützer für Müller
Bisher war Stöß zuversichtlich, die Basisbefragung gewinnen zu können. Doch wenn Müller antreten sollte, was er „in den nächsten ein, zwei Tagen“ entscheiden will, käme die Sache ins Rutschen. Wohlwollende Parteifreunde, die mit der bisherigen Kandidatenlage unzufrieden sind, versuchen den zögernden Müller zu einer Kandidatur zu bewegen. Maßgeblich beteiligt daran sind Genossen aus Neukölln und Treptow-Köpenick, die sich aber Unterstützung aus großen SPD-Kreisverbänden wie Charlottenburg-Wilmersdorf und Tempelhof-Schöneberg erhoffen. Auch Reinickendorf, so heißt es, könnte vielleicht auf die Seite Müllers rutschen. Es werde, sollte der Senator doch kandidieren, „viele Unterstützer geben“, hieß es in der Partei.
Nolte: "Ein gutes Triumvirat"
Als Erster meldete sich öffentlich der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky, der sich am Donnerstagmittag für Müller aussprach, nachdem er vorher für die Nominierung von Saleh plädiert hatte. Dann gibt es noch den Vize-Fraktionschef der SPD im Abgeordnetenhaus, Karlheinz Nolte aus Treptow-Köpenick, der dem Tagesspiegel sagte: „Das wäre ein gutes Triumvirat mit Michael Müller als Regierender Bürgermeister, Jan Stöß als Parteichef und Raed Saleh als Fraktionsvorsitzender.“ Weitere Parteifreunde wollten sich vorerst namentlich nicht aus der Deckung wagen.
Dem Vernehmen nach gibt es begleitend Bemühungen, Stöß oder Saleh – oder vielleicht sogar beide – zum Rückzug von ihrer Bewerbung zu bewegen. Beide Kandidaten wollten am Donnerstag die Äußerungen Müllers, der sich noch alles offenhält, nicht kommentieren. Bei einer Befragung der Mitglieder hätte Müller voraussichtlich gute Karten, weil seit Dienstag die Verunsicherung in der Partei wächst und die Unzufriedenheit mit der schmalen Bewerberlage. Zumal in Umfragen (siehe nebenstehender Text) deutlich wird, dass die Berliner im Allgemeinen, aber auch die SPD-Anhänger im Besonderen von Stöß und Saleh nicht viel halten und auf einen dritten Kandidaten für die Wowereit-Nachfolge hoffen.
Schon 2012, als Stöß gegen Müller antrat, um den Parteivorsitz an sich zu reißen, wurde von den Anhängern Müllers ein Mitgliederentscheid gefordert, aber sie fanden keine Mehrheit dafür. Damals wurde vermutet, dass der spätere Stadtentwicklungssenator die SPD-Basis hinter sich gebracht hätte, während er auf dem Wahlparteitag die Mehrheit verlor. Bleibt es beim Zweikampf zwischen Stöß und Saleh, werden parteiintern dem SPD-Landeschef die besseren Chancen eingeräumt. Als bisherige Unterstützer gelten der frühere Regierende Walter Momper, die Bundestagsabgeordneten Eva Högl, Cansel Kiziltepe und Fritz Felgentreu. Außerdem die SPD-Kreischefs Dilek Kolat (Tempelhof-Schöneberg), Stefan Komoß (Marzahn-Hellersdorf), Julia Schimeta (Friedrichshain-Kreuzberg), Ruppert Stüwe (Steglitz-Zehlendorf) und Oliver Igel (Treptow-Köpenick).
Saleh wird von Wowereit diskret gesponsert
Diverse Staatssekretäre und Bezirksbürgermeister stehen ebenfalls auf Stöß’ Seite, aber die meisten Funktionäre und Amtsträger halten sich bedeckt. Bei der Wiederwahl zum SPD-Landesvorsitzenden im Mai erhielt Stöß 68 Prozent der Delegiertenstimmen. An diesem Mehrheitsverhältnis zu seinen Gunsten dürfte sich seitdem wenig geändert haben.
Fraktionschef Saleh wird vom Regierenden Bürgermeister Wowereit diskret gesponsert. Der parteilose Finanzsenator Ulrich Nußbaum hat sich für ihn ausgesprochen. Auf seiner Seite stehen wohl auch SPD-Kreischefs wie Christian Gaebler (Charlottenburg-Wilmersdorf) und Jörg Stroedter (Reinickendorf), zudem der Bundestagsabgeordnete Swen Schulz aus Spandau. Zunächst hatte sich auch Buschkowsky für Saleh stark gemacht.
Wichtigster Helfer für Saleh: Torsten Schneider aus Pankow
Die SPD-Fraktion hatte Saleh im Frühjahr mit 80 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. Ob er, soweit es die Kandidatur für das höchste Regierungsamt betrifft, ebenfalls auf die Mehrheit der sozialdemokratischen Abgeordneten rechnen kann, ist offen. Der wichtigste Helfer für Saleh ist nach wie vor der Fraktionsgeschäftsführer Torsten Schneider aus Pankow, ein ausgebuffter Jurist und wirkungsmächtiger Machtmensch, der schon viele Papiere und Strategien für Saleh entworfen hat. Ein Problem für den Fraktionschef ist, dass er sich im April mit dem Versuch, auch den SPD-Landesvorsitz an sich zu reißen, ohne der Partei Gelegenheit zur geordneten Diskussion zu geben, selbst geschadet hat.
Doch nun müssen erst einmal alle abwarten, bis Senator Müller Klarheit über seine Kandidatur geschaffen hat. Er war übrigens mal Kronprinz von Wowereit.