Berlin rechnet es kaputt: Das Nein zur Verlängerung der U8 ist falsch
Der Senat hat seine Pläne zum U-Bahn-Ausbau vorgestellt. Die 50.000 Einwohner des Märkischen Viertels werden davon – erneut – enttäuscht. Ein Kommentar
Müssen die fast 50.000 Einwohner des Märkischen Viertels auf ihren U-Bahn-Anschluss warten, bis die CDU in Berlin mal wieder mitregiert? Regine Günther hat der Verlängerung der U8 ins Märkische Viertel am Dienstag eine Absage erteilt. Allerdings einigte sich der Senat darauf, eine Verlängerung der U7 zu prüfen.
Es sieht so aus, als negiere die grüne Verkehrssenatorin Fakten auch deshalb, weil die Berliner Christdemokraten so vehement für die Fortführung der U-Bahnlinie 8 ins Märkische Viertel kämpfen. Eine andere Erklärung als ideologische oder parteipolitische Blindheit findet sich jedenfalls nicht, weshalb die seit vielen Jahren auf dem Tisch liegende Planung nicht umgesetzt werden soll.
Regine Günther lässt die Sinnhaftigkeit der Fortführung dieser U-Bahn einfach kaputt rechnen. So kann man natürlich jedes Konzept in den Müll befördern.
Das sind die Fakten: Der Tunnel der U-Bahnlinie 8 ist über den jetzigen Endbahnhof Wittenau hinaus bereits auf 400 Meter Länge im Rohbau fertig. Er müsste nur weitergeführt werden. Jetzt fahren stündlich 35 Busse, um die Bewohner des Märkischen Viertels aus den abgelegenen Hochhaussiedlungen zum U- und S-Bahnhof Wittenau zu bringen.
Ihnen künftig statt der Fortführung der U-Bahn eine Straßenbahn anzubieten, bedeutet nach wie vor einen Systemwechsel. Jeder Umsteigevorgang aber, der mit dem Wechsel auf ein anderes Verkehrsmittel verbunden ist, kostet Zeit und Attraktivität.
Neue Regionalbahn: Die Heidekrautbahn ist keine Alternative
Heute ist das Märkische Viertel, in dem keine wohlhabenden Menschen wohnen, mit privaten Autos vollgestellt. Warum wohl? Weil der Nahverkehr einfach nicht attraktiv genug ist. Die Argumentation der Senatorin, die Heidekrautbahn im Osten des Märkischen Viertels sei ja bereits im Bau und böte eines Tages eine verlockende Alternative zur U-Bahn, ist hanebüchen.
Am S-Bahnhof Wilhelmsruh erfolgte kurz vor Weihnachten gerade einmal der erste Spatenstich, damit die Genehmigung nicht verfällt. Zwischen dem geplanten Haltepunkt der Heidekrautbahn am Ostende des Wilhelmsruher Damms und dem heutigen U-Bahnhof Wittenau sind fast 2,8 Kilometer Luftlinie – man kann doch bei seriöser Betrachtung nicht erklären, warum da die U-Bahn nicht weiter geführt werden kann.
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Schließlich die Zahl der zu erwartenden Passagiere: Die Senatorin lässt 25.000 Fahrgäste pro Tag errechnen, bereits heute geht man aber von 30.000 aus. Und dabei ist das Potential noch gar nicht berücksichtig, dass in den vielen Autofahrern steckt, die jetzt nur deshalb den Nahverkehr nicht nutzen, weil er nicht attraktiv genug ist.
Baustellen behindern immer den Verkehr
Geradezu abstrus aber ist das Argument, beim Bau einer U-Bahn durch das Märkische Viertel müsse der Wilhelmsruher Damm gesperrt werden. Glaubt Regine Günther denn, die Reinickendorfer wüssten nicht, dass bei der Sanierung des Tunnels der U2 zwischen Wittenbergplatz und Ernst-Reuter-Platz sowohl die Hardenbergstraße wie auch der Tauentzien Monate, wenn nicht Jahrelang eine einzige Baustelle waren?
Dass in Berlin einmal nicht gebaut wird, weil der Autoverkehr behindert werden könnte – das kann doch wohl selbst eine grüne Senatorin nicht ernsthaft glauben?
[Das 580-Mio-Projekt: Lesen Sie mehr zu den U-Bahnplänen, die auch in eine andere Großsiedlung fahren soll - in die U7 nach Staaken. Hier der Text aus dem Spandau-Newsletter]
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