zum Hauptinhalt
Ich danke Ihnen! Heinz Buschkowsy, hier 2012 bei Frank Zanders Weihnachtsessen für Obdachlose, redet die Verhältnisse in seinem Bezirk gern schlecht. Dabei ist es dort sehr schön.
© dpa

Wunderschönes Neukölln: Danke, Herr Buschkowsky!

Furcht vor Islamisierung, Sitten- und Kulturverfall: Das sind deutschlandweit Neuköllner Verhältnisse. Mitschuldig daran: Heinz Buschkowsky. Aus aktuellem Anlass unsere Laudatio, die unser Autor schon im Dezember hellsichtig veröffentlicht hat.

Wenn uns Freunde und Verwandte aus Westdeutschland besuchen, machen wir mit ihnen gern einen Spaziergang durch die Nachbarschaft. Über den Buschkrugpark, in dem im letzten Sommer eine gigantische Kinderspiellandschaft entstanden ist, geht es durch die Hufeisensiedlung hinüber zum Gutshof Britz. Dort stehen die Menschen aus der Provinz dann zunächst ehrfürchtig vor den Gattern mit historischen Nutztierrassen der Kulturstiftung Schloss Britz (Vorstand: Heinz Buschkowsky), später dann im durch und durch hervorragenden Museum Neukölln, einer Einrichtung des Bezirksamts Neukölln. Sie sagen: „Das hätte ich in Berlin jetzt nicht erwartet. Und gerade von Neukölln hört man immer so schlimme Dinge ...“

Zu den Eigenheiten jenes Stadtbezirks, in dem wir seit fast einem Jahr leben, gehört, dass er von seinem Bürgermeister an die gesamtdeutsche Öffentlichkeit als Krisengebiet vermarktet wird; als Chiffre für alles, was mit Kindern und Kindeskindern der Arbeitsmigranten des 20. Jahrhunderts angeblich schiefläuft. Wenn jetzt Woche für Woche ausgerechnet in Dresden (8,2 Prozent Einwohner mit Migrationshintergrund 2013, zum Vergleich Neukölln: 42,1 Prozent, Stand 31. Dezember 2013) tausende Menschen gegen die Islamisierung des Abendlandes auf die Straße gehen, hat das gewiss auch mit Heinz Buschkowskys Talkshow-Auftritten, der ewig alten Leier von Zwangsheirat, Bildungsferne und Versager-Machos zu tun.

Trotzdem oder gerade deshalb ist es Zeit, hier einmal einen Dank auszusprechen. An Heinz Buschkowsky und die Institutionen des Bezirks Neukölln. Ja, bevor sich nun eine ganze treudeutsche Generation besorgter Bürger aus Angst vor nie näher inspizierten „Neuköllner Verhältnissen“ hemmungslos der Fremdenfeindlichkeit hingibt, sei hiermit gesagt: So schlimm sind die gar nicht. Im Gegenteil: Die sind sogar ziemlich prima!

Keine Angst vor Neuköllner Verhältnissen

Paradoxerweise liegt das, so zumindest mein bescheidener Alltagseindruck, nicht zuletzt an der von Buschkowsky geführten Verwaltung. Die hat, dies sei allen zugerufen, die sich bei der Kritik am Bürgermeister in wohlfeilem „Dann soll er’s halt besser machen, er hat doch schließlich die Macht“ ergehen, gerade uns junge Eltern im vergangenen Jahr immer wieder beeindruckt. Mit gutem Service, sinnvoller Lebenshilfe und fein kuratierten Angeboten. Vom ersten Behördenkram bis zur Kita-Suche – alles wird verständlich erklärt und veranschaulicht. Sozial- und Sachbearbeiter gehen aktiv und offen auf Klienten zu, die Mehrsprachigkeit von Broschüren und Bezugspersonen scheint dabei hervorragend gegeben, ohne dass dadurch, #yallacsu, das Deutsche erkennbar Schaden nähme. Auch sonst präsentiert sich alles, was im weitesten Sinn mit öffentlicher Fürsorge zu tun hat – Kitas, Krankenhäuser undsoweiter –, topp in Schuss und sinnvoll angelegt.

Das Beste an allem aber ist: Geht man davon aus, dass soziale Dynamik auch Folge öffentlicher Institutionen ist, die helfen und fördern, verschiedene Communitys zu einem sozialen Körper zu formen, scheint das Ganze auch Früchte zu tragen. Zumindest habe ich noch an keinem Ort gelebt, in dem deutlich sichtbar eine so breite, differenzierte, bildungs- und aufstiegsorientierte Mittelschicht mit Migrationshintergrund das öffentliche Leben prägt. Die Parallelgesellschaft – in den südwestlichen Vororten scheinen mir das am ehesten die biodeutschen Kneipenhänger, die im Suff auf „die Ausländer“ schimpfen, derweil Ärztinnen, Apotheker und Schuhmacher mit türkischen oder arabischen Nachnamen Leistung abliefern.

So in etwa wird das alles dann auch dem West-Besuch am Nutztiergatter erklärt, der daraufhin gern einwendet: „Aber der Herr Buschkowsky denkt sich das ja nicht alles aus!“ Nein, tut er nicht. Aber offensichtlich ereilt den, der als Problemlöser ständig mit den Problemen konfrontiert ist, irgendwann eine bestimmte Form der Betriebsblindheit. Damit die nicht weiterhin dient, Vorurteile im Innern des Landes zu verfestigen, musste ihm hier mal gedankt werden. Dafür, dass man alles auch ganz anders sehen kann als er.

Dieser Text erschien als Rant in unserer Samstagsbeilage Mehr Berlin.

Zur Startseite