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Blaupause. Der Klimapfad illustriert, wie viel CO2 Bäume speichern.
© Stefan Jacobs

Studien zu Berliner Wäldern: CO2 muss vermieden und der Wald bewahrt werden

Zwei Studien zeigen, wie viel CO2 die Berliner Wälder speichern und wie sie Wasservorräte sichern. Doch der Rekordsommer macht Fortschritte zunichte.

Die Bäume sind oben grün und unten blau. Knapp 300 Stück, mitten im Grunewald, etwa auf halber Strecke der Havelchaussee. Die Berliner Forsten haben die Stämme auf einem halben Hektar farbig markiert, um zu illustrieren, wie viel Wald nötig ist, um die sechs Tonnen Kohlendioxid auszugleichen, die ein Durchschnittsberliner im Jahr verursacht: 5000 Quadratmeter. Macht bei 3,6 Millionen Berlinern 180 000 Quadratkilometer, also die halbe Bundesrepublik. Da das nicht geht, muss also einerseits CO2 vermieden und andererseits der vorhandene Wald als Speicher für Treibhausgase bewahrt werden. Ein von den Forsten beauftragtes Gutachten hat sich dem Thema genauer gewidmet. Eine weitere Studie befasst sich mit der Frage, welche Rolle die Wälder für die Wasservorräte der Stadt spielen. Am Mittwoch wurden beide präsentiert – bei einer Tour auf dem 2016 eröffneten „Wald-Berlin-Klima-Pfad“ nahe dem Grunewaldturm.

Zu einem Waldbesuch im scheinbar endlosen Sommer 2018 gehört ein Gespräch über die Dürre, die auch hier die trockenen Blätter rascheln und die Eicheln massenhaft von den Bäumen prasseln lässt: Stressreaktionen von Bäumen, die nach einen halben Jahr fast ohne Regen ihr Überleben sichern wollen. Die Langzeitfolgen dieses Sommers werden sich im nächsten Jahr zeigen, sagt Elmar Lakenberg, Leiter der Berliner Forsten. So wie die Schäden des – im Vergleich mit 2018 fast schon harmlosen – Jahrhundertsommers 2013 etwa zehn Jahre lang in Gestalt verlichteter Kronen sichtbar waren. Und falls auf die aktuelle Dürre eine sehr regnerische und stürmische Phase folgen sollte, „bekommen wir das nächste Problem“, sagt Lakenberg. Das akute Problem sind die Setzlinge des vergangenen Herbstes: 300.000 Minibäume im Wert von 220.000 Euro, allesamt tot. Immerhin gab es keine größeren Waldbrände, wofür der oberste Förster zwei Erklärungen hat: die regelmäßige Begängnis, sodass kein Feuer lange unentdeckt bleibt, und den zunehmenden Anteil von Laubbäumen, die nicht so leicht brennen wie reine Kiefernwälder.

Laubwälder benötigen weniger Wasser als Kiefernwälder

Im Grunewald ist das Umbauprogramm der Forsten schon relativ weit vorangekommen, während vor allem in den Köpenicker Wäldern noch Kiefern dominieren. Deren Nachteil illustriert das Gutachten des Umweltexperten Klaus Möller. Der hat ermittelt, dass von 620 Litern Niederschlag pro Quadratmeter und Jahr in einem Kiefernwald gut 600 Liter verdunsten. Ein Laubwald dagegen kommt mit 450 bis 480 Litern aus, sodass sich – zumindest im Winter, wenn die Laubbäume kahl sind – im Boden neues Grundwasser bilden kann. Von dem lebt nicht nur die Landschaft, sondern auch die Bevölkerung: Fast ein Drittel des von den Berliner Wasserbetrieben geförderten Wassers stammt aus dieser natürlichen Quelle. Etwa 60 Prozent sind sogenanntes Uferfiltrat, das von Brunnen entlang der Gewässer angesaugt wird. Zehn Prozent sind künstlich angereichertes Grundwasser, also versickertes und dabei vom Boden gereinigtes Wasser aus Seen.

12,5 Millionen Kubikmeter Wasser versickern bisher pro Jahr im Berliner Waldboden. 18 Millionen können es laut dem Gutachten werden, wenn ums Jahr 2050 die Kiefernforste zu Mischwäldern umgestaltet sind. Nur dürfen bis dahin nicht mehr allzu viele Sommer vom Kaliber des aktuellen kommen. Zumal nach mehreren deutlich zu trockenen Jahren die Grundwasservorräte ohnehin langsamer aufgefüllt werden als in früheren Zeiten.

Berlin will 2050 klimaneutral sein

2050 ist auch das Jahr, in dem Berlin klimaneutral sein will. Statt 300 blau markierter Bäume müssten dann etwa 70 pro Einwohner genügen. 70 von Abermillionen, die auf jenen 285 Quadratkilometern in der Obhut der Berliner Forsten in und um Berlin wachsen. Elf Millionen Tonnen CO2 sind in diesen Wäldern gebunden, hat Joachim Rock vom Thünen-Institut für Waldökosysteme errechnet: 9,4 Millionen in der Biomasse, also Bäumen und Wurzeln, 1,6 Millionen in der Humusschicht. Jedes Jahr kommen 335.000 Tonnen dazu. Das „reicht“ für 60.000 Durchschnittsberliner. Der jährliche Zuwachs landet zum einen direkt in der Biomasse, also den wachsenden Bäumen, zum Zweiten im Boden. Der dritte Anteil ist der indirekte, der aus der Nutzung des Holzes beispielsweise als Brennstoff – wo es klimaschädliche Kohle ersetzen kann – resultiert.

Etwa bis zur Wendezeit wurde deutlich mehr aus den Wäldern herausgeholt, während seitdem viel totes Holz liegen bleibt – zum Ärger vor allem älterer Waldbesucher, wie Forstchef Lakenberg aus vielen Telefonaten weiß. Es sei psychologisch untersucht worden, „dass der Anblick von Totholz depressiv macht“, sagt er. Aber dieses Phänomen verschwinde, wenn die Leute informiert seien. Also erklärt er wieder und wieder, wie wichtig vermoderndes Holz für die Artenvielfalt ist – für Insekten, die wiederum Blumen bestäuben und Vögel ernähren. „Wir sind da eine Art Arche Noah.“ Die befindet sich nur gerade in bedenklich flachem Wasser.

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