Nach Wahlniederlage in Berlin: CDU-Abgeordneter fordert Demokratisierung seiner Partei
Der Wahlverlierer CDU diskutiert die Gründe der bitteren Niederlage: Sind die Inhalte die falschen oder liegt es an den Partei-Strukturen? Ein scheidender Abgeordneter hat einen konkreten Vorschlag.
In der Berliner CDU hat, wie in der SPD, eine Diskussion über die Folgen der verlorenen Wahl begonnen. Während vom scheidenden Landesvorsitzenden Frank Henkel nichts mehr zu hören ist, denken Parteimitglieder laut über notwendige Reformen nach. Unter dem Titel „Aufbruch 21“ fordert Michael Garmer, Noch-Abgeordneter aus Charlottenburg-Wilmersdorf, eine Demokratisierung seiner Partei, rechtzeitig zur Aufstellung der Bundestagskandidaten.
Garmer greift eine Reformidee auf, die in anderen Landesverbänden praktiziert wird. Kandidaten für das Abgeordnetenhaus oder den Bundestag sollten direkt von den Parteimitgliedern im Wahlkreis gewählt werden können. Dieses Verfahren ist in anderen Landesverbänden üblich. In Berlin macht es nur der Kreisverband Pankow so.
Überall sonst halten Parteifunktionäre am „Delegiertenprinzizip“ fest: Auf Ortsverbandsebene werden Delegierte gewählt, die dann die Kandidaten küren; oft geschieht das unter dem Einfluss der Kreisvorsitzenden. Garmer beschreibt das als „gelenkte Demokratie“ und kritisiert: „Hintergrund dieser wenig demokratischen Strukturen ist der dringende Wunsch unserer Funktionäre nach einer möglichst ungestörten langfristigen Karriereentwicklung, ohne lästigen Einfluss der einfachen Parteimitglieder.“ Das habe der Berliner CDU Führungskräfte eingebracht – „Ausnahmen bestätigen die Regel“ –, die „kaum in der Lage sind, Wahlen zu gewinnen“.
Versäumnisse bei Schulen und Bürgerämtern
Das Personalproblem bei der Kandidatenwahl „setzt sich leider in der Verwaltung fort“, schreibt Garmer weiter. Es führe „zu einem flächendendeckenden Führungsversagen auf der Ebene der Staatssekretäre und Stadträte“. Indirekte spielt der CDU–Mann aus Charlottenburg-Wilmersdorf auf den Staatssekretär Andreas Statzkowski an. Er ist in der Innenverwaltung unter Frank Henkel zuständig etwa für die Personalentwicklung und die Informationstechnologie, zugleich Kreisverbandsvorsitzender der CDU Charlottenburg-Wilmersdorf. „Unsere Anhänger“, so Garmer über die Ursachen der Wahlniederlage, „sehen die Versäumnisse bei den Themen innere Sicherheit, Zustand der Straßen und Schulen, Arbeitsweise der Bürgerämter. Was aber können wir noch tun, wenn wir nicht einmal in Regierungsverantwortung unsere Wähler begeistern können, nicht einmal mit den von CDU-Senatoren geführten Verwaltungen?“
Neu an Garmers Analyse einer Niederlage ist weniger die Kritik an der Performance der CDU-Senatoren und ihrer Staatssekretäre, als die Verknüpfung von Parteipolitik und den Problemen mit der Berliner Verwaltung. Hamburg zeige, wie moderne Verwaltung einer Großstadt funktioniere. „Warum ist in Berlin alles anders?“, fragt Garmer, „warum kommen Politik und Verwaltung hier nicht auf die Beine?“
Die Antwort liege in der komplizierten Zweistufigkeit der Verwaltung, so Garmer – darin, dass es eine politische Ebene unter den Hauptverwaltungen gibt, die zum Karrieremachen und zur Ämterversorgung genutzt werde, ohne dass dort – in den Bezirken – wirklich Wichtiges entschieden werde. Auch die SPD nutze die Bezirke in diesem Sinn.
Vorbereitung einer Verfassungsreform
Das System habe zu Mauerzeiten seinen Sinn gehabt, schreibt Garmer. Heute wirkten die langen Rathausflure mit ihren verschlossenen Türen wie ein Relikt der 70er Jahre. „Das politische System in seiner gegenwärtigen Verfasstheit“ sei inzwischen „das Problem, als dessen Lösung es sich ausgibt; Politik wird vielfach nur simuliert“, so der Politiker.
Reformieren können es nur, wer sich erst selbst reformiere, lautete Garmers Appell ans eine Parteifreunde: erst die Demokratisierung der CDU, dann die Vorbereitung einer Verfassungsreform, „mit der die Bezirke nach Hamburger Vorbild schlank und effizient aufgestellt werden“.
CDU-Generalsekretär Kai Wegner hält indes nichts davon, „als erstes über neue Strukturen“ zu reden. Wichtig für die Berliner CDU sei jetzt eine Diskussion über Inhalte und die Kommunikation mit der Stadtgesellschaft.