Flughafen Tempelhof: Café für Flüchtlinge und Einheimische eröffnet
Das erste Integrationsprojekt im Flüchtlingsdorf Tempelhof hat aufgemacht. Mit Hilfe der „Lindenstraße“. Hier sind alle willkommen.
Die Theke zusammengezimmert, Sofas vom Sperrmüll, eine Leseecke mit Spendenbox, an den Pfeilern ungerahmte Malereien – offenkundig das nächste urgemütliche Pop-up-Café für die Hipstergemeinde Berlins. Auffällig nur, dass Frauen mit Kopftuch zur Eröffnung gekommen sind, Schauspieler der Serie Lindenstraße und sehr hagere, freundlich lächelnde Männer, die nur Arabisch sprechen.
Das THF-Café ist etwas kompliziert zu erreichen. Vom U-Bahnhof Platz der Luftbrücke über den Columbiadamm bis zum Hangar 1 braucht es schon etwas Kondition, am besten ein Fahrrad mitnehmen. An der Sicherheitsschranke gibt es einen Gäste-check-in und -out, denn hier beginnt die Flüchtlingsunterkunft Tempelhof mit aktuell 1400 Bewohnern.
Ein Projekt von Flüchtlingshelfern
Das Café ist das erste voll funktionierende Integrationsprojekt im ehemaligen Flughafen. Nicht die Senats-Flüchtlingsverwaltung hat es auf die Beine gestellt, sondern die Initiative THFwelcome, die bereits im Herbst, als die ersten Hangars bezogen wurden, eine Kleiderkammer eingerichtet hatte. Gleich neben der Kammer, im Vorraum zum Hangar 1, ist jetzt das Café samt Lesezone und kleiner Bibliothek eingezogen. Auch für eine Bühne hat der Platz gereicht.
Mitinitiator ist der Lindenstraßen-Schauspieler Michael Baral, der „gleich um die Ecke wohnt“ und im Herbst in der Kleiderkammer mithalf. Weil die Lindenstraße gerne tagespolitische Diskussionen aufgreift und ihre Figuren die Einwanderer-Gesellschaft in Deutschland wiederspiegeln, motivierte Baral seine Kollegen, der Café-Eröffnung mit ihrer Anwesenheit etwas Glanz zu verleihen. Sara Turchetto, die in der Serie die Deutsch-Italienerin Marcella Varese spielt, ist selbst „halb Serbin“, hat also einen authentischen Migrationshintergrund.
Baral spielt Timo Zenker in der Lindenstraße
„Ich finde es unheimlich wichtig, Leute kennenzulernen, sich vertraut zu machen“, sagt Baral, dessen Lindenstraßen-Ego Timo Zenker schon mal auf islamistische Terror-Abwege geriet und dafür ein paar Jahre im Gefängnis saß. Baral hat beispielsweise den 18-jährigen Iraker Saman kennengelernt, der zusammen mit seinem Bruder geflohen ist und sich gerade auf eine Deutsch-Prüfung vorbereitet. Anschließend möchte er zur Schule gehen und später Flugmedizin studieren. Jetzt arbeitet er erstmal im THF-Café mit.
Hier gibt es die üblichen Koffeingetränke, dazu werden selbstgemachte Orient-Süßwaren gereicht. Oder auch Marmorkuchen vom Supermarkt. Wer Geld hat, spendet was, wer nicht, ist eingeladen. Die genauen Öffnungszeiten sind noch unsicher, auf jeden Fall am Nachmittag, sagt Richard von THFwelcome. Wenn jemand etwas vortragen oder musizieren möchte, auch mal abends. Einen Ruhetag in der Woche soll es geben.
Hintereingang führt in die Hangars
Alles hängt von den ehrenamtlichen Helfern ab und ihrer Bereitschaft, Schichten am Tresen zu übernehmen. Gegenwärtig gebe es auch in der Kleiderkammer akuten Bedarf, sagt Richard. Im Internet unter volunteer-planner.org kann sich jeder eintragen, der Zeit und Lust hat mitzumachen. Das Café ist die Schnittstelle zwischen Flüchtlingen und Berlinern, im übertragenen Sinne, aber auch ganz konkret. Der Hintereingang führt in die Hangars, hier ist für die externen Cafébesucher allerdings kein Zutritt. Die Flüchtlinge freuen sich über das Café. Viele verlassen ungern ihre Unterkunft, weil sie schlecht Deutsch sprechen und sich nicht sicher fühlen. Hier können sie im geschützten Bereich bleiben und trotzdem Kontakte nach außen bekommen.
Mohammed Aldyab aus Damaskus spricht zwar kein Deutsch, kann aber sein Handy zücken und hunderte Fotos mit Keramikkunst oder Schneeskulpturen zeigen, die er früher in Syrien hergestellt hat. Für das Café hat er ein Sinnbild zum Thema Frieden gemalt. Er sucht dringend ein Atelier, um arbeiten zu können, auch als Medizin gegen die Monotonie in den Hangars.
Auf dem Vorfeld-Gelände des Flughafens steht die große Blumenhalle, dort will der Senat Integrationsprojekte einrichten, doch Baugenehmigung und Nutzungskonzept verzögern sich. Der Ausbau Tempelhofs zum „Aufnahmezentrum“ sei trotz sinkender Flüchtlingszahlen weiterhin aktuell, heißt es.