Bewerbung für Olympia 2024 oder 2028: Bürgerbeteiligung in Berlin soll Anfang 2015 losgehen
Die Berliner Bürger sehen die mögliche Bewerbung für die Olympischen Spiele 2024 oder 2028 weiter skeptisch. Der Senat will sie ab Anfang 2015 beteiligen. Die Frage ist: Wie sehr?
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) will wie berichtet am 21. März 2015 entscheiden, ob und mit welcher der Bewerberstädte – Berlin oder Hamburg – er sich für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 und eventuell 2028 bewirbt. Aber wie sollen die Berliner an einer Bewerbung beteiligt werden? Der DOSB präsentierte eine Forsa-Umfrage, wonach 48 Prozent der Berliner dafür, 49 Prozent gegen eine Bewerbung sind. Gäbe es heute eine Volksbefragung, würde die Mehrheit gegen eine Bewerbung sein.
„Das ist eine Momentaufnahme“, beschwichtigt Senatssprecher Richard Meng. „Ab Anfang 2015 wird es mit der Bürgerbeteiligung losgehen.“ Es solle eine „breite Beteiligung“ mit Bürgerforen und im Internet geben. Derzeit erarbeite man ein Konzept.
Klare Position für Berlin als Olympia-Austragungsort hat der Deutsche Schwimm-Verband mit einem Präsidiumsbeschluss bezogen. DSV-Präsidentin Christa Thiel, zugleich DOSB-Vizepräsidentin, betonte vor kurzem beim sportpolitischen Empfang der CDU-Fraktion die herausragende Rolle von Berlin als Austragungsort für Schwimmwettkämpfe. Auch der Landessportbund steht einer Olympia-Bewerbung von Berlin grundsätzlich positiv gegenüber. Diese funktioniere aber nur, „wenn die Bevölkerung hinter dem Projekt steht“, sagte LSB-Präsident Klaus Böger. Er fordert einen „verbindlichen Entscheid“ über Olympia in Berlin. Zugleich mahnt er an, dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) den geplanten Reformprozess ernstnehmen und Reformen anlegen sollte.
SPD, CDU und Piraten fordern Transparenz und Bürgerbeteiligung
Auch der DOSB will die Vollversammlung am 8. und 9. Dezember in Monte Carlo abwarten, auf der das IOC das Reformpaket „ Agenda 2020“ verabschieden will. Auf diese Reformen pochen Olympia-Befürworter und Gegner. SPD, CDU und Piraten unterzeichneten eine Resolution, in der sie sich für Transparenz, Bürgerbeteiligung, nachhaltige Infrastruktur, bescheidene Spiele, solide Finanzierung und eine IOC-Reform aussprechen. Die Grünen enthielten sich, weisen aber auch auf eine notwendige IOC-Reform hin. Die Linke, die im Bündnis „Nolympia Berlin“ organisiert ist, wendet ein, trotz eines IOC-Reformpakets müsse mit einer Fortführung der „Host City Contracts“ gerechnet werden: Diese Verträge würden alle Risiken, die durch die vom IOC diktierten Bedingungen entstehen, den Ausrichterstädten übertragen.
LSB und Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) haben ein Diskussionsforum unter www.olympia-diskutieren.de gestartet. Bis Mitte November können Bürger Kommentare schreiben, diese bewerten und Fragen beantworten. BUND- Geschäftsführer Tilman Heuser fordert neben einer IOC-Reform vom Senat bis zur DOSB-Entscheidung im März ein „finanziell durchkalkuliertes Konzept“. Man müsse erkennen, „dass Berlin so ein Großereignis bewältigen kann“. Ohne Risikoabschätzung würde die Bewerbung abgelehnt. Das Misstrauen sei wegen der BER-Pleite „erheblich“.
Bewerbung beim IOC im Herbst 2015
„Wir brauchen eine Verfahrensweise, in der sich alle einbringen können. Am Schluss muss eine rechtsverbindliche Abstimmung stehen“, sagte Grünen-Sportpolitikerin Anja Schillhaneck. Der Zeitplan sei offen, eine Abstimmung sollte aber noch 2015 erfolgen. Im Herbst 2015 will sich der DOSB mit Hamburg oder Berlin beim IOC bewerben. Judith Demba vom Anti-Olympia-Bündnis forderte eine Abstimmung der Bürger noch vor dem 21. März. Berlin brauche eine sanierte und intakte Infrastruktur, keinen „olympischen Größenwahn“. Sabine Beikler
Das IOC reformiert Olympia – doch wie sehr?
Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) denkt nur ungern an die Münchner Olympiabewerbung 2022 zurück. „Da überfallen mich Phantomschmerzen“, sagt Alfons Hörmann. Hätten sich die Bürger nicht im Dezember gegen München entschieden – die Stadt hätte die Winterspiele angesichts der verbliebenen Bewerber Almaty und Peking so gut wie sicher. Die Münchner hatten sich vor allem gegen das Internationale Olympische Komitee (IOC) ausgesprochen; Knebelverträge, Intransparenz und Geldgier warfen diesem die Gegner vor. Deshalb dürfte der Erfolg einer Bürgerbefragung in Berlin oder Hamburg über eine Bewerbung für die Sommerspiele 2024 ganz entscheidend davon abhängen, ob das IOC tatsächlich zu Reformen fähig ist.
Die Entscheidung darüber fällt in Monte Carlo am 8. und 9. Dezember, wenn die IOC-Vollversammlung über 40 Reformvorschläge der „Agenda 2020“ des neuen IOC-Präsidenten Thomas Bach abstimmt. Im Vorfeld gibt es einige positive Signale. So sicherte Thomas Bach bereits zu, dass zukünftige Verträge mit Gastgeberstädten den Schutz konkreter Menschenrechte wie Arbeiterrechte beinhalten werden. Die sonst sehr IOC-kritische Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch verlieh dem IOC daraufhin eine verbale Goldmedaille.
Auch gab das IOC erstmals bekannt, dass es den Ausrichterstädten der Winterspiele 2022 eine Milliarde Dollar zur Verfügung stellen wird. Die Münchner Bewerbung war noch von 450 Millionen ausgegangen. Thomas Bach sagte, Olympia müsse sich wieder den jeweiligen Gastgeberstädten anpassen und nicht umgekehrt. Damit hat er eine Forderung des DOSB aufgegriffen, die der Verband im Sommer in einem Diskussionspapier für das IOC formuliert hatte. Wie viel Reformen letztlich umgesetzt werden, muss sich im Dezember erweisen. Und damit auch, ob die Chancen steigen, bei der Berliner oder Hamburger Bevölkerung Zustimmung zu finden. Benedikt Voigt