Nach gescheitertem Volksentscheid in München: Das Image der Olympischen Spiele: Nicht so gut
Es herrscht eine diffuse Angst vor dem IOC. Aber das ist bei weitem nicht der einzige Grund, weshalb die Bewerbung Münchens für die Winterspiele 2022 am Volkswillen gescheitert ist.
Für solch ein Ergebnis hält die Sportreportersprache einige Wörter bereit: Klatsche etwa oder Kantersieg. 4:0 haben die Olympiagegner in vier bayerischen Kommunen am Sonntag gegen die Winterspiele in München 2022 gestimmt. Dass das Spiel so eindeutig ausgehen würde, damit hatte wohl niemand gerechnet. Und es ist keineswegs nur so, dass hier kleine bayerische Gemeinden alles beim Alten belassen wollten und sich gegen jegliche Veränderung sperren. Vom Bürgerentscheid zu den Winterspielen geht auch das Signal aus, dass sportliche Großveranstaltungen in Deutschland gerade äußerst skeptisch betrachtet werden.
Wieso ist das Vorhaben so deutlich gescheitert?
München hatte eigentlich schon einige Sympathiepunkte gesammelt. Schon bei der verlorenen Abstimmung gegen Pyeongchang um die Winterspiele 2018 war das Bewerbungskonzept als vergleichsweise nachhaltig aufgefallen. Und stand damit nicht nur im Kontrast zum Mitbewerber Pyeongchang, sondern vor allem auch zum russischen Badeort Sotschi, der gerade für die Winterspiele 2014 zum Ski- und Schlittschuhrevier umgewandelt wird – unter großen Eingriffen in die Natur.
Für die Bewerbung um die Spiele 2022 war das Münchner Konzept sogar noch einmal weiterentwickelt worden. Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Skiverbands und designierter Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, warb damit, dass 85 Prozent der benötigten Sportanlagen schon vorhanden seien, 14 Prozent temporär errichtet werden könnten und nur ein Prozent dazukommen müsste.
Am Ende siegte jedoch die Befürchtung, dass es bei den veranschlagten Gesamtkosten von 3,3 Milliarden Euro nicht bleibt und die Spiele mehr Schaden hinterlassen als Vorteile bringen. Auch die diffuse Angst, sich mit den Spielen dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) auszuliefern, spielte eine Rolle. Das Schlagwort „Knebelverträge“ hatte dabei die Runde gemacht. Steuerbefreiungen und exklusive Vermarktungsrechte für das IOC vermiesten die Lust auf die Spiele.
Wie sind die Reaktionen?
Sportverbände und Politiker zeigten sich schwer enttäuscht und überrumpelt vom deutlichen Ergebnis. Der Widerstand kam vor allem von Bürgerinitiativen und den Grünen, die ihren Außenseitererfolg ausgiebig feierten. Es gab nur wenige Versuche, die Ablehnung als bayerisches Spezifikum zu werten, etwa von Gerd Heinze, dem Präsidenten der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft: „Auf Deutsch gesagt: Die Bayern haben keinen Arsch in der Lederhose. Sie sind nicht bereit, das geringste Risiko einzugehen, um Dinge nach vorn zu bringen, die für ganz Deutschland so wichtig wären.“
Ansonsten überwog jedoch die Einschätzung, dass es sich um ein grundsätzliches Phänomen handele. „Ohne die Zustimmung der Bevölkerung wird es zukünftig keine Olympischen Spiele in Deutschland geben“, sagte Clemens Prokop, der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, und der Präsident des Deutschen Turner-Bundes Rainer Brechtken forderte: „Was wir brauchen, ist eine umfassende gesellschaftliche Diskussion über solche Großprojekte.“
Ungünstig für den Dachverband des deutschen Sports, den Deutschen Olympischen Sportbund, ist die Entscheidung in Bayern auch deshalb, weil am 7. Dezember in Wiesbaden der Ski-Präsident Hörmann zum neuen Chef gewählt wird. Als Bewerbungschef der Münchner Winterspiele wäre das eine glückliche Konstellation gewesen – so musste auch Hörmann eine Niederlage hinnehmen, bevor er überhaupt seine Arbeit an der Spitze des deutschen Sports aufgenommen hat.
Was sagt das Ergebnis über das Image von Olympischen Spielen aus?
Die Spiele sind für die Bevölkerung nicht mehr das höchste Wettbewerbsziel. Gerhard Heiberg, norwegisches IOC-Mitglied und Organisationschef der Winterspiele von Lillehammer 1994, sagte: „Die Gigantomanie schreckt die Leute, das müssen wir ändern. Viele fühlen sich provoziert von der Nachricht, dass die Spiele in Sotschi 50 Milliarden US-Dollar kosten.“
Gerade die Winterspiele werden mit immensem Naturverbrauch in Verbindung gebracht. Die Debatte um die Spiele in Sotschi ist daher auch von Umweltzerstörung und Zwangsumsiedlungen geprägt.
Eine Nummer kleiner kommt der Sport daher immer noch gut an. „Weltmeisterschaften auszutragen ist kein Problem, aber sobald die Menschen Olympia hören, bekommen sie Angst. Das ist ein schlechtes Zeichen“, sagt Gian-Franco Kasper, der Präsident des Internationalen Skiverbands. Garmisch-Partenkirchen beispielsweise hatte 2011 die alpinen Skiweltmeisterschaften ausgetragen. Sie galten als Erfolg, auch aus organisatorischer Sicht. Die Bevölkerung in Garmisch-Partenkirchen konnten sie allerdings nicht davon überzeugen, nun den nächsten großen Schritt zu tun und Austragungsort der alpinen Skiwettbewerbe bei Olympischen Spielen zu werden.
Nicht nur Kasper hat allerdings den Eindruck, dass es nicht nur an den Spielen liegt, sondern auch an der Organisation dahinter: „Vor allem ist es ein Misstrauen gegen das IOC.“ Das IOC gilt wie die Fifa als von Sponsoren und politischen Regimen stark beeinflussbar. Dass die beiden größten Sportverbände der Welt zum Wohle der Sportler handeln und entscheiden, wird landläufig angezweifelt.
Können nur noch autoritäre Regime die Spiele ausrichten?
Der Fußball hat mit der Vergabe seiner Großereignisse allerdings ein weit geringeres Akzeptanzproblem als das IOC mit seinen Olympischen Spielen. Denn oft stehen schon die Stadien und müssen nur modernisiert werden, auch die Infrastruktur ist größtenteils vorhanden. Gegen die deutsche Bewerbung für die Fußball-EM 2024 dürfte es jedenfalls kaum Widerstände geben. Dagegen gibt es gerade im nächsten WM-Austragungsland Brasilien massive Bürgerproteste, weil dort eine Kluft wahrgenommen wird zwischen milliardenschweren Investitionen auf der einen Seite und ausbleibenden Verbesserungen für die Bevölkerung auf der anderen.
Das wird gerne erzählt und ist auch eine populäre Begründung, sich gar nicht erst mit einer Bewerbung zu befassen. Nur stimmt sie leider nicht. Die nächsten Olympischen Winterspiele 2014 finden zwar in Sotschi statt, danach folgen jedoch Sommerspiele in Rio de Janeiro, Winterspiele in Pyeongchang und Sommerspiele in Tokio. Für die Winterspiele 2022 meldete am Montag auch Stockholm eine Bewerbung an. Auch Oslo und Krakau bewerben sich. Das wird es dem IOC leicht machen, von einem deutschen Akzeptanzproblem zu sprechen, anstatt sich kritisch mit dem Votum vom Sonntag auseinanderzusetzen. Der deutsche IOC-Präsident Thomas Bach wollte sich zur Entscheidung gegen Winterspiele in München auch gar nicht äußern. Stattdessen schickte das IOC am Montag eine Mitteilung herum, dass es nun die Fernsehrechte für die Sommerspiele 2016 in den karibischen Staaten vergeben habe.