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Andrang in den Arcaden. Vor der Wartenummernausgabe im neuen Bürgeramt bilden sich lange Menschenschlangen. Wer nicht stehen will, setzt sich auf den Boden.
© Cay Dobberke

Bezirke fordern mehr Personal: Bürgerämter in Berlin: Endlose Wartezeiten

Lange Warteschlangen in den Bürgerämtern der Bezirke: Obwohl Berlin stetig wächst, mussten die Ämter viele Stellen streichen. Die Bezirke wollen sich jetzt wehren und mehr Personal von Finanzsenator Ulrich Nußbaum verlangen.

Mancher fühlt sich an DDR-Zeiten erinnert. „Als wir früh um vier Uhr schon vorm Plattenladen anstanden, um noch eine Amiga-Platte mit Pink-Floyd-Songs zu ergattern“, sagt eine 52-jährige Frau im Bürgeramt Steglitz an der Schloßstraße. Um 8 Uhr macht die Behörde auf, eine Stunde vorher war Jeannette Müller schon vor der Tür, um ihren Pass verlängern zu lassen. Seither steht sie in einer Warteschlange, die sich über zwei Etagen hinzieht. Es ist jetzt schon 10, doch vor 11 Uhr wird sie kaum drankommen. Und das ist kein Sonderfall in Berlin, sondern eher normal in allen Bürgerämtern.

Am vergangenen Freitag gab es dazu ein Krisengespräch in der Senatsinnenverwaltung. Und an diesem Montag wollen Bezirksvertreter einen Vorstoß bei Finanzsenator Ulrich Nußbaum unternehmen: Er soll ihnen die Zusage geben, dass sie mehr Personal für ihre Ämter einstellen können. Denn obwohl Berlin nach der jüngsten Bevölkerungsprognose wächst, mussten die Bürgerämter unter dem Sparzwang viele Stellen streichen. 2002 gab es in Lichtenberg beispielsweise noch 75 Stellen, heute sind es ein Drittel weniger.

Die Folgen waren gravierend. Endlose Wartezeiten für Kunden, die spontan während der Öffnungszeiten kamen. Und die Terminvergabe im Internet brachte auch nicht den erhofften Entspannungseffekt. Zeiten waren rasch ausgebucht, man musste sich gleichfalls tagelang, später wochenlang gedulden. Deswegen vergeben die meisten Bezirke seit zwei Jahren nur noch Termine im Voraus.

Berliner versuchen bei allen Bürgerämtern ihr Glück

„Wartestress und Aggressionen auf den Fluren sind dadurch weg“, sagt Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann (SPD) von Charlottenburg-Wilmersdorf. Den Frust erlebt man aber dafür am Computer oder Telefon: Selbst wer es eilig hat, bekommt erst zwei bis drei Wochen später einen Termin, anderswo sind es bis zu sechs Wochen. Es sei denn, es handelt sich nachweislich um Notfälle. Nur Steglitz-Zehlendorf, Lichtenberg und Neukölln bedienen ihre Kunden weiterhin auch spontan – mit entsprechenden Warteschlangen.

Da Berlins Bürgerämter nicht mehr bezirks- und wohnortgebunden arbeiten, versuchen die Kunden inzwischen bei allen Behörden ihr Glück. Wer in Tempelhof keinen rechtzeitigen Termin bekommt, fährt nach Hellersdorf, falls es dort früher klappt. Oder geduldet sich einen freien Tag lang in Steglitz oder Neukölln – vorausgesetzt, es sind noch nicht alle Wartenummern vor der Ankunft vergeben. Viele fragen sich dabei, warum der Bürgerservice nicht stadtweit besser abgestimmt organisiert werden kann.

Dies ist das Anliegen einer beim Finanzsenator angesiedelten Arbeitsgruppe. Bezirks- und Senatsvertreter entwickeln dort einheitliche Standards für die Bürgerämter. Bevor mehr Personal eingestellt werde, müsse man erst einmal Arbeitsgänge und Organisationsstrukturen auf ihre Effizienz hin überprüfen, sagte am Sonntag eine Sprecherin der Senatsfinanzverwaltung. „Das ist die Voraussetzung für Neueinstellungen, denen wir uns ja nicht grundsätzlich verweigern.“ Mitte 2014 seien Berlins Bezirken bereits 240 Stellen für neue Aufgaben in den verschiedensten Behörden genehmigt worden.

Den Bezirken reicht das nicht. Alleine Charlottenburg-Wilmersdorf benötigt laut Bürgermeister Naumann noch 70 weitere Stellen, „um alle bezirklichen Aufgaben vernünftig erledigen zu können“. Naumann hofft nun auf eine Initiative des Rates der Bezirksbürgermeister. In dessen Auftrag haben alle Bezirke ihren Personalbedarf ergründet. Im November sollen die Zahlen dem Senat vorgelegt werden. Die Innenverwaltung hat am Freitag beim Gespräch über die Bürgerämter schon Einsicht signalisiert.

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