Berlin-Charlottenburg: Ämter überlastet: Warten ist erste Bürgerpflicht
Den Pass vor dem Urlaub verloren? Ein anderes eiliges Anliegen ans Bürgeramt? In Charlottenburg-Wilmersdorf hat man dann schlechte Karten. Nicht nur in der neuen Anlaufstelle in den Wilmersdorfer Arcaden gibt es Probleme.
Es ist nicht leicht, in einem Charlottenburg-Wilmersdorfer Bürgeramt bedient zu werden. Das zeigen immer mehr Beschwerden über die neue Anlaufstelle in den Wilmersdorfer Arcaden. Einen Termin vereinbaren kann man nicht, das im Mai eröffnete Amt ist vorläufig nur für „Spontankunden“ gedacht. Wer aber spontan im Laufe des Tages vorbeikommt, kann in der Regel gleich wieder gehen.
Am Empfangsschalter im ersten Stock des Centers an der Wilmersdorfer Straße verkündet ein Schild, wegen großen Andrangs müsse die Ausgabe von Wartenummern 30 bis 60 Minuten nach der Öffnung enden. Nur mit Glück oder in besonderen Notfällen bekommt man noch nach zwei Stunden eine Nummer.
Spontankunden können kaum bedient werden
Theoretisch kann jeder auf ein anderes Bürgeramt ausweichen. Nur drei U-Bahnstationen entfernt liegt das Amt am Hohenzollerndamm. Doch soeben gab das Bezirksamt bekannt, aufgrund von Personalengpässen könnten mindestens bis Ende der Woche „nur in einem sehr geringen Umfang Spontankunden bedient werden“. Empfohlen wird, ein anderes Bürgeramt zu nutzen oder einen Termin zu vereinbaren. Aber auf der Webseite des Bezirks oder unter der Behördenrufnummer 115 gibt es für den Hohenzollerndamm keine Termine.
Am Hohenzollerndamm werden Mitarbeiter bedroht
Die für Bürgerdienste zuständige Stadträtin Dagmar König (CDU) erklärt dies mit einer „Umstellung“: Am Hohenzollerndamm würden Termine nur noch drei statt sechs Wochen im Voraus angenommen; im Moment sei alles ausgebucht.
Die Änderung soll auch dortigen Mitarbeitern dabei helfen, abgewiesenen Spontankunden schneller einen Ersatztermin anbieten zu können. Die Stimmung am Hohenzollerndamm ist oft aggressiv. Laut König wurde Beschäftigten wiederholt Gewalt angedroht, andere erboste Bürger hätten unter anderem Aktenstapel durch die Räume geworfen.
„Seien Sie eine Stunde vor Öffnung da“
Im dritten Amt an der Heerstraße, das nur Terminkunden bedient, kann man nach vier Wochen drankommen. Der vierte Standort ist die Außenstelle Halemweg, die lediglich dienstags und freitags öffnet. Dort ist aktuell der 1. August der früheste verfügbare Termin. Bürger können es am Halemweg zwar auch spontan versuchen – aber nur dienstags von 14 bis 18 Uhr.
Was also soll ein Bewohner der City West tun, dem etwa kurz vor einer Reise der Pass abhandengekommen oder abgelaufen ist? Am Schalter in den Wilmersdorfer Arcaden heißt es: „Seien Sie morgens eine Stunde vor der Öffnung da.“ Als das Amt am Dienstag um 11 Uhr aufmachte, sagten die Ersten der mehr als 200 Wartenden, sie seien bereits kurz vor 8 Uhr gekommen.
Das Center hat Sitzplätze – doch das hilft wenig
Menschen, denen das Stehen schwerfällt, haben ein Problem. Einen Warteraum gibt es im neuen Amt nicht, und auch die centereigenen Sitzecken nutzen wenig: Wer sich dort niederlässt, ist raus aus der Schlange. Bei der Eröffnung hatte Stadträtin König als Vorteil der Lage im Center und an der Fußgängerzone genannt, Besucher könnten die Wartezeit für Besorgungen nutzen. Das aber geht erst, wenn man die Nummer hat.
Als Hauptproblem nennt Dagmar König die Sparpolitik des Senats. Vor zwölf Jahren habe dieser dem Bezirk noch rund 75 Stellen in den Bürgerämtern bewilligt, jetzt seien es 25 weniger. Gleichzeitig seien den Ämtern immer mehr Aufgaben aufgebürdet worden. Lange Wartezeiten gebe es vielerorts in Berlin. In der City West komme verschärfend hinzu, dass einige Bezirke komplett auf vorherige Terminvergaben umgestellt hätten. Seitdem ziehe es Spontankunden aus der ganzen Stadt hierher.
Jetzt rät Dagmar König zum umgekehrten Weg: Wer in Charlottenburg-Wilmersdorf zu lange warten müsse, könne in andere Bezirke ausweichen. Außerdem ist im Gespräch, auch in dem neuen Bürgeramt feste Termine anzubieten. Darüber will der Bezirk ein Vierteljahr nach der Eröffnung entscheiden.
Bis dahin werden Mitarbeiter auch in den Arcaden den Bürgerzorn spüren. Laut schimpfend verabschiedete sich am Dienstag zum Beispiel Heinz Fried-Splinter, der sich ehrenamtlich bei der Bahnhofsmission engagiert und für die Jugendbetreuung ein Führungszeugnis braucht (dass man es per Post beantragen kann, wusste er nicht). Schon an zwei vorherigen Tagen sei er nicht mehr rangekommen, ärgerte sich Fried-Splinter. Diesmal stand er seit 10.30 Uhr an und gelangte um 12.15 Uhr an den Schalter. Da waren die letzten Wartenummern gerade weg.