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Unterschriftsreif. Nicht nur auf dem Tempelhofer Feld werden ab jetzt Unterschriften für den Mieten-Volksentscheid gesammelt.
© Thilo Rückeis

Häuserkampf in Berlin: Bündnis sammelt Unterschriften für Volksentscheid über soziales Wohnen

Seit Samstag sammelt eine Initiative in Berlin Unterschriften für einen Volksentscheid über soziales Wohnen. Auf dem Tempelhofer Feld, wo einst Häuser geplant waren, gibt es schon mal viel Unterstützung.

Der Mann mit dem Mikrofon in der Hand ruft es stolz den Leuten zu: Hundert Unterschriften pro Stunde habe man gesammelt. Dann fordert er die von der Neuköllner Herrfurthstraße auf das Tempelhofer Feld strömenden Besucher auf, für einen Volksentscheid zum Thema Berliner Mieten zu unterschreiben. Und die Leute lesen und tragen ihre Namen in die Unterschriftenlisten ein, um die Forderung nach einem Mietenvolksentscheid zu unterstützen, auch wenn sie sich jetzt, am frühen Samstagnachmittag, dafür nicht gegenseitig die Kugelschreiber aus der Hand reißen.

Immerhin, die Schätzung mit den hundert Stimmen pro Stunde, die der Aktivist eben den Leuten zu gerufen hat, teilt auch der Sprecher der Unterschriftensammler, Rouzbeh Taheri: Er vermutet, der dicke Stapel aus Listen, auf denen sich seit dem frühen Vormittag Befürworter eines Volksentscheids mit Namen und Adressen eingetragen haben, enthalte mindesten 500 Unterschriften. Hohe Mieten sind längst auch in Neukölln-Nord zum Problem geworden. Das ist der Unterschriftensammelpunkt am Ost-Eingang des Tempelhofer Feldes, auch wenn nicht alle gleich begreifen, wozu genau der Volksentscheid führen soll. Aber dafür gibt es erklärungswillige Aktivisten, und es gibt Flyer.

20 000 Unterschriften werden benötigt

Gelingt es, bis Ende Mai, 20 000 Unterschriften von wahlberechtigten Berlinern zusammen zu bekommen, kann die Initiative beim Innensenator die Einleitung eines Volksentscheids beantragen. Dann folgt der zweite Abschnitt in Sachen Bürgerbeteiligung an der Politik: 175 000 gültige Unterschriften müssen, vermutlich ab Januar 2016, gesammelt werden, um einen Volksentscheid herbeizuführen. Am Sonntag der Abgeordnetenhauswahl im September 2016 sollen die Berliner per Volksentscheid ein „Gesetz über die Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung in Berlin“ beschließen. Das soll dazu führen, dass in Berlin wieder mehr preiswerter Wohnraum entsteht, dass Mieten im sozialen Wohnungsbau am Einkommen der Mieter orientiert und womöglich gesenkt werden und dass die städtischen Wohnungsbauunternehmen neu ausgerichtet werden zu Anstalten öffentlichen Rechts: „mieterfreundlich, gemeinwohlorientiert, ohne Gewinnausschüttung“, wie es auf dem Flyer heißt. „Seit 2009 sind die Mieten in ganz Berlin um 46 Prozent gestiegen“, heißt es auf dem Flyer. Billig wohnen könne man nur noch in Marzahn, sagt ein Aktivist.

Die Mitglieder des Bündnisses kommen aus den Kiezen der Innenstadt

Das Bündnis für einen Mietenvolksentscheid besteht der Internetseite zufolge aus Mitgliedern verschiedener Kiezgruppen aus Innenstadtbezirken. Auch auf dem Neuköllner Hermannplatz, vor dem Ringcenter in Friedrichshain und auf dem Leopoldplatz in Wedding sollten am Samstag Unterschriften gesammelt werden; für den Abend war eine Tour durch Kreuzberger Kneipen und Cafés geplant. Am Eingang Herrfurthstraße zum Tempelhofer Feld wollten zwar viele erst mal Genaueres über den geplanten Mietenvolksentscheid hören, bevor sie unterschrieben – die Mietenproblematik selbst kannten indes die meisten aus eigener Erfahrung. Ein junges Paar sagte, man zahle jetzt schon mehr als alle Freunde in Neukölln für die Wohnung. Dann wies der Mann auf den Bauch der jungen Frau und meinte, wenn man ein größere Wohnung suche „mit Baby und so, müssten wir uns woanders umschauen“. Seine Frau sagte, für sie sei es ohnehin „eine gute Sache, das Volk entscheiden zu lassen“.

Eine Frau mit einem Kind auf dem Arm sagt, sie habe aus Neukölln wegziehen müssen und vermisse ihren Kiez. Wie für viele, die am Samstag mit ihrer Unterschrift einen Volksentscheid für mehr sozialen Wohnungsbau forderten, steht die Initiative nicht im Widerspruch zu dem erfolgreichen Volksentscheid für das freie Tempelhofer Feld vom Mai 2014. Das Feld sei „ganz toll für Kinder, ganz toll für mich“, sagte sie. Andere ergänzten, dass man beim Radfahren durch die Stadt mehr als genug Brachen und alte Gebäude sehe, die genutzt werden könnten, um neue Wohnungen zu bauen.

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