Schifffahrt in Berlin: Braunkohle-Ausstieg macht BVG-Fähren Probleme
Im Mai 2017 steigt Berlin aus der Braunkohle aus. Gut fürs Klima – aber schlecht für Schifffahrt und BVG-Fähren.
Berlin/Königs Wusterhausen - Bei Vattenfall planen sie gerade die Party für den Tag, an dem Berlin aus der Braunkohle aussteigt: Am 24. Mai wird die letzte Charge im Heizkraftwerk Klingenberg nahe der Rummelsburger Bucht verbrannt, drei Jahre früher als geplant. Die Umstellung der Anlage auf Erdgas ist ein Riesengewinn für die Klimabilanz des Landes, in der das Kraftwerk bisher allein rund sieben Prozent aller Emissionen – nämlich 1,4 Millionen von 20 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr – ausmacht. Dank Gasbetrieb dürfte die Emission des 1926 in Betrieb gegangenen Kraftwerks um zwei Drittel sinken. Doch das Ende des Kohlezeitalters kann für viele Berliner überraschende Nachteile haben und gefährdet Arbeitsplätze.
Täglich pendeln vier Schubverbände der Deutschen Binnenreederei über Dahme und Spree zwischen Brandenburgs größtem Binnenhafen in Königs Wusterhausen und dem Kraftwerk: Rund 5000 Tonnen Lausitzer Braunkohle gelangen an jedem Wintertag so in die Stadt – je kälter, desto mehr. Deshalb hält das Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) Dahme und Spree in diesem Bereich mit Eisbrechern offen, während die meisten anderen Gewässer einfach zufrieren und von der Schifffahrtsverwaltung des Bundes gesperrt werden. Vom Eisaufbruch profitieren auch die BVG-Fähren F 11 und F 12, die dank der offenen Fahrrinne nur in langen Frostperioden eingestellt werden und bei milderem Wetter bald wieder fahren können, weil die losen Eisschollen rasch wegschwimmen.
Die Steinkohle kommt auf anderen Wegen nach Berlin
Das ist vor allem für die F 12 über die Dahme zwischen Grünau und Wendenschloss wichtig, die mit knapp 1000 Fahrgästen pro Werktag die am zweitmeisten genutzte BVG-Fähre (nach der am Wannsee) ist und viel Berufspendler- und Schülerverkehr abwickelt. Auf der F 11 zwischen Baumschulenstraße und Oberschöneweide sind es nur etwa 250 Passagiere pro Werktag; außerdem soll 2018 in der Nähe die neue Spreebrücke eröffnet werden.
Laut WSA „ist der Kohlependel der Hauptgrund für den Eisaufbruch“. Und die BVG teilt mit, die Wasserstraße werde ohne Eisbrecherbetrieb womöglich eher als jetzt gesperrt. Bisher fahren die Fähren „so lange es geht“; die Entscheidung liege beim Kapitän.
Während die Eisbrecherfahrer des WSA zwischen Potsdam und Eisenhüttenstadt auch künftig genug zu tun haben werden, sind bei den Kohletransportern einige Arbeitsplätze in Gefahr. Die Geschäftsführung der zu einem polnischen Unternehmen gehörenden Binnenreederei mochte sich auf Nachfrage nicht äußern. Nach Tagesspiegel-Informationen fühlt sich das Unternehmen von Vattenfalls Ende September verkündetem Zeitplan überrumpelt und sucht dringend Alternativen. Die sind auch wegen der nur mäßig ausgebauten Wasserstraßen in der Region schwer zu akquirieren, sodass rund 20 Arbeitsplätze auf den Schiffen akut gefährdet sind.
Das künftige Erdgas kommt aus einem Leitungsverbund
Und liefern muss die Reederei fast bis zum letzten Tag: Das Kohlelager am Kraftwerk reicht im Winter gerade für eine Woche. Im Sommer wird zwar weniger verbraucht, aber auch dann werden mehrere hunderttausend Berliner Haushalte von Klingenberg mit Warmwasser versorgt. Das künftig als Energiequelle genutzte Erdgas kommt aus einem Leitungsverbund. Damit hat sich auch die Arbeit von acht Arbeitern im Hafen von Königs Wusterhausen erledigt, die die Kohle dort von Eisenbahnwaggons in die Schubleichter laden.
Die drei weiteren Berliner Kohlekraftwerke von Vattenfall werden mit Steinkohle befeuert, die auf anderen Wegen nach Berlin gelangt, nämlich über Brunsbüttel an der Elbmündung, von wo sowohl die Kraftwerke Moabit, Reuter und Reuter West als auch die Anlage Hamburg-Moorburg beliefert werden. Dabei kommt laut Vattenfall der größte Teil der Steinkohle per Binnenschiff und Bahn aus Polen. Weitere Kohle werde am Weltmarkt gekauft – allerdings ausdrücklich nicht in Kolumbien, dessen Kohleminen als katastrophal für Umwelt und Menschenrechte gelten. 2030 soll mit Reuter West das letzte Berliner Kohlekraftwerk vom Netz gehen. Am vergangenen Donnerstag haben die Regierungsfraktionen den Antrag ins Parlament eingebracht.