Fehlendes Vertrauen als Grund: Brandenburgs Innenminister entlässt Verfassungsschutz-Chef
Paukenschlag in Brandenburg: Gerade fünf Wochen ist Innenminister Stübgen im Amt. Nun versetzt er Verfassungsschutz-Chef Frank Nürnberger in den Ruhestand.
Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) räumt in seinem Ressort auf. Am Donnerstag hat er den Leiter der Verfassungsschutzabteilung im Innenministerium, Frank Nürnberger, in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Stübgen begründete diesen Schritt mit „nicht ausreichend“ vorhandenem Vertrauen. Er habe Nürnberger mit sofortiger Wirkung von der weiteren Dienstausübung entbunden.
In Kürze wird der Innenminister auch das Kabinett der Kenia-Landesregierung bitten, Nürnberger in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Der Minister, der seit mehr als fünf Wochen im Amt ist, hat sich für sein Vorgehen aber die Rückendeckung von Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) geholt.
Der Abteilungsleiter des Verfassungsschutzes ist wie der Polizeipräsident ein sogenannter politischer Beamter und kann jederzeit in den Ruhestand versetzt werden, wenn der Minister nicht den Eindruck hat, dass die grundsätzlichen politischen Ziele und Ansichten von Regierung und Beamten übereinstimmen.
Im politischen Potsdam geht seit einigen Wochen das Gerücht um, Nürnberger könnte entlassen werden. Der 48-Jährige ist erst im Februar 2018 zum Abteilungsleiter der Verfassungsschutzabteilung ernannt worden.
Offenbar kann auch die SPD gut mit seiner Abberufung leben, hinter den Kulissen war schon in der Amtszeit von Ex-Innenminister Karl-Heinz Schröter, der dieses Amt bis 20. November bekleidet hat, von Unstimmigkeiten die Rede. Demnach soll Schröter höchst unzufrieden und unglücklich gewesen sein über seine eigene Entscheidung, Nürnberger zum Verfassungsschutzchef zu machen.
Nach Tagesspiegel-Informationen stand schon Stübgens Amtsvorgänger Schröter kurz davor, Nürnberger zu entlassen, der auch unter seinen eigenen Mitarbeitern als führungsschwach galt. So ist es bislang nicht gelungen, alle neue Stellen in der Behörde neu zu bestezen. Der Landtag hatte im Juni beschlossen, den Verfassungsschutz um 37 Stellen auf 130 Mitarbeiter aufzustocken.
Davor war innerhalb der damals noch rot-roten Koalition hart um ein neues Verfassungsschutzgesetz gerungen worden. Die CDU, damals noch in der Opposition, hatte die Änderungen als zu lax kritisiert. Im neuen Gesetz fehle zum Beispiel die Befugnis für den Nachrichtendienst, auch WhatsApp-Gespräche abzuhören. Das sei nicht mehr zeitgemäß.
Der innenpolitische Sprecher der oppositionellen Linksfraktion, Andreas Büttner, zeigte sich am Donnerstagabend überrascht von dem Schritt. Im Innenausschuss am 8. Januar müsse Stübgen die Hintergründe seiner Personalentscheidung erläutern. So lange könne man über die Beweggründe nur spekulieren.
Schon nach Amtsantritt sei aber deutlich geworden, dass Stübgen das Problem des Rechtsextremismus im öffentlichen Dienst stärker in den Blick nehmen wolle. „Ich bin mir nicht sicher, ob das unter Herrn Nünrberger beim Verfassungsschutz immer der Fall war“, sagte Büttner.
Innenminister Stübgen zeigt klare Kante gegen Rechtsextremismus
Stübgen hatte erst kürzlich eine härtere Gangart gegen Rechtsextremisten angekündigt - auch in den Reihen des öffentlichen Dienstes. Er werden 2020 für das Land ein eigenes Programm zur stärkeren Abwehr rechtsextremistischer Bedrohungen vorlegen, erklärte er. Ein Punkt solle dabei eine bessere Früherkennung rechtsextremer Bestrebungen sein.
Fraglich ist, warum das nicht schon unter SPD-Führung des Ressorts geschehen ist - zumal sich die Sozialdemokraten in besonderer Weise den Kampf gegen Rechtsextremismus auf die Fahnen geschrieben haben. Dem Vernehmen nach sollen entsprechende Vorschläge bei der Hausleitung bislang aber wenig Begeisterung ausgelöst haben.
Stübgen, der evangelische Pfarrer und langjährige Bundestagesabgeordnete, will zum Start der noch jungen Legislatur Ballast abwerfen und Probleme in seinem Haus nicht verschleppen. Die ersten hunderte Tage Schonzeit im Ministeramt waren ihm nicht vergönnt. Er musste den Großeinsatz bei den Klimaprotesten von "Ende Gelände" in der Lausitz meistern.
Innenminister Stübgen musste in kurzer Amtszeit mehrere Herausforderungen meistern
Am Ende wurde der erfolgreiche Einsatz der Brandenburger Polizei überschatten von den rechten Umtrieben von Cottbuser Beamten. Und gerade erst zog sein Ressort eine klare Linie bei einem Beamten, der führendes Mitglied des umstrittenen Vereins Uniter war, der unter Rechtsextremismus-Verdacht steht.
Im Fall von Nürnberger macht Stübgen nun deutlich, dass er in seinem Haus nichts anbrennen lassen will. Nürnberger wuchs in Thüringen auf, studierte Jura in Potsdam, war dann in der Justizverwaltung des Freistaates Sachsen. 2002 wechselte er nach Brandenburg und war dort einige Jahre Dezernatsleiter für Fachplanung in der Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg.
2013 wurde er Leiter der Zentralen Ausländerbehörde (ZABH) in Eisenhüttenstadt, wo die gesamte Erstaufnahme von Asylbewerbern in Brandenburg organisiert wird. In dieser Zeit musste er auch die steigende Zahl an Flüchtlingen und die teils chaotischen Zustände in den Jahren 2015 und 2016 meistern.
Als Schröter Nürnberger als neuen Chef des Brandenburger Verfassungsschutzes installierte, sagte Ex-Innenminister Schröter im Januar 2018, Nürnberger sei „einer unserer besten Leute“. Er habe sich in „allen seinen bisherigen Verwendungen in höchstem Maße bewährt“. Die Leitung der Ausländerbehörde des Landes sei „in den letzten Jahren mit Sicherheit einer der schwersten Jobs, die dieses Land zu vergeben hatte“.
Diese Aufgabe habe Nürnberger hervorragend gemeistert und sich unter besonders schwierigen Bedingungen hoch bewährt. Er könne große Behörden leiten, vereinige Entschlusskraft mit Fingerspitzengefühl, sei ein Mann der Praxis, der Land und Leute kenne, ein Problemlöser und Tatmensch. Der Posten des Verfassungsschutzchefs sei „erneut“ einer der „schwierigsten Jobs, die das Land zu vergeben hat“.
Doch tatsächlich soll Schröter selbst alsbald gemerkt haben, dass er eine Fehlentscheidung getroffen haben könnte. Allerdings haben beide noch unter der rot-roten Koalition dafür gesorgt, dass der Verfassungsschutz deutlich aufgestockt wird – wegen der wachsenden Gefahren durch Islamisten und Rechtsextremisten.
Alexander Fröhlich