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Der Leiter der Fahradstaffel in Berlin, Polizeihauptkomissar Sascha Ziegler (l) und seine Kollegin, die stellvertretende Leiterin der Fahradstaffel, Polizeioberkomissarin Andrea Barthels, unterwegs am Polizeipräsidium.
© dpa

Fahrradstaffel der Berliner Polizei: Bilanz: Weniger Geisterradler, weniger Rotfahrer

Seit 2014 ist die Fahrradstaffel der Polizei unterwegs. Nun gibt es eine Bilanz: Mehr Radfahrer als zuvor halten sich an die Vorschriften. Ein großes Problem aber ist ungelöst.

Radfahrer leben sicherer, wenn sie unter Beobachtung stehen. So lässt sich die Bilanz der Fahrradstaffel zusammenfassen, die Polizeiführung und Wissenschaftler am Montag präsentierten. Seit Juli 2014 sind insgesamt 20 Beamte auf Trekkingrädern im Innenstadtgebiet unterwegs, das etwa den Altbezirk Mitte plus Moabit und Tiergarten umfasst. Ihre 80 000 Euro teure Ausrüstung wurde von der Unfallforschung der Versicherer (UDV) mitfinanziert, die das auf zunächst drei Jahre befristete Projekt jetzt evaluiert hat.

Um seriöse Ergebnisse zu bekommen, haben die Forscher neben dem Revier der Fahrradstaffel als Vergleichsgebiet den Polizeiabschnitt 55 in Neukölln untersucht, wo keine Fahrradpolizisten unterwegs sind. Verglichen wurde jeweils die Zahl der erfassten Ordnungswidrigkeiten und Unfälle von August bis Juni – in den Jahren vor und nach dem Start der Staffel.

Offensichtlich halten sich im Revier der Fahrradpolizisten deutlich mehr Radfahrer an die Regeln – zumal viele in den vergangenen Monaten schon schlechte beziehungsweise teure Erfahrung gesammelt haben dürften: Die Zahl der Anzeigen gegen Radfahrer hat sich in Mitte binnen Jahresfrist fast verdreifacht.

5275 Verfahren wurden gegen Rotfahrer eingeleitet

Dazu trug die Fahrradstaffel zwar maßgeblich bei, aber keineswegs allein: Auch die anderen, „motorisierten“ Dienststellen hielten 50 Prozent mehr Radfahrer an als im Jahr zuvor – ohne dass es eine entsprechende Dienstanweisung oder Kampagne gegeben hätte. In Neukölln stieg die Zahl der Anzeigen gegen Radfahrer im selben Zeitraum um 44 Prozent. „Offensichtlich wirkt die Fahrradstaffel auch auf andere Polizeikräfte“, schließt UDV-Leiter Siegfried Brockmann aus dieser Entwicklung: Die gesamte Polizei hat die Radfahrer jetzt schärfer im Blick als zuvor. Aber das gelte auch für deren potenzielle Unfallgegner – sowohl in Mitte (plus 50 Prozent wegen Fahrradstaffel, außerdem plus 43 Prozent durch andere Dienststellen) als auch in Neukölln (plus 33 Prozent).

In Mitte dominierten die für die Radfahrer teuren Delikte: 5275 Verfahren wurden gegen radelnde Rotfahrer eingeleitet – mehr als doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum, als es noch keine Fahrradstaffel gab. Die Zahl der ertappten Gehwegradler vervierfachte sich auf 1767, bei Handynutzung verdreifachte sie sich auf 714. Technische Mängel wurden zuvor fast nie und nun 370-mal geahndet, andere Verstöße 1663-mal, was wiederum einer Vervierfachung entspricht.

"80 bis 90 Prozent verhalten sich regelkonform"

Dabei ist die Masse der Radfahrer besser als ihr Ruf, wie Staffelchef Sascha Ziegler bestätigt: „80 bis 90 Prozent verhalten sich regelkonform.“ Tatsächlich sank die Quote der von der UDV – von studentischen Hilfskräften, also ohne Polizeipräsenz – beobachteten Rotradler binnen Jahresfrist in Mitte von 15,2 auf 10 Prozent. Aber auch in Neukölln ging sie zurück, nämlich von 12 auf 9,4 Prozent. Beim Fahren in falscher Richtung auf Radwegen und -furten sank die Quote in Mitte stark von 9,3 auf 3,2 Prozent, während sie in Neukölln von 2,6 auf 4,7 Prozent stieg. Letzteres vermag auch Brockmann nicht wirklich zu erklären. Er vermutet eine zufällige Streuung angesichts insgesamt geringer Fallzahlen im Neuköllner Vergleichsgebiet.

Für entscheidend hält Brockmann die Entwicklung des Unfallgeschehens: In zuvor 43 besonders unfallträchtigen Bereichen im Revier der Fahrradstaffel sei die Unfallzahl an 36 Stellen gesunken – alles in allem um 44 Prozent.

Imagegewinn für die Polizei

Der Unfallforscher nimmt die Staffel auch gegen den Vorwurf in Schutz, sie würde sich aufs Abkassieren von Radfahrern beschränken: 5300 Anzeigen gegen Radfahrer stünden 6600 gegen Kraftfahrer gegenüber. Polizeipräsident Klaus Kandt berichtet von einer „Vielzahl von Dankschreiben“ und schwärmt vom Imagegewinn für die Polizei.

Der ADFC, der die Staffel von Beginn an gutgeheißen hat, ist nicht ganz so euphorisch: Die Zahl der geahndeten Abbiegefehler in Mitte stieg nämlich nur von 138 auf 176. Dabei sind abbiegende Autos und Lastwagen seit Jahren die mit Abstand größte Gefahr für Radfahrer. „Die meisten Tragödien mit Toten und Schwerverletzten resultieren aus dieser Unfallart“, sagt ADFC-Vorstand Bernd Zanke. Der Polizeipräsident hatte die spärlichen Erfolge im Kampf gegen das unfallträchtige Massenphänomen damit begründet, dass solche Kontrollen besonders schwierig seien: Die Polizei brauche zwei Beamte, die den Autofahrer beim Abbiegen beobachten und zusätzlich einen, der ihn dann anhält. Videos gelten als nicht gerichtsfest. Für ADFC-Mann Zanke sind das keine Argumente: „An den Hauptunfallursachen muss einfach stärker angesetzt werden – auch wenn es personalintensiv ist“, sagt er.

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