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Freund und Radler. Oberkommissarin Andrea Barthels, 37, vorn, und Hauptkommissar Sascha Ziegler, 45, rollen hier entspannt über den Potsdamer Platz. Aber bis zum nächsten Bei-Rot-Fahrer oder Zweite-Spur-Parker dauert es nicht lange.
© Doris Spiekermann-Klaas

Rad der Stadt: Auf City-Tour mit der neuen Polizei-Fahrradstaffel

20 hochmotivierte Polizisten fahren seit Mitte Juli auf dem Rad durch Berlin, um den Radverkehr sicherer zu machen. Dabei stoßen sie gleichermaßen auf ignorante Autofahrer und Rad-Rowdys.

Der Typ mit dem lässig umgedrehten Basecap und den dicken Kopfhörern schaut weder links noch rechts und dummerweise auch nicht nach hinten, bevor er bei Rot über die Riesenkreuzung am Molkenmarkt schießt. Zum Glück wird sofort danach Grün. Glück für den Rowdy, den die Aktion statt 100 deshalb nur 60 Euro plus Bearbeitungsgebühr kosten wird. Und Glück für Sascha Ziegler und Andrea Barthels, die auf ihren weißen Polizeifahrrädern sofort zum Sprint antreten können. Eben sind sie mit Tempo 20 den Mühlendamm entlanggerollt, jetzt schließt Ziegler mit 35 Kilometer pro Stunde zu dem Rennradler auf.

Unter seinen Kopfhörern bemerkt er den Polizisten erst, als dessen Hand schwer auf seine Schulter sinkt. Eigentlich höre er keine Musik, sagt er nach dem Anhalten. „Ist mehr so’n Wärmeschutz, ja?“, erwidert Ziegler und erklärt kurz den Zweck roter Ampeln sowie den Tarif. „60 Euro, ist das Ihr Ernst?!“, fragt der Typ. „Besser als 100“, sagt Ziegler. „Null wäre noch besser“, erwidert der andere und knurrt: „Ich bin gerade ziemlich sauer.“ Worauf Ziegler sagt: „Wäre ich auch, aber ich fahre ja nicht bei Rot.“ „Da sind Sie wahrscheinlich auch noch stolz drauf“, mault der Typ. „Och, na ja“, sagt Ziegler milde lächelnd, während seine Kollegin die Anzeige schreibt.

Sieben Stunden auf Tour

Die beiden lächeln viel, seit sie ihre Dienststelle in Alt-Moabit verlassen haben. Dort hat die Mitte Juli gestartete Fahrradstaffel der Polizei ihr Quartier: 20 Beamte, die in zwei Schichten etwa zwischen Siegessäule, Torstraße, Strausberger Platz und Checkpoint Charlie patrouillieren. 58 Bewerbungen für die Staffel und vier für den Chefposten habe es gegeben, hat Ziegler – der Chef – erzählt, während er und Barthels die Waffen aus dem Schrank holten und die Funkgeräte mit dem Knopf im Ohr verstöpselten für die siebenstündige Tour.

Euphorie des Neubeginns mit guten Fahrrädern

Die Euphorie des Neubeginns ist ihnen anzumerken, zumal sie dank jeweils 35 000 Euro von der Unfallforschung der Versicherer (UDV) und von der Verkehrsverwaltung des Senats richtig gute Fahrräder und komfortable Funktionskleidung erhalten haben. Ziegler preist den ungewohnt freundlichen Ton selbst jener Leute, denen sie eine Anzeige aufbrummen müssen. Bei Verstößen ab 35 Euro aufwärts müssen sie einschreiten, darunter liegt es in ihrem Ermessen. Aber es macht einen Riesenunterschied, ob man sich von Radler zu Radler am Rande einer chaotischen Kreuzung trifft oder ob irgendwo ein Streifenwagen einsam auf dem Gehweg steht.

Halt am Potsdamer Platz
Halt am Potsdamer Platz
© Doris Spiekermann-Klaas

Fahrradstaffel schließt eine Lücke in Berlins Verkehr

Welche Lücke die Fahrradstaffel schließt, war schon vorhin am Potsdamer Platz zu erleben, als Ziegler und Barthels in die Leipziger Straße einbiegen wollten, nachdem sie einer Touristin den Weg zum Reichstag erklärt und zwei Geisterradler auf den rechten Weg gebracht hatten. Dann mussten sie noch mal zurück, weil direkt hinter ihnen ein BMW beim Rechtsabbiegen ganz selbstverständlich den Radweg blockierte. Die Radler schlängelten sich mühsam um ihn herum, der Fahrer ignorierte sie. Es war genau die Situation, die die meisten und schwersten Fahrradunfälle in Berlin provoziert und die sich bisher oft erst ahnden ließ, wenn es zu spät war.

Ziegler brauste also mit seinem weißen Polizeifahrrad schräg vor den BMW und lotste den Fahrer zum Straßenrand. Der bayrische Rentner am Steuer war erst verblüfft und plusterte sich dann auf: Warum sich die Polizisten nicht lieber um die radfahrenden Terroristen und die rücksichtslosen Fußgänger kümmerten, dass er Herr Doktor Sowieso sei und von welchem Radweg überhaupt die Rede sei. Er sagte dann noch zu Ziegler, dass der sich mit seinem Eifer ja sicher bald einen weiteren Stern verdienen werde, und drohte zum Abschied mit dem Anwalt.

„Das war harmlos“, sagte Ziegler.

Dann sind sie zum Alex geradelt, wo bereits zwei Kollegen gegenüber dem Alexa-Eingang stehen. „Hier ist ein absoluter Unfallschwerpunkt“, sagt Ziegler. Einer der Fahrradpolizisten hat sich gerade den Lieferwagenfahrer auf der Radspur vorgeknöpft. Er hätte ihn sogar zum Nulltarif wegfahren lassen, aber weil der Mann ihn erst ignorierte und dann anpöbelte, bekam er ein Knöllchen und einen Vermerk fürs Führerscheinbüro. Solche Hinweise können – etwa vor Gericht – ein Indiz für den Charakter eines Verkehrsteilnehmers sein. Ziegler muss sich gerade von einem bei Rot gefahren Radler eine Tirade anhören: Ob er ihn jetzt erschießen wolle, weil Polizisten ja dazu neigten, und ob man als Polizist wirklich so wenig verdiene, dass man das hier tun müsse. Ziegler bittet den Mann, ihn nicht weiter zu belästigen, verweist auf die Fußgänger und drückt ihm ein Ticket über 127 Euro in die Hand.

Nachdem sie noch einer Touristin den Weg zum 100er-Bus erklärt und einen verstöpselten Jogger vom Rad- auf den Gehweg geschickt haben, kurven Ziegler und Barthels durch die Spandauer Straße. Hinter der Baustelle parkt ein Touristenbus in zweiter Reihe. „Sie fahren sofort hier weg!“, herrscht Ziegler durchs Seitenfenster den Fahrer an. „Ich habe es langsam satt, dass Sie jeden Tag hier stehen.“ Fünf Sekunden später ist der Bus weg. Wären sie mit dem Auto noch am Einparken, haben sie solche Probleme vom Fahrrad aus schon gelöst. Wohl auch deshalb mag das Polizeipräsidium keine Zwischenbilanz zu Anzeigen verraten: Die Fahrradstaffel soll keine Knöllchenrekorde aufstellen, sondern die Leute auf einer Ebene ansprechen.

Motivierte Polizisten fahren mit dem Rad zur Arbeit

Ziegler schwärmt davon, wie motiviert seine Kollegen seien, die fast alle mit dem Rad zur Arbeit kommen, trotz der 30 bis 40 dienstlichen Wegekilometer. Ziegler sinniert, während er Unter den Linden entlangrollt und im Vorbeifahren die Beschilderung der Baustellen prüft: „Wir haben das Gefühl, dass wir wirklich was bewegen können.“ Zwei seiner Kollegen sind ausgebildete Rettungssanitäter und konnten schon nach mehreren Unfällen Erste Hilfe leisten – über den Knopf im Ohr hören sie den Polizeifunk mit.

Am Pariser Platz stoppen die beiden zu einer Trinkpause, als ein Wachmann ihnen von einem geklauten Handy berichtet. Ob sie auch dafür zuständig seien? Ja, sagt Ziegler, der eine Zeitlang Zivilfahnder war. Sie haben hier auch schon Trickbetrüger geschnappt, erzählt er, während schon wieder ein Tourist mit dem Stadtplan auf das Duo zukommt. „Ist das hier ’ne Werbekampagne?“, fragt ein Passant, als jemand die auffällig gekleideten Polizisten fotografiert. „Nein“, sagt Barthels.

Wenn die Fahrradstaffel so weitermacht, ist sie es vielleicht doch.

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