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Radfahrerin muss in Berlin in der Radspur einem parkenden Lieferwagen ausweichen.
© Kai-Uwe Heinrich

Kampf um "Fahrradstadt": ADFC fordert 30 Millionen jährlich für Berliner Radverkehr

Radfahrer haben’s in Berlin nach wie vor schwer. Jetzt geht der Fahrradclub ADFC in die Offensive. Alle Forderungen im Überblick.

Schöne Worte gab es in den vergangenen Jahren genug vom Berliner Senat. Nun wollen Radfahrer Taten sehen. Diese Forderung erhob der Fahrradclub ADFC am Dienstag. „Was ist in den letzten Jahren geschehen?“, fragte die ADFC-Vorsitzende Eva-Maria Scheel – um die Antwort gleich mitzugeben: fast nichts. „Die Frustration wächst“, sagte Scheel. 2004 verlieh sich Berlin den hübschen Titel „Fahrradstadt“.  Doch nahezu alle Vorhaben, die die Verkehrsverwaltung seitdem ankündigte, scheiterten. An fehlendem Geld, an fehlendem Interesse und an fehlendem Personal. Nun geht der Fahrradclub massiv in die Offensive – denn zuletzt wurde der Vorwurf unter Radlern immer lauter, dass der ADFC „zu brav“ sei und den Senat nicht genug vors Schienbein trete. Die Oppositionsparteien Grüne, Linkspartei und Piraten weiß der Verband auf seiner Seite.

Geld her!

30 Millionen Euro pro Jahr müssen künftig in den Radverkehr investiert werden. Das sind zehn Prozent der 300 Millionen, die die Hauptstadt bislang für den Autoverkehr ausgibt. Angesichts des Fahrradanteils von etwa 15 Prozent am Gesamtverkehr sei die Forderung alles andere als vermessen, sagte ADFC-Vorstand Bernd Zanke, das wären nämlich 45 Millionen.

Der Bund hat in seinem jüngsten Radverkehrsplan die Kommunen sogar aufgefordert, 20 Euro pro Einwohner auszugeben, das wären 70 Millionen Euro. Der ADFC begnügt sich mit 30 Millionen, die so verteilt werden sollen: 10 Millionen für mehr Personal in den Bezirken und Ordnungsämtern, 10 Millionen für neue Radverkehrsanlagen, 6 Millionen für die Sanierung alter Radwege, eine Million für Modellprojekte und eine Million für Brücken, zwei Millionen für Sonstiges.

Bislang gibt Berlin nur den Bruchteil der selbst als Ziel erklärten fünf Euro pro Einwohner aus. Von den vorhandenen sechs Millionen aus dem Fahrradtopf verfielen, wie berichtet, fast 2,4 Millionen, da es kein Personal gibt, um irgendetwas zu planen. Ein Skandal sei dies, heißt es beim ADFC. Und ist deshalb bei der nächsten Forderung: 

Personal her!

Es fehlt Personal in den Bezirken, bei der Polizei, in der Verkehrsverwaltung und den Ordnungsämtern; 200 Stellen fordert der ADFC. Vor allem fehlt der Stadt ein hauptamtlicher Fahrradbeauftragter in der Verkehrsverwaltung. Früher gab es einen ehrenamtlichen, der kaum etwas zu sagen hatte. Dieser Posten wurde gestrichen in der „Fahrradstadt“. Dass sich Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler seitdem als Fahrradbeauftragter ausgibt, ist für den ADFC ein schlechter Witz. In der Verkehrslenkung des Senats müssten zehn Stellen für den Radverkehr geschaffen werden. Wie berichtet, fehlt der Behörde derzeit allerdings sogar das Personal für den Autoverkehr.

In jedem der zwölf Bezirke müsse eine weitere Ingenieurs-Stelle in den Tiefbauämtern geschaffen werden. Die Polizei solle in jeder der sechs Direktionen eine Fahrradstaffel aus jeweils 10 Beamten bilden. Diese 60 Polizisten sollen gegen aggressiv abbiegende Autos wie gegen Rotlichtradler vorgehen, aber auch das illegale Parken auf Radspuren mit dem Abschleppwagen bekämpfen. Derzeit gibt es nur in der für den Bezirk Mitte zuständigen Direktion 3 eine derartige Fahrradstaffel, aus Geldmangel aber nur für drei Jahre zur Probe. Polizeiintern gilt die Staffel als Erfolg, auch der ADFC begrüßt sie. Am Dienstag stoppten die Fahrradpolizisten Rotlichtradler in der Wilhelmstraße. Potsdam hat bereits seit 2012 eine solche Staffel.

120 Stellen sollen in den Ordnungsämtern der Bezirke geschaffen werden, die dann ausschließlich Knöllchen an illegal parkende Autos verteilen würden. Vor allem die auf der Fahrbahn markierten Radspuren sind ständig zugeparkt, kritisieren Radfahrer seit Jahren. Polizei und Ordnungsämter ignorieren das Problem, kritisiert der ADFC. Die Einnahmen aus den Bußgeldbescheiden sollten den Bezirken zugute kommen, so die Forderung. Derzeit versickern alle Einnahmen im Landeshaushalt.

Radspuren her!

In allen Hauptverkehrsstraßen müssten eigene Radspuren auf der Fahrbahn markiert werden. Diese sind für Radler sicherer als Radwege neben dem Gehweg. Hier kollidieren Radler mit Fußgängern und werden von abbiegenden Autos übersehen. In den Straßen, in denen kein Platz für eine Radspur ist, muss den Autos eine Spur weggenommen werden. Scheel nannte etwa den Ost-West-Straßenzug Kaiserdamm / Bismarckstraße. Hier sollte von vier Autospuren eine für Radfahrer markiert werden.

Parkhäuser her!

An größeren Bahnhöfen sollen endlich Fahrradparkhäuser entstehen, fordert der ADFC. Seit Jahren diskutiert Berlin darüber, Brandenburg ist weiter. In Bernau ist bekanntlich eine erste große Anlage fertig, in Potsdam am Hauptbahnhof eine im Bau. Selbst bei der Entschärfung von Unfallschwerpunkten versagt die Verkehrsverwaltung, kritisiert der ADFC. Im Jahr 2013 hatte der Senat in einer Onlineumfrage Radfahrer nach den schlimmsten Punkten in der Stadt gefragt. Von den 30 am meisten genannten wurde bislang kein einziger beseitigt, sagte ADFC-Experte Zanke. Selbst der längst versprochene Umbau des Kreisels am Moritzplatz habe noch nicht begonnen: „Der Umgang mit den Hinweisen der Berliner ist enttäuschend, ärgerlich und frustrierend.“ 

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