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U-Bahn der Einheit. Oder so. Links der Kanzler, rechts der Endbahnhof Rathaus Spandau.
© Thilo Rückeis, André Görke

Mit dem Kanzler nach Berlin-Spandau: West-Berlin und viel Blingbling: Als Helmut Kohl die U-Bahn einweihte

Kann man sich heute kaum vorstellen: Dass ein Kanzler einen U-Bahnhof am Berliner Stadtrand eröffnet. War aber so. Sind Sie damals mitgefahren?

Sogar Helmut Kohl wollte nach Spandau - natürlich mit der U7. Es war 1984, der Kanzler "im grauen Flanellanzug" ("Die Welt") wartete auf dem Bahnsteig am "Richi", wie der Richard-Wagner-Platz liebevoll genannt wird. Von dort sollte die Sonder-U-Bahn zur Party fahren. Berlin war noch eine geteilte Stadt, und deshalb schien alles von Bedeutung, was irgendwie dolle modern war (West-U-Bahn vs. Ost-S-Bahn). Und so kam es, dass der Kanzler allen Ernstes extra aus Bonn angereist war, um die U-Bahnlinie zum Rathaus Spandau zu eröffnen.

Warum wir diese Geschichte erzählen? Weil wir neulich mal wieder auf den U-Bahnhof Spandau hingewiesen worden sind, als wir ein Bild für die Facebook-Seite von Tagesspiegel Spandau gesucht haben. Wir zeigten den schnöden Eingang des U-Bahnhofs, weil den jeder kennt - was prompt liebevoll-kernige Leserbeschwerden nach sich zog: Wie wärs' mit einem "aussagekräftigeren Foto" - beispielsweise "die U-Bahn-Station von innen". Denn: "Manchmal liegt wahre Schönheit, hüstel, eben ein bisschen im Verborgenen."

Große Halle, viel Blingbling - der U-Bahnhof Spandau

Na denn, bitteschön: Wir möchten in dieser Woche ein Foto aus dem Innern des U-Bahnhofs zeigen. Der wurde ja nicht nur von Helmut Kohl persönlich eröffnet, er ist auch sonst einer der markantesten auf dieser eh schon markanten Linie U7. Eine gewaltige Halle, viele Schnörkel, viel güldenes Blingbling. Der Bahnhof Rathaus Spandau ist eine echte Marke (dort haben sich ja auch die Ärzte gegründet), der Bahnhof könnte sogar noch viel wichtiger sein, wenn denn die zwei Außengleise genutzt würden. Und dass oben mehr BVG-Busse halten als am Bahnhof Zoo, haben sie vor einigen Tagen erst in der BVG-Zentrale ausgerechnet.

An jenem Tag fuhr die S-Bahn wieder nach Frohnau

Wir möchten in Zukunft öfter ins Tagesspiegel-Archiv gucken und alte Zeitungsartikel herausfischen. Wie jenen zur Eröffnung des U-Bahnhofs in Spandau durch Helmut Kohl. Vielleicht haben auch Sie Spaß daran.

Autor war damals, wir hätten's ahnen müssen, Tagesspiegel-Verkehrsexperte Klaus Kurpjuweit, der jüngst sein 35. Jähriges Dienstjubiläum gefeiert hat. Auszüge aus seinem Tagesspiegel-Text zeigen wir hier im Anschluss. Kurpjuweit verglich darin die neue U-Bahn nach Spandau mit der Wiederinbetriebnahme der S-Bahn nach Frohnau (ebenfalls durch die BVG; mehr zur Geschichte finden Sie unter diesem externen Link zu stadtschnellbahn-berlin.de):

Man beachte all die goldenen Schnörkel auch an den Stützen ....
Man beachte all die goldenen Schnörkel auch an den Stützen ....
© André Görke
Noch so ein doller Bahnhof an der U7. Paulsternstraße.
Noch so ein doller Bahnhof an der U7. Paulsternstraße.
© Thilo Rückeis
Auch am Rohrdamm haben sich die Künstler in den 80ern ausgetobt.
Auch am Rohrdamm haben sich die Künstler in den 80ern ausgetobt.
© Thilo Rückeis

"Viel Gemeinsames wird es bei der doppelgleisigen Fahrt der BVG am Montag nicht geben. Während die Verlängerung der U-Bahnlinie 7 nach Spandau mit großem Pomp gefeiert wird, fährt die S-Bahn fast heimlich früh morgens zum ersten Mal seit der Stillegung der Strecke im Januar dieses Jahres wieder über Gesundbrunnen hinaus nach Frohnau.

Auch Bundeskanzler Helmut Kohl will die S-Bahn, die ja noch auf Millionen für die Reaktivierung aus Bonn hofft, links liegen lassen, nur in einem modernen U-Bahnzug nach Spandau fahren und die zum Teil aufwendig ausgestatteten Bahnhöfe besichtigen. Die Stationen an der S-Bahn-Strecke nach Frohnau sind allerdings auch noch jahrelang kein Anblick für die Augen eines hohen Gastes, dem man lieber die Schokoladenseiten zeigt.

Auf jedem U-Bahnhof in Spandau wurde gefeiert

Für die Renovierung der Gebäude fehlt der BVG neben der Zeit auch das Geld, obwohl zumindest ein Teil der Kosten aus dem ehemaligen Reichsbahnvermögen bezahlt werden soll. So werden die meisten Bahnhöfe noch eine ganze Weile mehr einer Baustelle als einem Empfangsgebäude ähneln. Die BVG musste ohnehin mit Hochdruck arbeiten, um wenigstens die technischen Anlagen in Ordnung zu bringen. Und sie ist zuversichtlich, dies auch bis Montag zu schaffen, wenn der erste Zug um 4.21 vom Anhalter Bahnhof Richtung Frohnau fährt und zur selben Zeit der erste Zug im Bahnhof Frohnau seine Fahrt beginnt. "Fahrzeuge, Schienen, Stromversorgung und Signale funktionieren", sagte BVG-Sprecher Günter Hecht. Und trotz großer Schwierigkeiten gibt es auch genügend Zugfahrer. Sie konnten ihre neue Strecke bisher jedoch noch nicht kennenlernen. Gestern ging der erste Probezug auf die Strecke.

Im U-Bahnschacht nach Spandau fahren dagegen seit 14 Tagen fast pausenlos Züge, um die Fahrer auf die verlängerte Linie "einzustimmen". Sie müssen bis zur Betriebsaufnahme jedes Detail kennen. Dafür können sie am Montag auch länger schlafen als ihre Kollegen von der S-Bahn. Während diese bereits am Morgen ihren Fahrdienst beginnen, geht es nach Spandau erst gegen Mittag los, wenn zwei Sonderzüge die geladenen Gäste zum Rathaus Spandau bringen. Gegen 12 Uhr fängt dann der normale Betrieb an.

Die Fahrgäste werden in Spandau auf jedem Bahnhof mit großem Aufwand begrüßt, fast überall wird auf Initiative des Bezirksamts gefeiert. In Frohnau gibt es ein vergleichsweise kleines Fest gegen 15 Uhr mit Freibier und Erbsensuppe, obwohl sich das Bezirksamt, wie Bürgermeister Orwat sagte, über die Wiederinbetriebnahme freut".

Waren Sie damals dabei und saßen mit im Zug? Wir freuen uns über Ihre Erinnerungen. Nutzen Sie dafür die Kommentarfunktion unter diesem Text. Wir sind gespannt!

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