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Offen für alle, auch sonntags: Der Ullrich-Verbrauchermarkt am Zoo.
© Kai-Uwe Heinrich

Streit um Ladenöffnung in Berlin: Ullrich-Markt am Bahnhof Zoo hat eigentlich immer auf

Der Ullrich-Markt am Zoo hat 365 Tage im Jahr geöffnet – andernorts müssen Supermärkte sonntags wieder schließen. Ein Ortsbesuch.

Sonntag, 18 Uhr: In den Gängen ist kaum noch ein Durchkommen, ein Sprachwirrwarr begleitet die Kunden durchs Geschäft. Junge Männer mit britischem Akzent beraten sich vor einer Spirituosenvitrine. Japanerinnen blicken glücklich auf das Riesensortiment an deutscher Schokolade. 14 Kassen sind besetzt, an jeder stehen mindestens 15 Leute an. „Ach, das ist gar nichts. Heute ist es nicht so wild“, sagt eine Angestellte, die Süßigkeiten nachfüllt. „Es kam sogar schon vor, dass sich die Kassenschlangen in der Mitte des Ladens getroffen haben.“ Schlimm sei es nur, wenn die Pfandautomaten kaputt sind, dann wolle man hier nicht sein, der schlechten Laune der Kunden wegen.

Der Ullrich-Verbrauchermarkt am Bahnhof Zoo ist eine Institution, bekannt schon allein für ein riesiges Warensortiment. Vom Einwegbesteck aus Plastik, Teflonpfannen, Zahnseide über Graved Lachs aus Norwegen bis hin zu seltenen Whisky-Sorten gibt es fast nichts, was man auf mehreren tausend Quadratmeter nicht bekommen könnte. Gegründet 1969 von Hans-Rudolf Ullrich, behauptete sich die Kette selbst gegen die großen Discount-Supermärkte. Die Filiale am Zoo hat seit Langem schon als einer der wenigen Supermärkte in Berlin auch sonntags geöffnet. Eine Besonderheit, umso mehr, nachdem Ende August der Lidl am Innsbrucker Platz nach einer Gerichtsentscheidung sonntags geschlossen bleiben muss.

Ein riesiges Sortiment...
Ein riesiges Sortiment...
© Kai-Uwe Heinrich
...auf tausenden Quadratmetern Verkaufsfläche.
...auf tausenden Quadratmetern Verkaufsfläche.
© Kai-Uwe Heinrich

Vom Obdachlosen bis zum Manager

Was nur wenige mitbekommen haben: Ullrich hat vor Kurzem den Eigentümer gewechselt. 2004 ist ihr Gründer im Alter von 81 Jahren gestorben. Der Sohn, Hans-Joachim Ullrich, übernahm. Seit Anfang Juli gehören die drei Märkte nun zur Dohle-Handelsgruppe, die über ihre Tochtergesellschaft „Hit Handelsgruppe“ zahlreiche Supermärkte betreibt, vor allem im Rheinland. Das Bundeskartellamt hat die Übernahme bereits freigegeben. „Aus wirtschaftlichen Gründen kann es nicht zur Übernahme gekommen sein. Die Läden laufen hervorragend“, sagt ein Kenner des Einzelhandels in der City West. Der Name Ullrich bleibe erhalten, sagt eine Sprecherin des neuen Eigentümers.

Die Filiale am Zoologischen Garten war einst die erste, es folgten ein Markt und eine Getränkehandlung an der Wilmersdorfer Straße in Charlottenburg und ein Ableger an der Wilhelmstraße in Mitte, in dem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gerne mal einkauft.

Schon lange vor den neuen, liberalisierten Ladenöffnungszeiten hatte der Markt im Zentrum des Berliner Westens bis 22 Uhr geöffnet, eine besondere Stellung. Im alten West-Berlin erfüllte Ullrich ausgefallene Wünsche noch bis zur späten Stunde. Das tut der Markt auch heute noch, an 365 Tagen im Jahr. Und zieht damit eine bunte Kundenmischung an: „Vom Obdachlosen bis zum Manager ist hier alles dabei. Hier erlebt man schon was“, sagt ein Mitarbeiter. Supermärkte gebe es viele, aber keinen wie diesen hier, findet er. Seit mehr als fünf Jahren arbeitet er hier, auch mal an Feiertagen, Weihnachten und Neujahr. Und: „Ich würde nirgendwo anders arbeiten wollen. Das wäre mir viel zu langweilig.“

Cognac für 2200 Euro, Bier für 50 Cent

Der Kontrast zwischen drinnen und draußen könnte kaum größer sein: Auf der Rückseite des Markts an der Kantstraße, neben der schmucklosen Eventpassage, sitzen Obdachlose vor dem Geschäft. In den Ecken riecht es nach Urin. Beim Imbiss nebenan versorgen sich Bauarbeiter unter lautem Straßenlärm mit Bier und Pommes. Drinnen streifen neben vielen Berlinern auch Trauben von Berlin-Besuchern durch den Laden. Manche staunen, als stünden sie inmitten einer Touristenattraktion. Das muss nicht verwundern: Ullrich steht selbst in Führern für Hauptstadt-Neulinge. Manche Bereiche wirken wie eine Welt für sich. Alleine das Weinsortiment umfasst mehr als 120 Meter Regalfläche.

Die exquisiten Besonderheiten finden sich in verschlossenen Vitrinen. Teurer Champagner steht in der einen, Dom Pérignon für 350 Euro je Flasche. In einer anderen finden sich edle Cognac-Sorten wieder. „Hennessy Paradis“ für 699 Euro, „Remy Martin Louis XIII“ für knapp 2200 Euro pro Flasche. „Die Schränke machen wir aber schon täglich auf. Da kommt abends auch mal einer im Nadelstreifenanzug rein und nimmt sieben Flaschen Champagner mit“, sagt ein Mitarbeiter lachend.

Der absolute Verkaufsschlager sei trotzdem ein anderer: Das Pilsator-Bier, die Flasche für 50 Cent. „Zwei Paletten pro Wochenende. Unser bester Artikel“, berichtet er.

„Wo stehen denn die Brandenburger-Tor-Nudeln?“, fragt da eine Frau mittleren Alters. „Die ham wa gar nicht mehr“, entgegnet eine Mitarbeiterin. Auch das gibt es hier, aber selten: Etwas, das es nicht gibt.

Soziale Kontraste: Vor der Tür in der Kantstraße sitzen oft Obdachlose...
Soziale Kontraste: Vor der Tür in der Kantstraße sitzen oft Obdachlose...
© Cay Dobberke
...während in verschlossenen Vitrinen teure Alkoholika für die betuchte Kundschaft stehen.
...während in verschlossenen Vitrinen teure Alkoholika für die betuchte Kundschaft stehen.
© Cay Dobberke

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