Bauarbeiten ohne Ende: Out of Pankow
Immer neue Baustellen lassen Pankows Bürger verzweifeln. Gerade werden die Gleise der Straßenbahn ausgetauscht. Und es wird wohl immer so weitergehen.
Viele Pankower haben derzeit ein Déja-Vu-Gefühl. Auf der Grabbeallee werden die Straßenbahngleise-Gleise ausgetauscht, die Breite Straße und die Hermann-Hesse-Straße sind ebenfalls betroffen. Seit gut zwei Wochen geht morgens und abends daher mal wieder so gut wie nichts auf dem Weg in die Stadt oder nach Hause. Dabei sah es nach dem Ende der Bauarbeiten an der Panke-Brücke doch so aus, als ob der Verkehr von und nach Niederschönhausen endlich reibungslos rollen würde. Und dann das. Diesmal staut sich der Verkehr morgens sogar bis in die Wohnviertel zurück, über die der Verkehr umgeleitet wird. Der Busersatzverkehr der Tram ist keine Alternative, denn der steckt natürlich ebenfalls im Berufsverkehr fest.
Der ganz normale Pankower Baustellenwahnsinn
Aber waren die Straßenbahngleise auf der Grabbeallee nicht erst vor zwei, drei Jahren ausgegraben worden? Ein Anruf bei der BVG bringt Klarheit. Tatsächlich, 2012 bot sich auf der Grabbeallee ein ähnliches Bild. “Damals wurden die Gleise aber nur repariert, jetzt werden sie komplett ausgetauscht”, erklärt BVG-Sprecherin Petra Reetz dem Pankow-Blog des Tagesspiegels. Das hört sich nach Berliner Baustellenwahnsinn in Reinkultur an. Oder auch nach Pankower Baustellenwahnsinn, denn hier wird eigentlich immer irgendwo gebaut: Berliner Straße, Blankenburger Straße, Pasewalker Straße, Friedrich-Engels-Straße, Mühlenstraße, Dietzgenstraße und immer wieder die Grabbeallee.
Mit dem Auto aus Pankow rauszukommen ist eine harte Geduldsprobe - und wie es aussieht, wird das bis in alle Ewigkeit so bleiben. Baustadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) sagt jedenfalls: "Es wird nicht besser." Er spricht von einem riesigen Nachholbedarf vor allem beim Straßenbau, "weil zu lange nichts gemacht wurde". Gleich fünf Straßen zählt er auf, die auf seiner Sanierungsliste ganz oben stehen. Hinzu kommen marode Brücken, etwa die S-Bahn-Brücke auf der Wollankstraße, die ebenfalls dringend erneuert werden müssen. Und dann sind da ja auch noch die Wasserbetriebe, derzeit auf der Dietzgenstraße, aktiv, und die Telekom, die auch immer mal wieder buddeln.
In der Endlosschleife
Wenn die BVG alle drei Jahre Straßen aufreißt, um Gleise zu reparieren oder auszutauschen, wird Pankow allerdings ohnehin nie aus der Baustellen-Endlosschleife herauskommen. BVG-Sprecherin Reetz sagt dazu, stark beanspruchte Gleise müssten nun einmal regelmäßig repariert werden. Daran führe kein Weg vorbei. Alteingesessene Pankower erinnern sich allerdings nicht daran, dass vor der Wende in ähnlich kurzen Zyklen an den Gleisen gearbeitet wurde. "Da fuhren die Bahnen vielleicht 20 Jahre über die Gleise, ohne dass repariert wurde, und die Gleise waren damals doch genauso beansprucht", sagt eine Geschäftsfrau aus der Dietzgenstraße.
Der Austausch nun steht nach Auskunft der BVG auch im Zusammenhang mit den neuen Zugmodellen der Tram, die nach und nach auf den Berliner Strecken eingeführt würden, so Reetz. Der sogenannte Flexity-Zug, der besonders leise ist und fast ebenerdig bestiegen werden kann, ist breiter als seine Vorgänger, weshalb für den Betrieb die Gleispaare auf den Straßen weiter auseinander gelegt werden müssen. Und warum wurden nicht schon vor drei Jahren neue Gleise verlegt, als auf der Grabbeallee zuletzt repariert wurden? Weil ein Austausch erst dann infrage komme, wenn die Verschleißgrenze erreicht sei, heißt es von der BVG. "Andernfalls würden bei der kompletten Erneuerung ganzer Strecken auch Streckenabschnitte saniert, die noch Jahre halten." Die Auswirkungen auf den Verkehr wären dann noch größer. Das sieht Baustadtrat Kirchner (Grüne) ähnlich. Vor drei Jahren habe es an vielen Stellen in Pankow Straßenbauarbeiten gegeben, sagte er dem Pankow-Blog: auf der Friedrich-Engels-Straße, der Blankenburger Straße, der Wollankstraße und auch an der Panke-Brücke am unteren Ende der Grabbeallee. "Das war eine sehr ungünstige Gemengelage."
Teure Gemengelage
Die finanziellen Folgen dieser Gemengelage sind allerdings erheblich. Zwei Millionen Euro kosteten die Reparaturarbeiten an den Gleisen auf der Grabbeallee vor drei Jahren, die aktuellen Arbeiten noch einmal rund 1,7 Millionen Euro. Der volkswirtschaftliche Schaden, der durch den Stillstand entsteht, ist natürlich nicht berücksichtigt. Einen Trost immerhin gibt es: Die BVG arbeitet relativ schnell. Entsprechend sind auf den Baustellen auch viele Arbeiter zu sehen. Mitte September soll der Spuk deshalb vorbei sein. Aber nur dieser.
Ulrike Scheffer