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Streit um gute Tropfen aus Israel. Berlins bekanntestes Kaufhaus geriet in den Strudel der Nahost-Politik.
© picture alliance / dpa
Update

Streit um Waren aus Israels Siedlungen: KaDeWe macht Rückzieher: Weine sofort wieder im Regal

Ab Montag verkauft das KaDeWe wieder Weine aus den von Israel besetzten Gebieten. Die Produkte waren vorübergehend aus dem Sortiment genommen worden. Israels Ministerpräsident Netanjahu hatte das kritisiert.

Der Streit um die richtige Nahost-Politik hat am Wochenende auch die Feinkostabteilung des KaDeWe erreicht. Heftig gerungen wurde um acht Weinsorten aus dem Westjordanland, Ost-Jerusalem sowie von den Golanhöhen, also aus Reblagen, die in israelisch besetzten Gebieten liegen. Denn nach einer neuen EU-Verordnung dürfen Produkte aus diesen Landstrichen nicht mehr mit dem Siegel "Made in Israel" gekennzeichnet sein.

Das KaDeWe hatte Ende vergangener Woche als eines der ersten bundesdeutschen Handelshäuser die betroffenen Flaschen vorerst aus dem Regal genommen. Zugleich betonte eine Sprecherin des Kaufhauses aber nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa, man wolle die Waren umgehend wieder ins Sortiment nehmen, wenn sie korrekt gekennzeichnet seien.

Dennoch kritisierte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Schritt sofort scharf. Nach dieser Attacke machte das Kaufhaus am Sonntagnachmittag einen Rückzieher. Ab Montag würden die umstrittenen Weine wieder ins Sortiment genommen, teilte die Geschäftsführung mit und entschuldigte sich zugleich. Es sei "hausintern zu rasch und unsensibel" gehandelt worden.

Anlass der Auseinandersetzung ist wie berichtet eine neue EU-Verordnung vom 11. November mit dem komplizierten Titel: "Auslegungsvorschrift für die Herkunftsangabe von Gütern aus den durch Israel seit Juni 1967 besetzten Gebieten". Danach muss ab sofort die Herkunft von landwirtschaftlichen und kosmetischen Erzeugnissen aus den von Israel okkupierten Gegenden genau angegeben werden. "Made in Israel" wird nicht mehr allein akzeptiert. Der Begriff "israelische Siedlung" muss hinzugefügt werden.

Israels Ministerpräsident rügte "Boykott" der Weine

Hintergrund ist der langjährige Streit um die besetzten Gebiete, beispielsweise um das Westjordanland. Denn nach dem Völkerrecht sind die israelischen Siedlungen dort illegal.

Wehrt sich gegen die aktuellste EU-Verordnung und deren Umsetzung in Deutschland: Israels Premier Benjamin Netanjahu.
Wehrt sich gegen die aktuellste EU-Verordnung und deren Umsetzung in Deutschland: Israels Premier Benjamin Netanjahu.
© imago/Christian Thiel

Auch die meisten europäischen Verbündeten Israels betrachten dies als ein Haupthindernis für den ersehnten Frieden mit den Palästinensern. Aus Sicht der EU gibt die neue Verordnung künftig Verbrauchern die Chance, bewusst israelische Siedlerprodukte aus besetzten Gebieten zu kaufen - oder eben nicht.

Doch kaum trat die Kennzeichnungspflicht in Kraft, drohte Israel der EU mit einer diplomatischen Eiszeit. Und Benjamin Netanjahu nahm sich das KaDeWe vor. Er sprach von einem "Boykott" von Siedlerprodukten und zog eine Parallele zur braunen Vergangenheit Deutschlands. Der Schritt des KaDeWe sei "moralisch, sachlich und historisch unangemessenen". Netanjahu: "Dieses Kaufhaus war in jüdischem Besitz. Die Nazis haben es enteignet." Es sei absurd, dass es jetzt Produkte aus den Siedlungen in Judäa und Samaria - wie Netanjahu das Westjordanland bezeichnet - und von den Golanhöhen kennzeichnen wolle. Man erwarte von der deutschen Regierung, „in dieser schwerwiegenden Sache aktiv zu werden“.

Kaufhaus entschuldigt sich für "falsches Verhalten"

Die Kaufhaus-Leitung reagierte sofort mit einer am Sonntagnachmittag verbreiteten Erklärung. "Wir bedauern, dass es durch dieses falsche Verhalten seitens der KaDeWe-Group zu Missverständnissen gekommen ist und bitten, dies zu entschuldigen“, heißt es. Das KaDeWe sei "stolz auf sein internationales Sortiment", es stehe für "Weltoffenheit" und lehne "jede Form von Diskriminierung und Intoleranz" ab. "Es ist selbstverständlich, dass wir auch über 200 israelische Produkte anbieten".

Inwieweit die neue Verordnung für Händler verbindlich ist und das KaDeWe nun Sanktionen vonseiten der EU riskiert, war am Sonntag nicht in Erfahrung zu bringen. Das Kaufhaus sprach am Sonntag nur noch von einer "Empfehlung" der EU. Aus Sicht von Nils Busch-Petersen, dem Chef des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg, ist die Verordnung „eine Zumutung für Händler“. Diese würden unnötig in einen komplizierten politischen Streit hineingezogen. Busch-Petersen: „Ich hätte von der Europäischen Union in dieser Sache mehr Sensibilität erwartet. Natürlich drängen sich nun ungute Parallelen zur NS-Vergangenheit auf.“ Im übrigen lege die EU zweierlei Maß an. "In anderen Weltregionen mit ähnlichen Grenzkonflikten verlangt sie keine derart differenzierten Kennzeichnungen." .

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