Kennzeichnungspflicht als Boykott: Europas falsches Spiel mit Israel
Die EU will Verbraucher vor Waren schützen, die in den israelischen Siedlungen produziert wurden. Aber wer schützt Europas Verbraucher eigentlich vor den Brüsseler Verbraucherschützern? Eine Polemik.
Egal, ob es um die Länge von Kondomen, die Krümmung von Bananen oder „Vibrationsminderungsprogramme" bei Presslufthämmern geht – wenn es ums Wohl und Wehe der europäischen Verbraucher geht, kann man auf die EU-Kommission zählen. Zu Recht, muss man sagen, denn mit Einführung des europäischen Binnenmarktes fielen nicht nur für den Güterverkehr die Grenzen, auch Nepper, Schlepper und Bauernfänger agieren seither grenzenlos. Es ist daher gut, dass es Politiker wie Cecilia Malmström gibt. Die Schwedin ist seit November 2014 Handelskommissarin der EU und in ihr Ressort fällt auch der Verbraucherschutz. Und den nimmt sie nicht nur ein bisschen, sondern sehr, sehr ernst.
Nachdem Malmström bereits in den ersten elf Monaten ihrer Amtszeit sämtlichen Finanzhaien und sonstigen Abzockern auf dem Kontinent erfolgreich das Handwerk gelegt hat, machte sie sich in den vergangenen Wochen auf die Suche nach den noch verbliebenen Gefahrenquellen für europäische Verbraucher. Fündig wurde sie in Israel. Künftig sollen alle Produkte, die aus den israelischen Siedlungen im Westjordanland stammen, mit einem Aufkleber kenntlich gemacht werden.
Nun sind zumindest in Deutschland die Warnungen vor Geschäftsbeziehungen mit jüdischen Kaufleuten historisch vorbelastet – was auch Frau Malmström nicht entgangen sein dürfte und weshalb es aus ihrem Haus auch heißt: Mit einem schleichenden Boykott des Judenstaates habe der Schritt nichts zu tun. Vielmehr würden mit den neuen Richtlinien zur Kennzeichnung lediglich seit Jahren bestehende EU-Regeln zum Verbraucherschutz umgesetzt.
Warum die EU diese bestehenden Regeln einzig und allein auf Israel anwendet, bleibt das Geheimnis der Kommissarin. Denn es hätte weltweit noch andere Nationen gegeben, vor denen sie Europas Verbraucher hätte schützen können.
China etwa hält seit mehr als 60 Jahren Tibet besetzt. Fragt man allerdings bei Malmström nach etwaigen Verbraucherschutz-Initiativen im Fernen Osten nach, heißt es dort: „Wir haben nichts geplant.“
Marokko andererseits beansprucht seit den 70er Jahren die Westsahara für sich. Doch fragt man nach etwaigen Verbraucherschutz-Initiativen bei Malmström nach, heißt es auch hier: „Wir haben nichts geplant.“
Doch warum in die Ferne schweifen? Malmström hätte nur einmal vor die eigene Haustür treten müssen. Dass die Türkei seit den 70er Jahren ihre Armee auf dem nördlichen Teil der Mittelmeerinsel Zypern stationiert hat, brachte die europäische Kommission bislang noch nicht in die Verlegenheit, über Verbraucherschutzhinweise auf nordzyprischen Mokkabohnen nachzudenken.
Kurzum: Malmströms Kennzeichnungspflichten haben mit Verbraucherschutz so viel zu tun wie eine Runde Hütchenspiel mit einer klugen Anlageentscheidung. Brüssel prügelt unter dem Deckmantel des Verbraucherschutzes eine politische Agenda durch, die bestenfalls fragwürdig, tatsächlich aber heuchlerisch ist.
Dass Malmström den Schritt zudem in der selben Woche ankündigt, in der Europa den Judenpogromen vor 77 Jahren gedenkt, zeugt vom Fingerspitzengefühl einer Brechstange. Die Frage sei daher erlaubt: Wer schützt Europas Verbraucher eigentlich vor den Brüsseler Verbraucherschützern?