Bundespräsident bei Flüchtlingen: Joachim Gauck in Wilmersdorf: „Es gibt ein helles Deutschland“
Viel Lob verteilte Bundespräsident Gauck, als er Flüchtlinge und Helfer im ehemaligen Rathaus Wilmersdorf traf. Rechtsextremisten nannte er „Hetzer“.
Der Bundespräsident kommt – und was ist davon zu halten? Hassan, 42 Jahre alt und seit zwei Wochen in Berlin, ist glücklich darüber, dass Joachim Gauck die Unterkunft im ehemaligen Rathaus Wilmersdorf besucht. „Es zeigt, dass sich die Menschen um uns kümmern und wir gehört werden“, sagt der Syrer.
Philipp Bertram von der Initiative „Wilmersdorf hilft“, von der sich täglich zwischen 150 und 200 Helfer für die Flüchtlinge engagieren, stimmt dagegen kritische Töne an: Der Besuch des Staatsoberhaupts und die Vorbereitungen hätten „den Betrieb eineinhalb Tage lang aufgehalten“, die ehrenamtlichen Helfer hätten diese Zeit lieber den Flüchtlingen gewidmet. „Es ist eine schöne Anerkennung, dass der Bundespräsident vorbeikommt. Der Besuch wäre aber verzichtbar gewesen – außer, wenn Gauck als Erkenntnis mitnimmt, dass die Politik aufhören muss, nur zu reagieren.“ Flüchtlingsunterkünfte müssten langfristig geplant werden.
Im ehemaligen Rathaus Wilmersdorf leben inzwischen mehr als 560 Menschen, betreut von rund 15 freiwilligen Helfern des Arbeiter-Samariter-Bunds (ASB) und den Bürgen. Zu Beginn mussten die Flüchtlinge allerdings sechs Tage ohne Duschen auskommen. Anwohner wurden erst am Eröffnungstag vor knapp zwei Wochen vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) informiert. Trotzdem sei die Atmosphäre in der Notunterkunft und ihrer Umgebung sehr friedlich, sagt Bertram. Die Bürger engagierten sich stark, es gebe auch keine Angst vor Übergriffen.
Joachim Gauck betont das Positive
Diese Tatsachen will dann auch der Bundespräsident hervorheben. Einen Tag nach dem Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Nauen in der Nähe Berlins lobt er das Engagement der vielen Helfer; diese würden den Flüchtlingen ihr Selbstwertgefühl zurückgeben. „Es gibt ein helles Deutschland, das sich leuchtend darstellt gegenüber dem Dunkeldeutschland, das wir empfinden, wenn wir von Attacken auf Asylbewerberunterkünfte oder gar fremdenfeindlichen Aktionen gegen Menschen hören“, sagt Gauck. Er fordert aber auch ein stärkeres Zusammenwirken von Bund, Ländern und Kommunen, da viele Behörden überfordert seien. Rechtsextremisten und Ausländerfeinde nennt er „Hetzer“.
In Wilmersdorf jedenfalls fühlt sich Hassan sicher. Schlechtes über die Unterkunft kann er nicht sagen, im Gegenteil: In ein paar Wochen möchte der Syrer seine Frau und seine vier Kinder aus ihrem Zwischenquartier in Ägypten nach Berlin holen.
Cay Dobberke