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Aufgebrochen und angezündet: Die abgebrannte Halle in Nauen, rechts davor die Ermittler der Polizei.
© dpa
Update

Abgebrannte Flüchtlingsunterkunft in Nauen: Innenministerium bestätigt: Es war Brandstiftung

Die polizeiliche Untersuchung der abgebrannten Flüchtlingsunterkunft in Nauen ist abgeschlossen. Es wurden Brandbeschleuniger und Einbruchsspuren entdeckt.

Nach dem Brand in einer geplanten Flüchtlingsunterkunft in Nauen (Havelland) hat die Polizei am Mittwoch Brandbeschleuniger und Einbruchsspuren gefunden. Das bestätigte das Brandenburger Innenministerium am Mittwochnachmittag.

Seit 8.30 Uhr waren Mitarbeiter des Landeskriminalamtes und Spürhunde, die kleinste Reste von Brandbeschleunigern erschnuppern können, in der ausgebrannten Turnhalle an der Arbeit. Am Tag zuvor war ein Einsatz der Hunde noch nicht möglich, da der Brandgeruch erst verwehen musste. Bereits am Vormittag hieß es, es seien am Tatort Dinge gefunden worden, „die da nicht hingehören“ – es deutete also weiterhin alles auf einen mutwillig gelegten Brand hin. Zudem seien auch Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen, denen jetzt nachgegangen wird.

Nach dem Brand hatte die Brandenburger Polizei eine Sonderkommission gebildet. Darin arbeiteten 40 Beamte, sagte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD). Es werde alles getan, um die Täter zu fassen. Er gehe davon aus, dass sie schnell einer harten Strafe zugeführt werden können.

Die Ermittler hatten bereits am Dienstag weitgehend ausgeschlossen, dass das Feuer in der Sporthalle eines Oberstufenzentrums durch einen technischen Defekt ausgebrochen war.

Woidke geht von Brandanschlag aus

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte ebenfalls schon am Dienstagnachmittag einen rechtsextremistischen Anschlag angenommen. "Wir sind noch nicht hundertprozentig sicher, aber ich glaube, dass alles andere als sehr, sehr großer Zufall bezeichnet werden könnte", sagte er. Man müsse davon ausgehen, "dass es sich auch hier in Brandenburg um einen Brandanschlag handelt, der sich gegen ausländische Mitbürger beziehungsweise gegen Unterbringungsmöglichkeiten für Asylbewerber richtet".

Spürhunde im Einsatz. Experten der Berliner Polizei sind am Mittwoch in Nauen (Brandenburg) vor der abgebrannten Turnhalle im Einsatz.
Spürhunde im Einsatz. Experten der Berliner Polizei sind am Mittwoch in Nauen (Brandenburg) vor der abgebrannten Turnhalle im Einsatz.
© Nestor Bachmann/dpa

Die Feuerwehr sei um 2.22 Uhr zu der Sporthalle eines Oberstufenzentrums gerufen worden, sagte Innenminister Karl-Heinz-Schröter (SPD) am Dienstagvormittag vor dem ausgebrannten Gebäude. Bei ihrem Eintreffen zwölf Minuten später habe die Halle bereits "lichterloh" in Flammen gestanden. Die Einsatzkräfte hatten sich deshalb dazu entschlossen, das Gebäude kontrolliert abbrennen zu lassen. Verletzte gab es offenbar nicht.

Halle war vergleichsweise neu

Die Sporthalle gehört zum Oberstufenzentrum mit beruflichem Gymnasium des Landkreises Havelland. Der Landkreis hatte im Juli angekündigt, dass die Halle der vorübergehenden Unterbringung von Flüchtlingen dienen soll. Von September bis Jahresende sollten etwa 100 Asylbewerber einziehen. Mit Inbetriebnahme neu errichteter Container-Unterkünfte in Schönwalde und Dallgow-Döberitz sollte die Halle dann wieder ihrem eigentlich Zweck dienen.

Auch in Nauen soll bis zum kommenden Jahr ein festes Flüchtlingsheim entstehen. Der Baubeginn steht nach Angaben der Stadt kurz bevor. Maximal 250 Bewohner soll es beherbergen. Vor dem Grundstück am Waldemardamm, nur wenige hundert Meter von der abgebrannten Sporthalle entfernt, wollen Bürger am Dienstagabend ihre Solidarität mit den Flüchtlingen bekunden. Die Willkommensinitiative "Nauen für Menschlichkeit" hat dort um 18 Uhr zu einer Mahnwache aufgerufen.

AfD-Politiker Gauland: "Verantwortung tragen Altparteien"

Ministerpräsident Woidke kündigte ein hartes Vorgehen gegen die Brandstifter an. "Sollten die Ermittlungen einen fremdenfeindlichen Anschlag belegen, werden Polizei und Justiz in Brandenburg alles daran setzen, der Täter habhaft zu werden und sie einer gerechten Strafe zuzuführen", erklärte Woidke am Dienstag in Potsdam. "Es bleibt dabei: Null Toleranz gegenüber jeglicher Form von Fremdenfeindlichkeit."

Etwa 350 Bürger haben sich am Dienstagabend zu einer Mahnwache in Nauen eingefunden.
Etwa 350 Bürger haben sich am Dienstagabend zu einer Mahnwache in Nauen eingefunden.
© dpa

"Ob Ausländerhetze und tätliche Angriffe auf Menschen in Not in Heidenau oder die Verhinderung des Einzugs von Flüchtlingen in Nauen per Brandstiftung, derartige Aktionen sind beschämend und Deutschlands unwürdig", verurteilte Woidke die mutmaßliche Tat. Nun sei eine "wehrhafte Demokratie" und ein "Aufstand der Anständigen" erforderlich. Der Ministerpräsident appellierte an die Brandenburger: "Setzen Sie Zeichen der Mitmenschlichkeit. Distanzieren Sie sich vom fremdenfeindlichen Mob."

Die AfD hingegen zeigt mit dem Finger auf die politische Konkurrenz. Der brandenburgische Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland erklärte für den Fall einer Brandstiftung: "Die Verantwortung für solche Taten haben die gesamte Gesellschaft und in erster Linie die Politiker der Altparteien, die zur jetzigen Eskalation der Flüchtlingsproblematik beigetragen haben." Eine "zügige Bearbeitung der Asylanträge und eine konsequente Abschiebung abgelehnter Asylbewerber" hätte die Situation "auch in Nauen entspannt". Bürger seien nicht ausreichend einbezogen worden und hätten das Gefühl, Bund und Land würden nicht genug tun, um sie und die Kommunen zu entlasten.

Bürgermeister wendet sich an "Mitläufer"

Bürgermeister Fleischmann zeigte sich vom Brand der Halle tief betroffen. "Wenn es Brandstifter sind, sind es für mich Verbrecher", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. In der Stadt gebe es immer wieder rechtsextremistische Hetze in den sozialen Netzwerken, mehrfach seien Anschläge auf Parteibüros der Linken und der SPD verübt worden.

Lichterloh in Flammen: Die Feuerwehr konnte eine als Flüchtlingsunterkunft vorgesehene Sporthalle in Nauen nur noch kontrolliert abbrennen lassen.
Lichterloh in Flammen: Die Feuerwehr konnte eine als Flüchtlingsunterkunft vorgesehene Sporthalle in Nauen nur noch kontrolliert abbrennen lassen.
© Julian Stähle/dpa

Allerdings habe sich auch Widerstand gegen Rechtsextremisten formiert, betonte Fleischmann. Erst in der vergangenen Woche hätten sich mehrere Verbände zur Willkommensinitiative zusammengeschlossen, um gegen Fremdenfeindlichkeit vorzugehen. Ähnlich wie Ministerpräsident Woidke forderte auch der Bürgermeister die Nauener auf, sich auf die Seite der Flüchtlinge zu stellen. "Ich hoffe, dass die Mitläufer der Flüchtlingsgegner sich distanzieren von solchen Aktionen angesichts der neuen Qualität", sagte er dem Tagesspiegel.

Mehrere Politiker machten sich am Dienstagmorgen ein Bild von der Situation. Brandenburgs Vize-Ministerpräsident Christian Görke suchte den Ort des Brandes genauso auf wie Innenstaatssekretär Matthias Kahl. "Ich bin wirklich fassungslos", sagte die Landesgeschäftsführerin der Linken in Brandenburg, Andrea Johlige, dem Tagesspiegel. "Das halte ich für rechten Terror, anders kann man das nicht mehr bezeichnen."

Hammerschläge, Farbbeutel, Eier auf Parteibüro

Johlige hat in Nauen ihr Wahlkreisbüro. Dieses sei zwischen Mai und Juni achtmal Ziel von Attacken gewesen - angefangen mit 29 Hammerschlägen auf das Schaufenster über Farbbeutelwürfe bis hin zu einem Beutel mit angebrüteten Eiern und toten Küken. Nachdem in vier Fällen Täter gefasst worden seien, habe sich die Lage jedoch beruhigt, sagte Johlige.

Seit zwei Jahren seien verstärkte Aktivitäten der rechtsextremen Szene zu verzeichnen, erklärte die Linken-Politikerin. Die NPD habe einen Sitz in der Stadtverordnetenversammlung und zwei im Kreistag. Besonders umtriebig seien die sogenannten Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland. Auch habe sie schon Nauener bei Veranstaltungen des III. Wegs gesehen.

Die Stimmung in der Stadt sei gedrückt, sagte Johlige. Man habe gerade erst Bürger für die Willkommensinitiative gewinnen können. Für die Aktiven sei der mutmaßliche Anschlag nun "ein Schlag ins Gesicht". Johlige: "Da muss man sich auch was trauen in Nauen, sich für Flüchtlinge einzusetzen."

Die Landesgeschäftsführerin der Linken appellierte an die Bevölkerung, Anschläge zu ächten. Nur dann ließen sich die Täter davon abhalten. "Die Polizei wird nicht jede einzelne Flüchtlingsunterkunft schützen können." Insbesondere bedürfe es weiterer Aufklärung über Flüchtlinge, Asyl und Migration. "Nicht jeder, der Ängste hat, ist gleich ein Rassist", sagte Johlige.

Rechtsextreme störten Stadtverordnetenversammlung

In der Stadt hatte es in diesem Jahr auch mehrfach Demonstrationen gegen die geplante Aufnahme von Asylbewerbern gegeben. Im Februar war eine Stadtverordnetenversammlung massiv von rechtsextremen Demonstranten, angeführt vom Nauener NPD-Stadtverordneten Maik Schneider, gestört worden. Es ging um den Verkauf des städtischen Grundstücks am Waldemardamm für die neue Flüchtlingsunterkunft des Landkreises. Die Sitzung musste abgebrochen werden, die Polizei räumte den Saal.

Im April wurden nachts die Reifen an einem Auto des Vereins Mikado zerstochen, das am Abend noch als Lautsprecherwagen für eine Demo gegen eine Neonazi-Kundgebung gedient hatte. Unterm Scheibenwischer fand die Vorsitzende einen Zettel mit der Drohung: "Liebe Asylantenfreunde, Tröglitz ist auch hier! Bis bald!" In dem Dorf in Sachsen-Anhalt war kurz zuvor eine geplante Asylunterkunft in Brand gesetzt worden.

Mahnwache am Abend

Aber es gibt noch ein anderes Nauen. An einer Mahnwache, zu der die Initiative „Nauen für Menschlichkeit“ aufgerufen hat, kamen am Dienstagabend 350 Personen. Die Kundgebung fand vor einer Baubrache statt, dort soll in der 40 Kilometer westlich von Berlin gelegenen Stadt bis zum kommenden Jahr ein festes Flüchtlingsheim entstehen. Der Baubeginn steht kurz bevor. Die Innenexpertin der Grünen-Landtagsfraktion, Ursula Nonnemacher, formuliert dort: „Das ist blanker Rechtsterrorismus, der uns da entgegen schwappt.“ Bürgermeister Fleischmann sagt am Mikrofon: „Wenn jemand denkt, so Flüchtlingsunterkünfte verhindern zu können, dann hat er sich geirrt. Denn: Jetzt erst recht.“

Vier Neonazis, die von Szenebeobachtern den Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland zugeordnet werden, versuchten, Fotos von den Teilnehmern der Mahnwache zu schießen – darunter der Nauener NPD-Stadtverordnete Maik Schneider. Nachdem Flüchtlingsunterstützer auf die Gruppe aufmerksam wurden, zogen sie von dannen. Die Teilnehmer der Mahnwache indes meldeten noch spontan eine Demonstration durch die Stadt unter dem Motto „Schöner leben ohne Nazis“ an.

In den vergangenen Tagen hatten sich Übergriffe auf Flüchtlinge oder deren Unterkünfte in Deutschland gehäuft. In der Nacht zu Montag hatte im baden-württembergischen Weissach im Tal ein Feuer ein Haus zerstört, das künftig Flüchtlinge beherbergen sollte. In Berlin hatte ein Rechtsextremist am Samstag auf Kinder in der U-Bahn uriniert. Am Wochenende hatte es im sächsischen Heidenau Krawalle vor einer Flüchtlingsunterkunft gegeben. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die Vorfälle am Montagabend als "absolut inakzeptabel" bezeichnet. (mit dpa, epd, AFP)

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