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SPD-Spitzenkandidatin Rona Tietje am Donnerstag im Ewa-Frauenzentrum.
© Ulrike Scheffer

Diskussion mit SPD-Spitzenfrau: Ein Bürgerhaushalt für Pankow

Rona Tietje will Bürgermeisterin in Pankow werden. Wenn der Bezirk seine Schulden getilgt hat, will sie dann nicht nur die Verwaltung wieder ausbauen. Auch die Kulturszene will sie stärken. Und die Bürger sollen beim Haushalt mitentscheiden.

Rona Tietje will Pankow auf Wachstum ausrichten. Das war eine der zentralen Botschaften der SPD-Spitzenkandidatin für die Wahl der Bezirksverordnetenversammlung bei ihrem Auftritt am Donnerstagabend im Ewa-Frauenzentrum auf der Prenzlauer Allee. Gekommen waren ausschließlich Frauen, denn zu dem Zentrum haben Männer grundsätzlich keinen Zutritt. Tietje will im September ihren Parteigenossen Matthias Köhne beerben, der seit 2006 Bezirksbürgermeister in Pankow ist und nicht mehr kandidiert. Im Frauenzentrum erklärte die 34-Jährige, die aus Schleswig-Holstein stammt und als Juristin in der Senatsverwaltung für Finanzen arbeitet, welche Schwerpunkte sie setzen will, sollte sie tatsächlich Bürgermeisterin werden. "Nächstes Jahr sind wir vielleicht schon schuldenfrei", sagte Tietje, "deshalb müssen wir jetzt schon planen, wo wir investieren, wenn wieder mehr Geld zur Verfügung steht."

Die Gäste griffen das sofort auf, denn viele sind in lokalen Fraueninitiativen engagiert. Astrid Landero vom Frauenzentrum Paula Panke beklagte etwa, dass wichtige Projekte im Laufe der Jahre auf der Strecke geblieben seien, weil Fördergelder wegfielen. Mit der Unterstützung geflüchteter Frauen sähen sich viele Initiativen nun endgültig finanziell und personell überfordert. Die Pankower Gleichstellungsbeauftragte, Heike Gerstenberger, berichtete von ihren Nöten, die zur Verfügung stehenden Mittel sinnvoll und gerecht zu verteilen.

Tietje will die Gleichstellungs- und auch die Integrationsbeauftragte mindestens mit mehr Personal ausstatten, und sie deutete auch an, Fraueninitiativen stärker zu fördern. "Ich kann keinen warmen Geldregen versprechen, aber es muss mehr geschützte Räume für Frauen geben. Und vor allem mehr Unterstützung für geflüchtete Frauen", sagte sie. Auch die Pankower Kulturszene will sie unterstützen. Viele Kulturzentren könnten nur eingeschränkt genutzt werden, weil sie baufällig seien. Ob Tietje als Bürgermeisterin daran viel ändern kann, bleibt freilich abzuwarten. Denn auch nach dem Ende des Schuldenabbaus wird der Bezirk sicher nicht Geld schwimmen.

Doch als Kandidatin muss Tietje natürlich deutlich machen, welche Themen sie für wichtig hält. Grundsätzlich will sie zunächst vor allem die Verwaltung ausbauen, um dem stetigen Bevölkerungszuwachs gerecht zu werden. Bürger- und Bauämter beispielsweise benötigten dringend zusätzliches Personal. Bei der "sozialen Infrastruktur" sieht Tietje noch viele weitere Baustellen. So fehlten im Bezirk Angebote für Jugendliche und für über 80-Jährige. "Das ist die am stärksten wachsende Bevölkerungsgruppe", erläuterte sie. Pankow müsse zudem als Wirtschaftsstandort gestärkt werden. "Derzeit fokussiert sich ja alles auf den Wohnungsbau, aber Pankow darf keine Schlafstadt werden." Auch gegen die Gentrifizierung will sie vorgehen. "Als ich 2001 nach Pankow kam, habe ich die Anfänge der Verdrängung selbst erlebt," erzählte sie. Schon damals hätten Künstler Schwierigkeiten gehabt, ihre Ateliers zu bezahlen. "Auch andere fühlen sich inzwischen an den Rand gedrängt, doch Pankow soll nicht den Reichen vorbehalten sein."

Dass schon ihr Vorgänger die Entwicklung nicht aufhalten konnte, leugnet Tietje nicht. Doch der Bezirk allein könne wenig ausrichten. "Seit die Entwicklung in Pankow auch anderswo sichtbar wird, gibt es auf Landesebene endlich Initiativen, die auch wir hier konsequent umsetzen müssen." Konkret nennt sie das Zweckentfremdungsverbot für Wohnungen und das Verbot, Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Tietje will aber auch dafür eintreten, dass die Kommune ein Vorkaufsrecht beim Verkauf von Wohnungen erhält und der soziale Wohnungsbau wieder subventioniert wird. Sie räumt allerdings ein, dass es dafür in ihrer eigenen Partei bisher keine Mehrheit gebe.

Anders als viele in ihrer Partei kann sich Rona Tietje auch vorstellen, die Bürger stärker an Haushaltsentscheidungen zu beteiligen. "Wenn wir wieder Geld zum Ausgeben haben, macht das durchaus Sinn." Lichtenberg beispielsweise habe bereits einen solchen Bürgerhaushalt, ergänzte sie. Beim Publikum kam das gut an. Ob sich die Idee politisch durchsetzen lässt, wird man sehen - egal, wer im September regiert.

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