Gymnasien in Pankow: "Der Elternwille wird ignoriert"
Ralf Treptow leitet nicht nur das Rosa-Luxemburg-Gymnasium, er ist auch Vorsitzender der Vereinigung der Oberstudiendirektoren des Landes Berlin. Als solcher kritisiert er die Berliner Schulplanung.
Anfang März hat der Senat bekanntgegeben, wo in Berlin neue Schulen entstehen sollen. Dabei fiel auf, dass kaum neue Gymnasien geplant werden - drei in ganz Berlin. Zusätzlich sollen drei bestehende Gymnasien erweitert werden. Für Pankow als stark wachsenden Bezirk ist das besonders problematisch, denn die Nachfrage nach Gymnasialschulplätzen übersteigt hier schon jetzt deutlich das Angebot. Im laufenden Anmeldeverfahren fehlen rund 90 Plätze für die siebte Klasse. Bei den fünften Klasse ist die Differenz zwischen Angebot und Nachfrage noch ausgeprägter. Plätze fehlen zwar auch an Sekundarschulen, 40 aktuell, doch dort soll deutlich aufgestockt werden.
"Der Elternwille wird ignoriert", kommentiert Ralf Treptow, der Vorsitzende der Vereinigung der Oberstudiendirektoren des Landes Berlin, die Erweiterungspläne des Senats. Treptow, im Hauptberuf Schulleiter am Pankower Rosa-Luxemburg-Gymnasium, muss selbst Jahr für Jahr Kinder ablehnen, die für seine Schule geeignet wären. "Die Planungen des rot-rot-grünen Senats sind ein Umerziehungsprogramm für die Gemeinschaftsschule", sagt er. Fakt ist: Für das kommende Schuljahr liegen für Pankow 1276 Anmeldungen für Sekundarschulen und 1307 für Gymnasien vor. In anderen, vor allem östlichen Bezirken ist das Interesse an Gymnasien deutlich geringer. Zählt man die Kinder hinzu, die von der Möglichkeit Gebrauch machen, die Grundschule schon nach vier Jahren zu verlassen, erreicht die Gymnasialquote in Pankow mehr als 50 Prozent. Tendenz steigend. Insgesamt gehen im Bezirk derzeit 32.000 Kinder zur Schule, 2024 werden es fast 40.000 sein.
Berlin plant der Entwicklung eher schlecht als recht hinterher. In Pankow sind zwar seit 2015 acht zusätzliche Klassenzüge an Gymnasien entstanden - unter anderem durch die Neugründung des Gymnasiums am Europasportpark. Doch das System bleibt unter Druck. Das Primo-Levi-Gymnasium in Weißensee etwa haben in diesem Jahr 199 Familien als Erstwunsch für ihr Kind angegeben. Doch nur 128 Plätze stehen hier zur Verfügung. Das Käthe-Kollwitz-Gymnasium in Prenzlauer Berg könnte 113 Schüler aufnehmen, hat aber nur 64 Plätze. Besonders beliebt sind außerdem das Carl-von-Ossietzky-Gymnasium in Pankow-Zentrum (209 Anmeldungen für 160 Plätze) und das Max-Delbrück-Gymnasium in Niederschönhausen (197 Anmeldungen für 160 Plätze).
Pankows Schulstadtrat Torsten Kühne (CDU) räumt ein: "Wer wohnortnah einen Platz an einem Gymnasium sucht, der hat ein Problem." Doch anders als bei Grundschulen gelte für Oberschulen nun einmal: "Auch längere Schulwege sind zumutbar - notfalls auch über Bezirksgrenzen hinweg." Für Kühne hat der Ausbau der Gymnasien daher keine Priorität. "Die größte Herausforderung für uns sind die Grundschulen, denn hier haben wir den größten Fehlbedarf und müssen wohnortnahe Plätze anbieten", sagt er.
Wechsel zur 5. Klasse bleibt Politikum
Was das kommende Schuljahr angeht, ist Verbandssprecher Ralf Treptow verhalten optimistisch. "Die 90 Plätze, die an den Gymnasien fehlen, entsprechen drei Klassen. Die wird man an der ein oder anderen Schule noch einrichten können." Für die Zukunft sieht er aber massive Schwierigkeiten voraus. "Herr Kühne hat zwar recht, wenn er sagt, bei den Grundschulen gebe es besonderen Handlungsbedarf. Doch in spätestens sechs Jahren werden die Kinder, die jetzt eingeschult werden, auf die Oberschulen kommen." Eine Überfrequentierung an Gymnasien habe es immer gegeben, die Lage werde sich aber zuspitzen, prophezeit er. "Das betrifft besonders die Klasse fünf." Dieses Angebot - das in Berlin anders als in anderen Bundesländern als Ausnahmefall gilt - soll nicht erweitert werden. "Eine politische Entscheidung", sagt Treptow. Doch das Interesse ist groß: In diesem Jahr gibt es in Pankow 430 Bewerber, doch nur 270 Plätze. Dass der Senat den frühen Schulwechsel leistungsstarker Schüler zum Wohle der schwächeren Schüler nicht fördert, lässt Treptow nicht gelten. "Der freie Elternwunsch wird bei der Schulwahl groß geschrieben, wenn er aber nicht ins Konzept passt, wird er missachtet."
Ulrike Scheffer