Berlin-Steglitz: Der Bierpinsel war der BER der 70er Jahre
Ein kurioses, markantes Bauwerk mit einer noch kurioseren Geschichte. Ob der Bierpinsel wohl heute eröffnen würde? Ein Blick ins Tagesspiegel-Archiv.
Die Geschichte des Bierpinsels ist schon ziemlich absurd. Bei der Vorstellung der Pläne 1968 schrieb der Tagesspiegel von einem „eigenwilligen Turmrestaurant“, später war dann bei uns die Rede von einem „architektonischen Nebenprodukt“ des Verkehrsknotenpunktes, weil ja eigentlich nur ein Treppenhaus mit Fahrstuhltrakt entstehen sollte zwischen den „zwei U-Bahn-Ebenen, der Schlossstraße und der Autobahn“ ganz oben.
Der Tagesspiegel sprach erst 1976 vom "Bierpinsel"
Die Architekten Schüler-Witte – bekannt durchs ICC – hatten die Idee eines Turms, das der Volksmund dann später „Bierpinsel“ nannte (der Tagesspiegel macht dieses Spiel mit dem Wörtchen erst 1976 mit).
Es lief allerdings ähnlich am Schnürchen wie viele Jahre später auch bei einem Großflughafen. Die Architektenidee endete zunächst in der Pleite des ersten Bauherrn, einer westdeutschen Abschreibungs-KG. Sie stellte 1973, nachdem fünf Millionen D-Mark verbaut waren, ihre Tätigkeit ein. 1974 übernahm die stadteigene Bewoge das Projekt.
Prognose vom Tagesspiegel: "Nicht wirtschaftlich zu betreiben"
Ihr wurde aus öffentlichen Mitteln 10,7 Millionen Mark als Kredit bereitgestellt, worüber ein CDU-Abgeordneter namens Eberhard Diepgen schimpfte. Er, der 1984 Regierender wurde, warf dem Senat vor, den Steuerzahler durch „vage Formulierungen“ darüber im Unklaren gelassen zu haben, was die Fertigstellung der früheren Bauruine tatsächlich kostet.
Als 1975 schon wieder die Bauarbeiten eingestellt wurden, schrieb der Tagesspiegel von einer „Bauruine“ und stellte die Prognose auf: „Nach den letzten Erkenntnissen versprechen die Zahlen kaum Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Bewirtschaftung.“
Löschwasser zerstörte Mobiliar
Es ging dann doch noch voran, auch wenn Besucher bei einem Baustellenfest das Modell demolierten, im Sommer 1976 ein Kurzschluss im Turm einen großen Rauchpilz verursachte und die Feuerwehr mit ihrem Löschwasser das Inventar nebenbei zerstörte. Schaden: 300.000 Mark.
Dann die Eröffnungsfeier im Oktober, 1976: „Ein bisschen Nebel, aber sonst ganz schön“, zitierte der Tagesspiegel eine ältere Berlinerin, bemerkte aber: „Im regulären Betrieb werden hoffentlich keine Bierbecher von den 30 Meter hohen Balkonen auf die Fußgänger hinuntergeworfen wie gestern. Die Kinder hatten ihren Spaß an ihren teilweise noch mit etwas Bier gefüllten Wurfgeschossen und die Leute unten allen Grund zum Ärger.“
Hertha-Spieler naschten hier heimlich Nachos
2006 schloss die Sportsbar, in der sich in jenen Jahren auch immer die Mannschaft von Hertha traf und dort heimlich Nachos futterte, mit Blick auf Fernseher und die Skyline des Südwestens.