NS-Diktatur: Der Berliner Zoo stellt sich seiner Nazi-Vergangenheit
Jüdische Aktionäre wurden enteignet, der Direktor war Mitglied bei NSDAP und SS: Der Zoo Berlin erinnert an die eigenen Verfehlungen während der NS-Diktatur.
Bier gibt es im Antilopenhaus des Zoologischen Gartens schon lange nicht mehr. Wahrscheinlich wurde der Gerstensaft dort sogar nur einmal ausgeschenkt. Das war zwischen dem 6. und 11. September 1872 anlässlich des Drei-Kaiser-Treffens, auf dem der deutsche Kaiser Wilhelm I., Franz-Joseph I. von Österreich-Ungarn und Alexander II. von Russland politische Einigkeit demonstrieren wollten. Dergleichen macht durstig, und so sollen die drei Majestäten bei einem gemeinsamen Besuch des Zoos im Vorraum des heute auch von Giraffen bewohnten, irgendwie maurisch wirkenden Gebäudes eine kühle Molle gezischt haben. Ohnehin eine exponierte Unterkunft für die afrikanischen Paarhufer: zentral gelegen, halbwegs im historischen, allerdings reparierten Original erhalten und mit einem großen Vorraum gesegnet, in dem jetzt nur überdimensionale Tierfotos an der Wand hängen. Das soll sich bald ändern.
Der Zoologische Garten mit seinem Direktor Andreas Knieriem und dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Zoo AG, Frank Bruckmann, blicken nicht nur voraus in die Zukunft, sondern auch zurück in die Vergangenheit. Die ist zwar insgesamt glorreich, aber zeitweise auch arg düster, speziell in den Jahren zwischen 1933 und 1945.
Man ist nicht stolz
Schon 2011 wurde daher außen am Antilopenhaus eine „Berliner Gedenktafel“ zur Erinnerung an die jüdischen Aktionäre der Zoo AG angeschraubt. Gerade auch durch deren Unterstützung, so heißt es da, habe sich der Zoologische Garten „zu einem kulturellen und gesellschaftlichen Mittelpunkt der Stadt“ entwickelt, doch seien sie in der NS-Zeit „diskriminiert, verfolgt, entrechtet und enteignet“ worden. „Sie waren gezwungen, auch ihre Zoo-Aktien zu veräußern.“ Und als Juden sei ihnen der Zutritt zum Zoo verwehrt geblieben.
2013 hatte der Zoo die Historikerin Monika Schmidt mit Recherchen zu dem Thema betraut, deren Ergebnisse im Jahr darauf als Buch veröffentlicht wurden („Die jüdischen Aktionäre des Zoologischen Gartens zu Berlin: Namen und Schicksale“ Metropol-Verlag, Berlin). Direktor des Zoos war zu der fraglichen Zeit Lutz Heck, der 1932 das Amt von seinem Vater Ludwig Heck übernommen hatte und bis 1945 innehatte.
Ein Mann, auf den man heute im Zoo trotz aller Verdienste in seinem Beruf alles andere als stolz ist: seit 1933 förderndes Mitglied der SS, 1937 Mitgliedschaft in der NSDAP, tätig fürs Reichsforstamt, ohnehin mit Hermann Göring immer ganz dicke, und ausländische Zwangsarbeiter ausgebeutet hat er auch.
Geste der Wiedergutmachung
1984 fand sein Bronzekopf Aufnahme in der Ahnengalerie der Zoodirektoren am Hauptweg nördlich des Raubtierhauses, woran die Initiatoren der kürzlich beendeten Online-Petition „Keine Ehrung für Nazi-Zoodirektor“ jetzt Anstoß nahmen. Viel Resonanz fand sie nicht, ermunterte aber die Zoospitze, die Büste durch eine am Montag montierte Tafel mit Informationen über den fragwürdigen Zoologen zu ergänzen.
Als „Geste der Wiedergutmachung“ will Andreas Knieriem diese Tafel verstanden wissen, ähnlich wie die beiden anderen Projekte, mit denen sich der Zoo „aktiv seiner NS-Vergangenheit“ stellen will, wie es gestern hieß. Ab 2016 wird es ein Fellowship-Programm mit Doktoranden der Hebrew University of Jerusalem geben. Vorerst fünf Jahre lang werden je vier Stipendiaten, die sich irgendwie mit Tieren oder auch Ethik und Geschichte beschäftigen, zu Forschungszwecken nach Berlin eingeladen.
Projekt „Antilopenhaus“
Und dann gibt es noch das Projekt „Antilopenhaus“. Denn dort, wo sich die drei Kaiser einst einen hinter die Binde gossen, wird voraussichtlich bis Ende 2016 auf einer Fläche von 120 Quadratmetern eine Ausstellung über die Geschichte des Zoologischen Gartens entstehen, von den Anfängen der Menagerie auf der Pfaueninsel bis zum Zusammenschluss mit dem Tierpark in Ost-Berlin, unter besonderer Berücksichtigung der Rolle, die dabei die jüdischen Aktionäre spielten, ihrer Leistungen beim Aufbau wie ihrer Diskriminierung und Ausgrenzung.
Betraut wurde damit der Historiker Clemens Maier-Wolthausen, der sich dabei, wie er gestern andeutete, auch mit dem ebenfalls nicht makellosen Vater des NS-Zoochefs beschäftigen wird. In dessen Verantwortung fiel noch eine in den Kolonialschauen des Kaiserreichs gründende Tradition: „völkerkundliche“ Veranstaltungen wie die Sonderschau „Ostafrika“ von 1927, bei der unter anderem Massai-Krieger den Berlinern zur Schau gestellt wurden. Heia Safari im Zoo.