Wende in Debatte um Rugby-Stadion in Zehlendorf: Das Ei fliegt auf die Sachtlebenstraße...
Der Streit um die Pläne für ein Rugby-Stadion für den BRC auf dem Gelände der Wilma-Rudolph-Schule ist offenbar beigelegt: Bürger, Politik und Verein können sich nun doch die Sachtlebenstraße als Standort vorstellen. Das hatte der Bezirk bisher immer abgelehnt.
In Zehlendorf hat sich eine ungewöhnliche Koalition gebildet: Schwarz-Rot. Diesen Eindruck jedenfalls konnte man gewinnen, wenn man am späten Sonntagnachmittag Am Hegewinkel spazieren ging und dort auf sehr viel Politprominenz traf. Es ging einmal mehr um das Vorhaben des Berliner Rugby Clubs (BRC), auf dem Gelände der Wilma-Rudolph-Schule ein Rugbystadion zu bauen. Gegen die Pläne hat sich Widerstand gebildet, eine Bürgerinitiative hat sich gegründet, die die Pläne vor allem wegen der schwierigen Verkehrssituation, aber auch wegen des möglichen Lärms, als nicht praktikabel ansieht.
Bisher hat die zuständige Stadträtin Cerstin Richter-Kotowski (CDU) für den Standort Am Hegewinkel plädiert, vor allem, weil die sportbetonte Schule ohnehin mit dem BRC kooperiert und die Hoffnung bestand, dass mit den Mitteln des Vereins nicht nur der längst marode Sportplatz, sondern auch andere Freiflächen für den Sport- und Freizeitbereich der Schule hergerichtet werden könnten.
Nach der sonntäglichen erneuten Begehung des Geländes war allen Zuhörern aber klar: Die bezirkliche CDU wird den Standort nicht mehr favorisieren, sondern es wird nun sehr wahrscheinlich doch auf die Sachtlebenstraße hinauslaufen - trotz der dortigen Kontamination vor allem mit Hausmüllablagerungen.
Aber der Reihe nach und zurück zur eher zufällig entstandenen schwarz-roten Übereinkunft.
Genau genommen stimmt das nämlich nicht. Denn sozialdemokratische Bezirksverordnete haben bisher mit dem Thema nicht viel zu tun gehabt. Aber: Auf Seiten der Bürgerinitiative sind auch zwei bekannte Sozialdemokraten aktiv, die wiederum nichts mit der Bezirkspolitik zu tun haben: Einer der Bürgerinitiatoren, denen es vor allem um Bürgerbeteiligung geht, nicht um die strikte Ablehnung, ist Hans-Roland Fäßler. Der Sozialdemokrat und ehemalige Journalist hat Peer Steinbrück im Bundestagswahlkampf 2013 beraten, und er pflegt auch jetzt gute Kontakte zum Bundesvorsitzenden. Der zweite Wortführer der Initiative ist deren Anwalt: Peter Danckert, langjähriger Bundestagsabgeordneter, Rechtsanwalt und Notar.
Danckerts Drohung war nicht mehr notwendig
Vielleicht mag es auch an diesen beiden Männern gelegen haben, dass am Sonntag die CDU ebenfalls in erstaunlicher Prominenz auflief: Der Bürgermeister Norbert Kopp war höchst persönlich gekommen, um sich ein Bild von der Situation zu machen, dazu Fraktionschef Torsten Hippe und der Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann. Als alle Argumente ausgetauscht waren, stand Peter Danckert gegen 19 Uhr in einem Nebenraum der Schule auf und machte in einem Nebensatz deutlich, um was es geht: "Wenn man doch zu dem Schluss kommen sollte, dass hier der richtige Ort für dieses Vorhaben sei, dann werden sich die Anwohner wehren."
Das war eine Kampfansage, zuvor hatte Fäßler schon davon gesprochen, dass "verlorenes Vertrauen nicht mehr aufgebaut werden kann", aber letztlich waren diese indirekten Drohungen nicht mehr nötig. Denn sowohl Norbert Kopp als auch Karl-Georg Wellmann hatten da längst schon signalisiert, dass man sich selbst die Wilma-Rudolph-Schule nicht wirklich vorstellen könne. Kopp sagte also in Richtung Danckert: "Wir werden das jetzt im Bezirksamt diskutieren, aber die gemachten Vorschläge erscheinen mir vernünftig."
Die Vorschläge, die von Seiten der Bürgerinitiative kamen, weisen alle in Richtung Sachtlebenstraße. Das Kuriose daran ist: Der BRC selbst hatte schon vor Jahren genau diese Sachtlebenstraße angefragt, um dort seine Heimstätte zu errichten. Man muss nun dazu wissen, dass der Berliner Rugby Club nicht irgendwer ist, sondern in Deutschland zu den erfolgreichsten Vereinen überhaupt in seiner Sportart zählt. Unzählige Meistertitel im Männer- wie Jugendbereich zeugen davon, erst gerade ist die U16 zum dritten Mal hintereinander Deutscher Meister geworden. 350 Sportler aus 36 Nationen spielen beim BRC, vor allem Kinder- und Jugendliche. 2016 wird Rugby olympisch, der BRC hat die Chance, für die Nachwuchsspieler Stützpunktstandort zu werden, also eine Art "Olympiainternat", die besten Spieler würden hier trainieren und womöglich auf die Wilma-Rudolph-Schule gehen.
Der Sport boomt - und er wird wachsen. Der BRC braucht deshalb Planungssicherheit, die er selbst am Standort Wilma-Rudolph nicht wirklich erfüllt sieht.
Der Senat steht dem generellen Vorhaben des BRC positiv gegenüber, man hat Förderung zugesagt, nur die Platzfrage ist nun mal Bezirksangelegenheit. Und was man dazu bisher tatsächlich sagen kann ist: Trotz der vielen Erfolge hat der BRC bis heute keinen eigenen Platz, man trainiert an drei verschiedenen Standorten, einer davon ist in der Jungfernheide. Klub-Boss Stefan Hansen, im Berufsleben einer der erfolgreichsten Werber im Land, aber sagt: "Wir sind ein Zehlendorfer Verein, und wir wollen ein Zehlendorfer Verein bleiben." Und dann fügte er noch an: "Was wir aber gar nicht möchten, ist, in eine politische Debatte gezogen zu werden."
Die Sachtlebenstraße hat der Bezirk bisher immer mit dem Argument abgelehnt, dass dort zu viel Bodenverunreinigung sei, die man erst beseitigen müsse. Das wäre sehr teuer. Und der Bezirk selbst hat dem BRC dann die Wilma-Rudolph-Schule angeboten, wissentlich, dass dort die sehr engen, kleinen Straßen und die Nähe zu den anliegenden Häusern und dem Wald ein Problem darstellen könnten. Der Verein aber möchte wachsen - dauerhaft. Er selbst weiß, dass er das auf diesem Standort nicht wirklich kann. "Aber wir sind nicht in der Situation etwas abzulehnen", sagt Hansen, "wir brauchen einfach einen Platz."
Sachtlebenstraße also! Dabei gibt es tatsächlich ein Gutachten, dass sehr wohl auch von Kontamination berichtet und das dem Tagesspiegel-Zehlendorf vorliegt. Zusammengefasst kann man sagen: Es gibt vor allem eine Kontamination mit altem Hausmüll, dazu aber heißt es - einerseits - im Gutachten: "Das Erreichen eventueller Hausmüllablagerungen, so sie in den geophysikalischen Anomaliebereichen des Sportgeländes tatsächlich abgebildet und vorhanden ist, dürften die geplanten Baumaßnahmen nicht beeinflussen."
Verunreinigung mit hohem Schadstoffgehalt
Doch die "geplanten Baumaßnahmen" gehen zurück auf ein Vorhaben, das kleiner ist als das, was der BRC nun, womöglich gemeinsam mit einem Baseballklub, realisieren will. Bis zu 30 Zentimeter könne man buddeln, das sei kein Problem, aber dann! Denn das Gutachten spricht - andererseits - auch noch von anderen Verunreinigungen, "im unteren Ablagerungsbereich wurden hohe Schadstoffgehalte für Schwermetalle, PAK, örtlich auch MKW, Cyanide und PCB nachgewiesen. Die obere Ablagerungsschicht war diffus mit gleichem Schadstoffinventar, aber geringer und örtlich unterschiedlich belastet."
Was das nun genau heißt, weiß niemand, denn jetzt kommt es auf die Planung an, was muss gebaut werden, wie tief soll gegraben werden, und wer bezahlt dann womöglich eine komplette Bodensanierung? Im Moment wird auf dem Platz ja Sport getrieben, auch von Kindern. Das ist also offensichtlich ungefährlich? Im Gutachten jedenfalls heißt es: "Eine abschließende Bewertung kann mit dem vorliegenden Erkenntnisstand nicht getroffen werden. Hierzu wäre die Durchführung weiterer Untersuchungen erforderlich."
Peter Danckert findet, der Verein könne doch erst einmal die vorhandenen Flächen an der Sachtlebenstraße sofort nutzen, dann hätten alle Zeit gewonnen und könnten sehen, wie es weitergehen soll. Auch dem verschließt sich der Klub nicht, denn er will sein Geld, rund 1,9 Millionen Euro, gut und nachhaltig investieren. Die Politik hat am Sonntag eher den Eindruck gemacht, sie wolle jetzt mal ganz schnell einen Plan dort abräumen, wo er auf Widerstand stößt und wo womöglich auch Wähler verprellt werden könnten; und auch weil der Plan als solcher und mit der Wilma-Rudolph als Standort offensichtlich im Bezirksamt sehr schlecht vorbereitet worden war. Beispielsweise fehlte die Kenntnis, dass der Verein seine Mittel nur zweckgebunden einsetzen darf: Für einen eigenen Sportplatz - ja. Für öffentliche Institutionen wie eine Schule - eher nein.
Die Schule, die davon geträumt hat, endlich ihre maroden Flächen saniert zu bekommen, steht nun zwischen allen Stühlen. Die Verantwortlichen können einem Leid tun, denn wenn der Tross erst einmal weitergezogen ist, wer hört dann noch die Belange der Schule?
Stadträtin Cerstin Richter-Kotowski war am Sonntag nicht dabei
Der Klub wiederum muss letztlich nehmen, was er bekommen kann. Am Ende hat Stefan Hansen - der trotz mancher Unflätigkeit einzelner Anwohner sehr ruhig blieb - seine Alternativen mit spürbarer Wut im Bauch nochmals vorgetragen: "Die Fußballer bekommen hier alles, aber uns, einem der erfolgreichsten Vereine in diesem Land, gibt man entweder ein Wohngebiet oder eine Müllhalde."
Am Montagabend stand das Thema auch auf der CDU-Kreisverbandssitzung. Dort wird sicher auch die zuständige Stadträtin Cerstin Richter-Kotowski anwesend sein, die am Sonntag nicht dabei war. Die Bildungs- und Sportstadträtin wollte bisher gern den amtierenden Bürgermeister Norbert Kopp 2016 ablösen. Zu oft sollte sie sich dann von Kopp nicht korrigieren lassen müssen.
Der Autor ist Redakteur für besondere Aufgaben im Tagesspiegel und hat das digitale Stadtteilportal Tagesspiegel-Zehlendorf konzipiert, auf dem dieser Text auch erscheint. Wenn Sie Anregungen haben oder selbst schreiben wollen, wenden Sie sich gerne an zehlendorf@tagesspiegel.de
Armin Lehmann