Hans-Christian Ströbele und die Kreuzberger Flüchtlinge: "Beide Seiten sollen ins Gespräch kommen"
In den Konflikt um die besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin-Kreuzberg hat sich Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele als Vermittler eingeschaltet. Ein Gespräch über die Stimmung unter den Flüchtlingen, die massive Polizeipräsenz im Kiez und darüber, wie es jetzt weitergeht.
Herr Ströbele, Sie sind am Wochenende zu den Besetzern aufs Dach der Gerhart-Hauptmann-Schule geklettert. Hat sich Ihr Einsatz gelohnt?
Es ist ja kein Vergnügen für einen 75-Jährigen, erst über eine Leiter und dann durch die Dachluke zu kraxeln. Aber die Besetzer hatten mich zuvor gebeten, zwischen ihnen und dem Bezirk zu vermitteln. Das mache ich natürlich gerne, obwohl es dort oben ziemlich abenteuerlich aussieht. Das Dach ist leicht schräg, man könnte auf der Dachpappe abrutschen. Die Gespräche, die ich führen konnte, waren aber wichtig.
Wieso?
Bevor ich in die Schule ging, war ich am Samstag erst mal im Rathaus und habe an den Beratungen der Bezirkspolitiker teilgenommen. Deren Runde hat ja schon verschiedene Diskussionsvorschläge entwickelt, wie sich der Konflikt am besten friedlich lösen lässt. Diese Überlegungen habe ich dann den Besetzern vorgetragen. Erst traf ich mich unten im Schulgebäude mit einer größeren Gruppe, dann mit etwa einem Dutzend auf dem Dach.
Was schlägt der Bezirk denn im Einzelnen vor?
Dazu möchte ich noch nichts sagen. Beide Seiten sollen in Ruhe miteinander ins Gespräch kommen. Es wäre schlecht, wenn es gleich in der Zeitung stünde.
Wie soll es nun weitergehen?
Wir haben mit den Leuten vereinbart, dass sie sich erst mal zwei Tage die Vorschläge überlegen. Montagabend werde ich wieder in die Schule gehen, um nachzuhören, wie sie dazu stehen. Ein Ergebnis erwarte ich dabei noch nicht. Es ist der Beginn eines Prozesses.
Das heißt ja im Klartext. dass sich der Konflikt vermutlich noch länger hinzieht. Die genervten Anwohner hören das bestimmt nicht gerne. Sie sehnen ein Ende der Absperrungen herbei . . .
. . . darauf können sie auch hoffen. Ich gehe davon aus, dass die großräumigen Absperrungen im Kiez um die Schule nicht mehr nötig sind und zeitnah zurückgefahren werden können. Ich bekomme ja selbst mit, wie stark die Anwohner belastet sind. Etliche haben sich bei mir per Mail über die hohe Polizeipräsenz beschwert. Auch bei der Demonstration am Sonnabend ist die Polizei ja mit einem viel zu großen Aufgebot angerückt. Es war aus meiner Sicht nicht nötig, noch Verstärkungen aus anderen Bundesländern wie Thüringen oder Brandenburg nach Berlin zu holen.
Wie war die Stimmung unter den Besetzern, als sie sich mit Ihnen trafen?
Etliche wirkten doch sehr gestresst. Klar, der gewaltige Polizeiaufmarsch belastet zunehmend auch ihre Nerven. Als ich ihnen nach entsprechender Rücksprache zusicherte, dass der Bezirk die Schule nicht räumen lassen will, trug das sehr zur Entspannung bei.
Wie wollen Sie den Flüchtlingen aber nun klarmachen, dass Bezirk und Senat deren ultimative Forderung zum größten Teil gar nicht erfüllen können?
Die Besetzer verlangen ja in der Regel ,Papiere’, also einen legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland. Ich war von Anfang an bemüht, ihnen Illusionen zu nehmen und realistische Chancen aufzuzeigen.
Was heißt das konkret?
Für die meisten sind alle Behörden einfach ,der Staat’. Dass Bezirk, Land und Bund unterschiedliche Kompetenzen haben; dass die Gewährung des Bleiberechts oder einer Arbeitserlaubnis gesetzlich genau geregelte Vorgänge sind, bei denen der Bezirk nichts zu sagen hat – das alles ist sehr schwer zu vermitteln.
Hans-Christian Ströbele, 75, ist seit 1998 Abgeordneter der Grünen im Bundestag. Der Bezirk Friedrichshain- Kreuzberg gehört zu seinem Wahlkreis.