Die „Schlange“ in Berlin-Wilmersdorf: Autobahn-Überbauung soll Baudenkmal werden
Das wünschen sich Bezirkspolitiker in Charlottenburg-Wilmersdorf. Denn das Wohnhaus über der Autobahn an der Schlangenbader Straße ist einzigartig.
Auffällig und einzigartig ist die 1976 bis 1981 errichtete Autobahn-Überbauung an der Schlangenbader Straße in Wilmersdorf mit 1054 Wohnungen in einem 500 Meter langen und 46 Meter hohen Gebäuderiegel. Rund 750 weitere Wohnungen stehen nebenan entlang der Schlangenbader Straße.
Jetzt setzt sich der Denkmalbeirat Charlottenburg-Wilmersdorf sogar dafür ein, das unter dem Spitznamen „Schlange“ bekannte Quartier unter Denkmalschutz zu stellen. Ein Antrag der Beiratsvorsitzenden und SPD-Bezirksverordneten Christiane Timper wurde am Mittwoch im BVV-Stadtentwicklungsausschuss einstimmig angenommen.
Die Müllschlucker wurden der Degewo und der BSR zu teuer
Der Vorstoß ist eine Folge des Streits um die Müllabsauganlage. Bisher wurden Abfälle, für die es Müllschlucker in jeder Etage gab, durch ein 700 Meter langes Rohrsystem mit Unterdruck pneumatisch zu einer Station am Breitenbachplatz befördert, dort komprimiert und von der Stadtreinigung abgeholt.
Doch inzwischen haben die Wohnungsgesellschaft Degewo und die BSR die Anlage aus Kostengründen außer Betrieb genommen – trotz Protesten einiger Mieter, die sich in der „Mieterinitiative Schlange“ organisiert haben. Gemäß dem Antrag soll „die stillgelegte zentrale Müllentsorgungsanlage in situ erhalten werden“.
Das Landesdenkmalamt entscheidet
Allerdings kann nur das Landesdenkmalamt ein Gebäude zum Baudenkmal erklären. Deshalb ist der Antragstext etwas umständlich: Die BVV soll das Bezirksamt bitten, sich beim Landesamt dafür einzusetzen, dass dieses den Denkmalwert prüft.
Zum ehrenamtlichen Denkmalbeirat gehören laut Satzung „fünf unabhängige, dem Bezirk verbundene Denkmalexpertinnen und -experten“. Hinzu kommen Vertreter der BVV-Fraktionen und des Bezirksamts, die kein Stimmrecht haben. Bei den externen Fachleuten handelt es sich zurzeit um die Kunsthistorikerin und frühere Leiterin des Georg-Kolbe-Museums, Ursel Berger, den Architekten und Denkmalpfleger Werner Jockeit, die Architektin und Stadtplanerin Ute Langeheinecke sowie die Gartenarchitektin Antje Solmsdorf und den Bauhistoriker Dietrich Worbs, der früher selbst im Landesdenkmalamt tätig war.
„Herausragende Bedeutung“
Den Denkmalwert begründet man mit der „herausragenden geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Bedeutung“. Zur Autobahn-Überbauung war es gekommen, weil Bauland im damaligen West-Berlin knapp war. Aus Sicht der Experten zeigt das Projekt den „utopisch-optimistischen Geist der Epoche“. Außerdem sei es den Architekten Georg Heinrichs, Gerhard Krebs und Klaus Krebs gelungen, „in einer städtebaulichen Großform eine Mischung unterschiedlicher Wohnungstypen und -größen zu integrieren“. Außergewöhnlich seien vor allem die vielen Terrassen.
Der Charlottenburg-Wilmersdorfer Baustadtrat Marc Schulte (SPD) sagt, die Anlage sei „natürlich etwas Besonderes“, er könne aber nicht beurteilen, ob der Baustil einen Denkmalschutz rechtfertige. Jedenfalls werde „die Hoffnung, die Müllschlucker zu retten, nicht erfüllt“. Deren Wiederinbetriebnahme könne so nicht erreicht werden.
Denkmalschutz für Gebäude aus den 1970er bis 1980er Jahren war in Berlin bisher unüblich. Gerade erst gab es jedoch eine Ausnahme, als das vom Architekten Gottfried Böhm gestaltete Wohnhaus Fasanenstraße 62 vor dem Abriss bewahrt wurde.