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Klappe auf für den Müll. Sonja Scholz kämpft mit Nachbarn in der Schlangenbader Straße für die Rettung der bundesweit einzigartigen Absauganlage.
© Cay Dobberke

Berlin-Wilmersdorf: Schicht im Schacht an der Schlangenbader Straße

Mieter der bekannten Wohnanlage über der Stadtautobahn gehen auf die Straße – für ihren Müllschlucker. Denn dem Vermieter Degewo und der BSR ist die praktische, aber aufwendige Anlage zu teuer.

Bequemer geht es kaum: Die rund 1400 Mieter der Autobahnüberbauung an der Schlangenbader Straße in Wilmersdorf müssen ihren Hausmüll nicht herunterbringen, sondern nur aus der Wohnung in den Flur treten und den Abfall dort in eine Klappe kippen.

Die Anlage ist eine der Besonderheiten in der als „Schlange“ bekannten Siedlung, die in den 70er bis 80er Jahren wegen knapper Bauflächen im damaligen West-Berlin über der Stadtautobahn entstanden war. Anders als bei einfachen Müllschluckern wird der Abfall hier durch ein 700 Meter langes Rohrsystem bis zu einer zentralen Station am Breitenbachplatz gesaugt, komprimiert und dann von der Stadtreinigung abgeholt.

Nun haben die Wohnungsbaugesellschaft Degewo und die BSR beschlossen, die Müllabsauganlage bis zum Jahresende wegen hoher Kosten schrittweise stillzulegen. Mieter sollen ihren Restmüll unten in Container werfen, wo schon jetzt Recyclingbehälter stehen. Doch einige Bewohner wehren sich gegen sich dagegen.

Jetzt gibt es eine Demo

Die langjährige Mieterin Sonja Scholz hat mit Dutzenden Mitstreitern die „Mieterinitiative Schlange“ gegründet, die zu einer Protestkundgebung aufruft (am Sonnabend, 21. März, von 11 bis 14 Uhr in der Wiesbadener Straße). Scholz argumentiert zum einen mit den Interessen von Senioren und Menschen mit Behinderungen in den bis zu 14 Etagen hohen Gebäuden.

Viel Beton. Die Degewo-Bauten an der Schlangenbader Straße und der Tunnel der Stadtautobahn darunter.
Viel Beton. Die Degewo-Bauten an der Schlangenbader Straße und der Tunnel der Stadtautobahn darunter.
© Cay Dobberke

Außerdem kritisiert sie die „Müllentsorgung über den Hof“. Jeden Tag falle eine Abfallmenge von zwei bis drei Tonnen an, künftig müssten BSR-Müllwagen mehrmals pro Woche in die begrünten Höfe fahren, was die Wohnqualität stark beeinträchtige.

Hohe Kosten und wenig Mülltrennung

Degewo-Sprecher Lutz Ackermann sagt, die auf eine Betriebszeit von 30 Jahren ausgelegte Anlage sei so stark reparaturbedürftig, dass nur ein Neubau die Probleme lösen könne – das aber würde bis zu vier Millionen Euro kosten. Die BSR lehne es ab, ihren Vertrag als Betreiber zu verlängern. Schon jetzt seien die Entsorgungskosten an der Schlangenbader Straße etwa doppelt so hoch wie im Durchschnitt aller Degewo-Siedlungen. Außerdem werde in der Regel weniger Müll getrennt, die Müllschlucker verleiteten offenbar dazu, allen Abfall hineinzuwerfen.

Degewo warnte vor höheren Mieten

Die Protestinitiative hat nach eigenen Angaben rund 700 Unterschriften gesammelt. Dennoch ist nicht klar, ob sie die Mehrheit der Bewohner vertritt, in Mieterversammlungen gab es es unterschiedliche Meinungen. Degewo-Vertreter hätten vor steigenden Betriebskosten gewarnt, sagt Scholz. Das habe wohl einige Nachbarn dazu gebracht, im Verzicht auf die Technik das geringere Übel zu sehen.

Das neue Müllkonzept ist noch nicht genehmigt

Stoppen können die Mieter die Veränderung wohl nicht mehr. Dennoch kämpft die Initiative weiter, weil es auch um eine verträglichere Form der Müllbeseitigung geht.

Die Ruhe bewahren. Mieter wollen verhindern, dass Müllwagen künftig in die Höfe fahren.
Die Ruhe bewahren. Mieter wollen verhindern, dass Müllwagen künftig in die Höfe fahren.
© Cay Dobberke

So schlagen die Kritiker eine Entsorgung über die Parkgaragen in den Häusern vor, wie bei sie den Recyclingbehältern schon üblich ist. Große Müllwagen können zwar nicht in die Garagen hineinfahren, aber aus Sicht der Initiative könnten Abfallcontainer mit Elektrokarren bis zur nächsten Zufahrt gebracht werden.

Alternative Ideen wünscht auch das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, Baustadtrat Marc Schulte (SPD) hat das neue Müllkonzept deshalb noch nicht genehmigt. Die alte Absaugtechnik hält allerdings auch er für überholt. Deutschlandweit ist die von einer schwedischen Firma erfundene Technik inzwischen einzigartig. Die letzte vergleichbare Anlage in einem Bonner Stadtteil wurde vor fünf Jahren wegen Mängeln im Rohrsystem geschlossen.

Abholservice an der Wohnungstür

Die Degewo plant einen individuellen Müll-Abholdienst für Mieter, denen es schwerfällt, Abfälle herunterzutragen. Das soll jeweils zwei Euro kosten. Für manche Sozialmieter könne das schon zuviel sein, glaubt Sonja Scholz

- Informationen der Mieterinitiative unter www.mi-schlange.de

Der Artikel erscheint auf dem Ku'damm-Blog, dem Online-Magazin für die westliche Innenstadt.

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