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Das Architektenbüro bfm (Piero Bruno) lieferte den Siergentwurf für eine 4-zügige modulare Grundschule und Sporthalle.
© Simulation: BFM
Update Exklusiv

Nur ein Baubeginn pro Quartal: Berlin kann den Zeitplan für die neuen Schulen nicht halten

Die modernen „Lernhäuser“ sollten neue Maßstäbe setzen – und schnell fertig werden. Aber das Konzept der Bauverwaltung scheint nicht aufzugehen.

Teurer, später, mittelstandsfeindlich: Das Herzstück der Berliner Schulbauoffensive mit bis zu 22 neuartigen Lernhäusern und Sporthallen ist längst kein Vorzeigemodell mehr. Schon sorgen sich die ersten Bezirke, ob die geburtenstarken Schülerjahrgänge überhaupt wie geplant ab Sommer 2022 untergebracht werden können.

Deutlich zeigt sich die Diskrepanz zwischen Ankündigung und Realität schon bei der Kostenentwicklung: Aus den 2019 angesetzten „Basiskosten“ von 26 Millionen Euro wurden bereits „voraussichtliche Gesamtkosten von 41 bis 47 Millionen Euro“, wie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Bauen mitteilte.

Dabei haben die Bauarbeiten noch nicht einmal begonnen, so dass mit weiteren Steigerungen zu rechnen ist. Als Grund werden Baukostensteigerungen und „standortbezogene Kosten“ genannt.

Mit dem Zeitrahmen verhält es sich ähnlich – auch er wird nach Informationen des Tagesspiegels nicht eingehalten. Die zu Beginn zuständige Bausenatorin Karin Lompscher (Linke) hatte 2019 zwar davon gesprochen, dass mit dem Bau 2020 begonnen werde und man mit elf Schulen nach zwei Jahren fertig sei.

Nun teilte teilte die Sprecherin von Lompschers Nachfolger Sebastian Scheel (Linke) auf Anfrage mit, dass der Baubeginn für die erste Schule in Pankow im Mai 2021 erfolge. Die Bauzeit sei mit 18 Monaten angesetzt. Somit kann sie nicht wie erwartet im August 2022 verfügbar sein, sondern rechnerisch frühestens im November 2022 – zu spät für die vielen Erstklässler, die im Sommer 2022 kommen.

Marzahn-Hellersdorf muss bis 2023 warten - und steht auf Platz 3

Die anderen Bezirke trifft es allerdings noch viel härter als Pankow, denn der Baubeginn für die Schulen erfolgt in Vierteljahresschritten. Das aber bedeutet, dass Marzahn-Hellersdorf etwa mindestens bis Mai 2023 warten muss, denn seine Schule am Naumburger Ring ist erst die dritte auf der Liste.

In der Kategorie 3-zügig, also eine Grundschule mit jeweils drei Parallelklassen, ging der 1. Preis an das Büro h4a Gessert + Randecker.
In der Kategorie 3-zügig, also eine Grundschule mit jeweils drei Parallelklassen, ging der 1. Preis an das Büro h4a Gessert + Randecker.
© Simulation: h4a Gessert + Randecker Architekten

Die anderen Schulen verspäten sich entsprechend. Der Grund dafür, dass nur alle drei Monate mit einem Bau begonnen werden kann, besteht darin, dass die Bauverwaltung den Auftrag an einen einzigen Generalunternehmer vergeben hat, der die Projekte nach und nach beginnen will.

Alle zusammen ausgeschrieben: Absage an den Mittelstand

An dieser Auftragsvergabe entzündet sich Kritik, denn es gibt in ganz Berlin keinen mittelständischen Betrieb, der die Anforderungen der Bauverwaltung für diesen Mammutauftrag erfüllen könnte. Die Fachgemeinschaft Bau hatte daher gefordert, nicht alle Schulen zusammen auszuschreiben, sondern kleinere „Lose“ aus wenigen Schulen, die für ein einzelnes Unternehmen zu stemmen gewesen wären. Dies aber lehnte die Bauverwaltung ab, wobei sie argumentiert, dass es mit einem Generalunternehmer schneller gehe.

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Diese Behauptung wird bezweifelt, denn die Zeitverzögerung entsteht nicht nur durch den versetzten Baubeginn jeder einzelnen Schule, sondern fußte bereits auf der Ausschreibung: Es fanden sich unter den von der Bauverwaltung vorgegebenen Konditionen nur zwei Bieter und beide waren der Behörde zu teuer. Das Vergabeverfahren musste daher aufgehoben und es musste nachverhandelt werden.

Subunternehmerketten hebeln rot-rot-grüne Standards aus

Dieses Vorgehen aber kostete nicht nur Zeit, sondern verengte auch den gesetzlich vorgeschriebenen Wettbewerb, mahnt die Geschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau, Manja Schreiner. Dass der Zuschlag letztlich an ein Unternehmen mit 1300 Mitarbeitern aus Bayern gegangen sei, zeige „einmal mehr, dass die Schulbauoffensive des Senats an der mittelständischen Bauwirtschaft in Berlin und Brandenburg vorbeigeht“.

Die Zahl der Schüler steigt - und Pankow ist immer oben.
Die Zahl der Schüler steigt - und Pankow ist immer oben.
© pa/dpa; Fabian Bartel

Zudem weisen Baufachleute darauf hin, dass Rot-Rot-Grün auf der einen Seite zwar einen ambitionierten Vergabemindestlohn gesetzlich eingeführt hat, gleichzeitig aber durch derartige Ausschreibungen die Gefahr vergrößert, dass durch Subunternehmerketten der Vergabemindestlohn und andere Sozialstandards ausgehebelt werden.

Nichts gelernt aus dem Reinfall bei der Kita-Ausschreibung?

Dass dieses Verfahren erneut gewählt wurde, obwohl es bereits bei der Ausschreibung von modulen Kitabauten (Mokibs) gescheitert war, verwunderte nicht nur die Fachgemeinschaft Bau: Die Mokib-Plätze hatten sich im Laufe des Verfahrens im Preis mehr als verdoppelt: von 25.000 auf 53.000 Euro pro Platz oder sogar mehr als 60.000 Euro - je nach Rechnung.

Zudem wurde über die Hälfte der 3300 Plätze nicht gebaut, weil sich kein Generalunternehmer fand. Das Geld sollte dann freien Trägern gegeben werden, die kostengünstiger bauen können.

Die Grünen bedauern die Festlegung auf serielles Bauen

Noch ist nicht absehbar, wann das besagte „Herzstück“ der Schulbauoffensive mit insgesamt bis zu 22 Grundschulen fertig sein wird. Denn die bisherige Auftragsvergabe bezog sich nur auf die „sechs bis zwölf“ größeren Grundschulen. Die „fünf bis zehn“ kleineren sind davon bislang gar nicht berührt: Für sie ist das Vergabeverfahren noch gar nicht abgeschlossen. Die Vergabe solle "Ende April/Anfang Mai erfolgen", teilte die Behörde mit.

Ob sich diesmal passende Bieter finden, bleibt abzuwarten: Die Latte wurde abermals von der Bauverwaltung hoch gehängt. Wie schon bei der vierzügigen Schule soll nur ein Generalunternehmen zum Zuge kommen, dass mindestens 60 Millionen Euro Umsatz im Jahr hat. In jedem Fall werden die Schulen noch später begonnen als der größere Typ.

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„In der Zeit hätten wir auch schöne, kreative Schulen bauen können zusammen mit den vielen interessierten Berliner Unternehmen und Architekt:innen. Schlüsselfertig und zum Festpreis“, bedauert die grüne Schulbauexpertin Stefanie Remlinger, die nicht nur die Entscheidung für einen Generalunternehmer kritisiert, sondern auch die Festlegung auf serielle Typenbauten. Der Ansatz des Typenbaus sei „mitnichten ein Garant für Schnelligkeit und Kostengünstigkeit“.

Die Schulbauoffensive startete 2016

Die – zunächst – auf fünf Milliarden Euro angesetzte Schulbauoffensive wurde 2016 von der SPD begründet. Sie besteht aus zwei Feldern: aus dem Neubau von rund 65 Schulen, um die geburtenstarken Jahrgänge aufzunehmen, und den Sanierungen der in den Sparjahren heruntergewirtschafteten Schulen.

Der Sanierungs- und Neubaubedarf wurde zunächst auf fünf Milliarden Euro geschätzt, aber das reicht nicht.
Der Sanierungs- und Neubaubedarf wurde zunächst auf fünf Milliarden Euro geschätzt, aber das reicht nicht.
© Kai-Uwe Heinrich

Zunächst ging es vor allem darum, schnell Platz zu schaffen: Rund 100 modulare Ergänzungsbauten entstanden. Es folgte das "Modellprojekt beschleunigter Schulbau" (Mobs), in dessen Rahmen etwa die Sekundarschule in Mahlsdorf entstand. Die jetzige „Tranche“ besteht aus rund 20 Grundschulen, die die Bauverwaltung errichten lässt. Es folgen Oberschulen, die die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge baut.

Die ersten Grundschulen, die jetzt im Rahmen des Grundschulprogramms der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gebaut werden sollen:

Großer Typ (vierzügig):

  • Pankow: Karower Chaussee und Rennbahnstraße
  • Marzahn-Hellersdorf: Naumburger Ring
  • Mitte: Adalbertstraße und Reinickendorfer Straße
  • Friedrichshain-Kreuzberg: Nostitzstraße

Kleinerer Typ (dreizügig):

  • Pankow: Conrad-Blenkle-Straße und Alt-Blankenburg
  • Lichtenberg: Schleizer Straße, Blockdammweg und Hauptstraße
  • Neukölln: Koppelweg

Das sei "ein Schlag ins Kontor", sagt der Bildungsstadtrat

Das schnell wachsende Marzahn-Hellersdorf mit seinen vielen Schülern ist alarmiert darüber, dass - bedingt durch den versetzten Baubeginn - seine Schule am Naumburger Ring erst an dritter Stelle "rankommt". Bildungsstadtrat Gordon Lemm (SPD) sagte dem Tagesspiegel, die Verzögerung sei "ein Schlag ins Kontor": Alle umliegenden Schulen seien schon voll.

Eine parlamentarische Anfrage durch die SPD-Abgeordnete Iris Spranger ergab unterdessen, dass noch unklar ist, ob für den Übergang en Container beschafft werden kann. Das sei nur möglich, sofern die Finanzierung durch das Land bereitgestellt werde, teilte Bildungs-Staatssekretärin Beate Stoffers Spranger mit.

"Anstatt schnell zu bauen und zu sanieren, gerät R2G nun in die Defensive"; schlussfolgerte FDP-Bildungsexperte Paul Fresdorf. Die gewählte Organisationsstruktur sei "nicht geeignet, um schnell erfolgreich und effektiv zu sein". Zudem sei "von Beginn an klar gewesen, dass das Geld nicht ausreichen wird, da die normale Baukostensteigerung nicht mitbedacht wurde".

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