Berlin-Mitte: Berlins Zentrum bekommt wohl einen grünen Bürgermeister
Nachdem sich die SPD lange gesträubt hatte, scheinen die Genossen nun ihre Niederlage zu akzeptieren. Stephan von Dassel beerbt damit Christian Hanke.
Rein mathematisch ist alles klar. Grüne und SPD haben in der neuen Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Mitte jeweils 14 Sitze, ergibt eine Mehrheit in der BVV mit einer Stimme Vorsprung. Die Linke kommt auf zehn Sitze, die CDU auf sieben, die AfD auf fünf, die FDP auf drei, die Piraten kommen auf zwei. Und auch die Frage, wer das wichtigste Amt im Bezirk besetzen wird, ist mehr oder weniger geklärt. Linke und die SPD werden Stephan von Dassel (Grüne), bisher Stadtrat für Soziales und Bürgerdienste, zum neuen Bürgermeister wählen.
SPD stellt Bedingungen für Bürgermeister-Amt
„Die Grünen sind stärkste Partei, da ist es für uns klar, dass der Bürgermeister auch aus dieser Partei kommt“, sagt Thilo Urchs, Fraktionsvorsitzender der Linken in der BVV. Die SPD tut sich mit ihrer Zustimmung dagegen erheblich schwerer. Boris Velter, der Kreisvorsitzende der SPD in Mitte, sagt fast widerwillig: „Wir haben beschlossen, dass es keinen gangbaren Weg gibt, den Bürgermeister zu stellen, das würde bloß zu Problemen führen.“ Christian Hanke (SPD), bisher Bürgermeister und zugleich als Stadtrat zuständig für Gesundheit, Personal und Finanzen, muss den Chefsessel räumen.
Denn die Grünen bestehen auf dem Bürgermeisterposten. Allerdings verlangt die SPD einen Preis für ihre Unterstützung in der Personalie von Dassel. Denn es läuft auf eine Zählgemeinschaft mit den Grünen hinaus, die bisherige Zählgemeinschaft SPD/CDU ist Geschichte. Der Preis, den die SPD fordert, heißt: Stadtentwicklungs-Ressort. Die SPD möchte den Nachfolger von Stadtrat Carsten Spallek (CDU) stellen. „Wir wollen ein Ressort, bei dem wir sozial und baulich gestalten können“, sagt Velter.
Bis jetzt verantwortet die SPD neben Hankes Bereichen noch die Gebiete Jugend, Schule, Sport und Facility Management. Zuständige Stadträtin ist Sabine Smentek. Aber aufgrund des Wahlergebnisses steht der SPD nun nur noch ein Stadtratsposten zu.
Linke und SPD wollen Ressort für Stadtentwicklung
Nach Informationen des Tagesspiegel ist für die SPD das Ressort Stadtentwicklung „nicht verhandelbar“. Die Grünen nahmen diese Ankündigung emotionsarm zur Kenntnis. „Unsere Priorität liegt bei Finanzen und Umwelt“, sagt Sabine Weißler (Grüne), Stadträtin für Bildung, Kultur, Umwelt und Naturschutz und Mitglied der Verhandlungskommission der Grünen. Weniger emotionsarm reagiert die Linke auf die SPD-Position. Die Linke, die Anspruch auf einen Stadtratsposten hat, hätte gerne selber dieses Ressort. „Aber der Ball“, sagt Urchs, „liegt bei der SPD.“ Die kann mehr als fordern, weil sie mehr Stimmen hat als die Linke. Und weil die SPD hart bleibt, kommt keine Zählgemeinschaft SPD, Grüne und Linke zustande. Die Grünen hätten diese Kombination gerne, weil dann die Mehrheit in der BVV nicht mehr so knapp wäre. Doch die Linke ist ebenfalls konsequent: Ohne Zuschlag für die Stadtentwicklung, sagt Urchs, werde es wohl keine Zusammenarbeit mit SPD und Grünen geben. Sabine Weißler sieht’s pragmatisch: „Wir können die Linken ja nicht zwingen.“
Hanke und Smentek streiten um Stadtratsposten
In der SPD herrscht nun ein Duell um den Stadtratsposten, den sie besetzen darf. Hanke gegen Smentek. Favorisiert ist niemand. Hanke ist innerparteilich umstritten, auch weil er in der vergangenen Legislaturperiode lieber eine Zählgemeinschaft mit der CDU eingegangen ist als mit den Grünen, Smentek wird für den maroden Zustand der Schulen in Mitte mitverantwortlich gemacht.
SPD-Kreischef Velter hält sich bei Personalien bedeckt. „Am 18. Oktober tagt der Kreisvorstand, es ist noch unklar, ob wir eine Empfehlung an die Kreisdelegiertenversammlung abgeben.“ Möglicherweise kommt es ja sogar zu einer Kampfabstimmung. „Ich kann niemandem verbieten, dass er kandidiert“, sagt Velter. Die 130 Mitglieder der Kreisdelegiertenversammlung treffen sich am 22. Oktober. Wenn Smentek und Hanke gegeinander antreten, wird geheim abgestimmt.
Auf jeden Fall steht die Frage der Zählgemeinschaft auf der Tagesordnung. Die Delegierten müssen darüber abstimmen, mit welcher Partei die SPD zusammenarbeitet. Nach jetzigem Verhandlungsstand sind es die Grünen. Am 27. Oktober konstituiert sich die neue BVV. Die CDU ist bei diesem ganzen Spiel außen vor. Die Grünen hatten mit ihr bislang lediglich einen, politisch wenig bedeutsamen, Termin. Und die AfD steht sowieso nicht zur Debatte. „Mit der reden wir gar nicht, sagt Sabine Weißler.“