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Wohnraum ist knapp, egal ob historischer und moderner Wohnraum wie hier an der Frankfurter Allee im Bezirk Lichtenberg.
© Wolfgang Kumm/dpa

Niedrigere Mietpreise, aber weniger Wohnungen: Berlins Wohnungsmarkt bleibt trotz Mietendeckel angespannt

Im Mittel ist die Miete in Berlin um 31 Cent gesunken. Trotzdem steigt sie schneller als die Einkommen der Berliner - und es wird zu wenig neu gebaut.

Die Pandemie hat die Lage an Berlins Wohnungsmarkt nicht entspannt. Vielmehr steigen Mieten und Kaufpreise von verfügbaren Wohnungen kräftig – und das inzwischen auch im Umland. Die Warnungen der Deutschen Bank sowie der Pfandbriefbank, wonach Immobilien überbewertet seien und eine Korrektur drohe, verpufften.

Denn in Berlin reichen die zuletzt knapp 19.000 neu fertiggestellten Wohnungen jährlich nicht aus, um die vielen neu zugezogenen Menschen sowie die auf mehr Wohnraum angewiesenen Haushalte zu versorgen.

Die Kappung der Mieten durch den Mietendeckel hat zwar die in Berlin ansässigen Haushalte entlastet. Zugleich brach aber das Angebot verfügbarer Wohnungen um ein Viertel ein, was die Wohnungssuche von Neu-Berlinern zusätzlich erschwert. In der Innenstadt verlangen Vermieter „fast flächendeckend 13 Euro je Quadratmeter“.

Berlinweit sei die „Median“-Miete auf 10,14 Euro je Quadratmeter geringfügig um 31 Cent gesunken. Die Angebotsmieten im Neubau betragen 15,25 Euro je Quadratmeter.

Dies zählt zu den wichtigen Ergebnissen des „Wohnungsmarktberichtes 2020“ der landeseigenen Förderbank IBB, der am Montag vorgestellt wurde. Bemerkenswert darin auch, dass die Forscher in einer Stichprobe von 250 angebotenen Wohnungen nur bei einem einzigen Inserat sicher feststellen konnten, dass die geforderte Miete innerhalb der Grenzen des Mietendeckels lag. Bei drei Vierteln aller Wohnungsinserate seien höhere Mieten verlangt worden als das Gesetz es zulässt.

Laut Wohnen-Senator Sebastian Scheel (Linke), der bei der Vorstellung des Berichts zugeschaltet war, schreiben Mitarbeiter seiner Verwaltung Vermieter in solchen Fällen an. Strafbar seien diese Fälle erst, wenn ein Mietvertrag abgeschlossen ist und gegen das Gesetz zur Mietendeckelung verstößt.

Ein Verfasser des IBB-Berichts erklärte die höheren Mieten in den Inseraten damit, dass Hauseigentümer die alte Miete nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch angeben mit dem Hinweis auf die ausstehende Prüfung des Mietendeckels durch das Bundesverfassungsgericht. In den Verträgen werde dann die zurzeit geltende Deckel-Miete gefordert. Solche Klauseln sind Scheel zufolge rechtens.

Keine Mieterhöhung von landeseigenen Firmen

Mieter landeseigener Wohnungsgesellschaften müssen in der Coronakrise vorerst keine Erhöhungen befürchten. Wie Scheel sagte, werde eine entsprechende Regelung bis Ende September verlängert. Unter den Vermietern führt der Mietendeckel nicht zur befürchteten Welle von wirtschaftlichen Schieflagen. IBB-Chef Jürgen Allerkamp zufolge wurden bis Ende März 1150 Anträge auf Härtefall von Immobilieneigentümern gestellt, die insgesamt 6500 Wohnungen besitzen.

Für die Mieter hat sich wenig verändert: „Der Markt ist angespannt“, sagt IBB-Chef Jürgen Allerkamp. Zwar seien die Angebotsmieten berlinweit auf 10,14 Euro je Quadratmeter im Median zurückgegangen. Zugleich habe es einen „starken Rückgang der Angebote“ gegeben von Wohnungen im Vergleich zur Zeit vor Corona und der Einführung des Mietendeckels.

Scheel sieht "Erfolg der Politik"

Für Scheel ist der Rückgang der mittleren Miete ein „Alleinstellungsmerkmal Berlins unter den sieben größten Städten in Deutschland“ und der „Erfolg der Politik“ von R2G. Erstmals sei auch das Verhältnis zwischen der Zahl der in die Stadt gezogenen Haushalte sowie der neu gebauten Wohnungen „ausgeglichen“. Berlin habe trotz der Pandemie nicht an Attraktivität verloren.

300000 Menschen zusätzlich in Berlin, 30000 jährlich – Berlin wuchs um die Größenordnung von ganz Bielefeld in zehn Jahren, sagt Arnt von Bodelschwingh, der die Studie verantwortet. Ende 2019 lebten 3,67 Millionen Menschen in Berlin, 24 700 mehr als ein Jahr zuvor. Das gebremste Mietenwachstum Berlins werde inzwischen vom Umland übertroffen.

Menschen im besten beruflichen Alter meiden Berlin

Berlin machte zuletzt der Zuzug von Studierenden und „Young Professionals“ Sorgen. Erstmals trage nicht mehr die Gruppe der 30- bis 45-jährigen das Wachstum, also die im Beruf stehenden Menschen. Dem Zuwachs der Bevölkerung stehe ein robuster Wohnungsbau von 26 000 genehmigten Wohnungen „in der Metropolenregion“ gegenüber, fast 19 000 davon in Berlin, weitere 7000 im Umland. Überwiegend entstünden Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern. Einfamilienhäuser spielten kaum eine Rolle.

Die Bestandsmieten sanken im Jahr 2020 auf 9,87 Euro je Quadratmeter im 4. Quartal. Erstmals seit drei Jahren auf unter 10 Euro je Quadratmeter, ein Rückgang um 30 Cent. Wesentlich mehr als zuvor bezahlt, wer einen Neubau mietet: 15,26 Euro je Quadratmeter.

Neubauten unterliegen nicht dem Mietendeckel. Wer kaufen wollte, zahlte im Berichtsjahr 2019 knapp 6000 Euro je Quadratmeter für eine neu gebaute Wohnung und 4850 Euro für eine gebrauchte Immobilie. Die Differenz zwischen den Preisen gebrauchter und neuer Immobilien schrumpfe. Die Preise von Bestandsobjekten seien um mehr als sechs Prozent gestiegen.

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Die staatliche Regulierung der Mieten durch deren Deckelung ändert am Grundproblem wenig: Seit dem Jahr 2015 sei die Bevölkerung um vier Prozent gewachsen, der Wohnungsbestand dagegen nur um 3,4 Prozent. Mehr Wohnungen, aber eben auch noch mehr Menschen in Berlin – der Neubau „reicht nicht aus, um die Lücke zu schließen“, sagt Bodelschwingh. Zumal die Mieten stärker gestiegen seien als die Einkommen.

Allerdings sind die Grenzen des Mietenwachstums erreicht: Im Berichtsjahr 2019 seien die Mieten nicht mehr gestiegen, sondern geringfügig gesunken. Positiv bewertet der Bericht auch den kräftig gewachsenen Neubau von Wohnungen. „Berlin liegt auf dem Niveau von München und Hamburg“, sagt Bodelschwingh – und der Anstieg sei konstant seit dem Jahr 2015. Seit der Wende seien nur in zwei anderen Jahren mehr Wohnungen gebaut worden als im Jahr 2019.

Bevölkerung wächst schneller als Wohnungsbestand

Dass der Trend anhält, dafür sprich der „Überhang“ von genehmigten Wohnungen, die noch nicht fertiggestellt sind: Dieser stieg geringfügig auf 65803 im Jahr 2019 von 64083 im vergangenen Jahr.

Der Neubau erfolge unter erschwerten Bedingungen, weil weniger Bauland als vor zehn Jahren zur Verfügung steht, die Vorschriften und Normen beim Bauen erschwerten die Aufgabe und die Baupreise seien kräftig gestiegen. Und während im Jahr 2006 noch 80 Prozent der neu errichteten Objekte Einfamilienhäuser waren, seien es heute zu 80 Prozent Mehrfamilienhäuser.

Der baupolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Stefan Förster, sagte: „Die steigenden Preise für Häuser und Wohnungen auf dem Berliner Immobilienmarkt sind ein Indikator dafür, dass die Stadt die Nachfrage nach Grundstücken oder Wohnungen einfach nicht abdecken kann und somit die Preise immer weiter anziehen“. Wer in der Stadt nicht investiere, verwalte nur den Mangel.

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