"E-Government@school": Berlins Schul-BER hat schon 43 Millionen gekostet
Seit sieben Jahren warten 750 öffentliche Schulen in Berlin auf ein modernes IT-System für die Verwaltung. Nun werden längst ausgelieferte Server erst mal wieder abgeholt.
Vielleicht sollte man diesen Augenblick filmen: Wenn in dieser Woche ein Auto vorm Lessing-Gymnasium in Wedding vorfährt und den 10.000-Euro-Server abholt, der dort ein paar Jahre nutzlos vor sich hinbrummte. Für den eigens ein Raum hergerichtet und eine Klimaanlage installiert wurde – mit Lüftungsschacht vom Erdgeschoss bis aufs Dach. Dieser leere Raum wäre dann eine Art Mahnmal für ein Millionengrab namens E-government@school, das in den Schulen und im Abgeordnetenhaus längst unter dem Namen „Schul-BER“ abgeheftet wurde.
Denn das, was in dieser Woche an dem Weddinger Gymnasium passiert, ist kein Einzelfall, sondern betrifft – auf unterschiedliche Art – jede der 750 öffentlichen Schulen, die seit 2009 auf den technischen Fortschritt warten: Sieben Jahre später gibt es weder die versprochene einheitliche IT-Plattform für das Berliner Schulwesen noch die automatisierte Schülerdatei.
Unklar, wann die Schule mit einheitlicher Software arbeiten können
Inzwischen geht selbst die Bildungsverwaltung davon aus, dass die Schulen erst Ende 2018 mit einer einheitlichen Software arbeiten können. Geplant ist eine Gesamtanpassungsdauer von 2,5 Jahren, bis alle Funktionalitäten für alle Schularten realisiert sind“, teilte die Sprecherin von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) auf Anfrage mit.
Allerdings ist auch dieser Zeitplan gewagt, denn die Haushaltsmittel für die beschlossene Umsteuerung des Projektes sind gesperrt, weil die Bildungsverwaltung noch einen Bericht schuldig ist. „Es wird um Fristverlängerung bis zur Sitzung am 22. Juni gebeten, da die erforderlichen Abstimmungen zwischen den Verwaltungen noch nicht abschließend erfolgen konnten“, teilte die Bildungsverwaltung jetzt den erstaunten Mitgliedern des Hauptausschusses mit. Der grüne IT-Verwaltungsfachmann Thomas Birk geht daher davon aus, dass zweieinhalb Jahre nicht reichen werden für die komplette Umstellung. Birk rechnet damit, dass die Schulen erst ab 2020 eine gemeinsame IT-Basis für die Datenverarbeitung haben werden.
Bis dahin müssen sich Rektoren und Behörden ihre „Excel-Tabellen am Telefon vorlesen, um sich auf den Lehrerbedarf zu einigen“, wie ein Schulleiter kürzlich bei einer Anhörung zum Besten gab. Das Desaster rund um die Entwicklung eines einheitlichen IT-Systems für die Berliner Schulen gehört zum Erbe des vorigen Bildungssenators Jürgen Zöllner (SPD). Er setzte aus Gründen der Datensicherheit auf ein dezentrales System mit großen 10.000- Euro-Servern an jeder einzelnen Berliner Schule. Noch bevor alle Server ausgeliefert waren, wurde der inzwischen von der Entwicklung überholte Ansatz zugunsten einer zentralen Lösung eingestampft, weshalb die größtenteils nie benutzten Server nun wieder – wie am Lessing-Gymnasium – abgeholt oder für andere Zwecke genutzt werden.
Auch im Parlament gibt es inzwischen nur noch Schulterzucken
Der Landesrechnungshof bezifferte die finanziellen Nachteile bereits 2015 auf „bis zu 16 Millionen Euro“, obwohl damals noch nicht einmal feststand, dass Zöllners dezentraler Ansatz aufgegeben würde. Wie hoch der Gesamtschaden jetzt ist, kann niemand sagen, zumal die Ausgaben der Bezirke für die klimatisierten Serverräume nicht systematisch erfasst wurden. Bekannt ist nur, dass bereits rund 43 Millionen Euro ausgegeben wurden, ohne dass Berlin dem Ziel einer modernen Schulverwaltung nahe gekommen ist.
Nicht nur in den Schulen, sondern auch im Parlament gibt es inzwischen nur noch Schulterzucken beim Thema „IT und Schule“. Birk ist inzwischen der einzige, der noch mittels Anfragen versucht, Transparenz in die Abläufe zu bringen. Aber auch für Birk steht am Ende der Legislaturperiode fest, „dass E-Government@school Scheeres’ BER ist: Während andere Bundesländer wie Bremen schon eine webbasierte Schulmanagementlösung für alle Schulen haben, die Schulverwaltung und Bildungsangebote verbindet, kriegt Berlin nicht mal die Einrichtung einer einheitlichen Schulverwaltungssoftware hin. Peinlich für eine Stadt, die IT-Hauptstadt sein will“, bilanziert Birk den seit sieben Jahren andauernden Versuch, die Schulen mit einer einheitlichen IT-Plattform zu versorgen.
Susanne Vieth-Entus