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Millionen-Segen für Mieter, die mit der Diese eG ihr Haus kauften, zum Beispiel in der Boxhagener Straße.
© Kai-Uwe Heinrich
Update

Millionen an „Regularien“ vorbei: Berliner Stadtentwicklungsverwaltung machte „Diese eG“-Finanzierung erst möglich

Politischer Wille und Aufhebung von Regularien ermöglichten die Millionen-Förderung der Genossenschaft – erklärt IBB-Chef Allerkamp im Untersuchungsausschuss.

Ohne den Eingriff der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen wäre die Finanzierung der umstrittenen Genossenschaft "Diese eG" nicht möglich gewesen, als diese in finanzielle Schwierigkeiten geraten war. Die landeseigene Förderbank IBB sah die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben, nachdem sie die gemeinsam mit dem Senat festgelegten "Kriterien für Wirtschaftlichkeit" angesetzt hatte. Das sagte IBB-Chef Jürgen Allerkamp bei der siebten Sitzung des Untersuchungsausschusses zur Prüfung der Affäre um die Diese eG.

Die beiden Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg sowie Tempelhof-Schöneberg hatten zugunsten der neu gegründeten Genossenschaft sieben Mal das Vorkaufsrecht für Wohnhäuser ausgeübt, obwohl die Finanzierung nicht gesichert war. In zwei Fällen konnte die Diese eG den Kaufpreis zunächst nicht bezahlen und stand kurz vor der Pleite. Nur private Hilfen sowie staatliche Subventionen konnten die Insolvenz abwenden. Letztlich rettete der politische Willen und die Veränderung von Prüfungs-"Parametern" durch die Senatsverwaltung unter Leitung von Senator Sebastian Scheel (Linke) die Genossenschaft.

"Ich habe eine politische Entscheidung treffen müssen", sagte der ebenfalls als Zeuge geladene Wohnen-Senator Sebastian Scheel. Auf Nachfrage bestätigte er, sich dabei auch über Warnungen vor den Risiken des Projektes von Mitarbeitern in einem "Begleitvermerk" hinweggesetzt zu haben. Widerstand gegen die Unterstützung des politisch gewollten Vorhabens gab es deshalb, weil gleich mehrere "Parameter" bei der Berechnung der Wirtschaftlichkeit korrigiert werden mussten: Die Risiken hoher Zinsen in der Zukunft, das nicht vorhandene "Eigenkapital" sowie die Höhe der erforderlichen Rücklagen für die Instandhaltung der sanierungsbedürftigen Häuser.

Weil die der IBB vom Senat selbst auferlegten Prüfungskriterien für diesen Sonderfall Diese e.G. ausgesetzt wurden, enthielt sich die IBB bei der Abstimmung über die Förderung der Genossenschaft im zuständigen Ausschuss. Eine solche Enthaltung sei "die große Ausnahme", sagte IBB-Chef Allerkamp. Er konnte aus seiner langjährigen Tätigkeit nicht einen anderen konkreten Fall einer Enthaltung der IBB bei einem Förderprojekt erinnern. Die Diese eG-Förderung sei "nach den Regularien" der IBB nicht möglich gewesen, da die Genossenschaft kein wirtschaftliches Konzept habe vorlegen können.

Allerdings sei es Aufgabe der IBB, "den politischen Willen real umzusetzen", sagte Allerkamp. Deshalb habe er sich der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung "nicht in den Weg gestellt". Die "Hoheit" über die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Diese eG zog die Verwaltung unter Linken-Politiker Scheel an sich.

Allerkamp sagte, dass es feststehende "Richtlinien" für die Förderung von Objekten wie im Fall der Diese eG gebe. Diese sehen bei der Bewertung des Risikos die Prüfung beispielsweise vor, ob die Diese eG mit ihren Mieteneinnahmen ihre Schulden auch bei einem Zins von sechs Prozent bezahlen könne.

Ging der Griff in den Fördertopf mit rechten Dingen zu?

Konnte sie nicht: "Die Wirtschaftlichkeit der Objekte war (unter diesen Voraussetzungen; Anm. d. Red.) nicht gegeben", sagte Allerkamp. Erst durch die Absenkung des prognostizierten Kreditzinses auf vier Prozent durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sei die Frage der Wirtschaftlichkeit "klar mit Ja zu beantworten" gewesen.

Hintergrund: Immobilien-Schulden werden über Jahrzehnte zurückgezahlt, die Höhe der Zinsen auf die Schulden verändert sich in diesem Zeitraum, steigen sie stark, kann die Finanzierung schwierig werden. Dieses Risiko belastet die Diese eG.

Berlins Senator für Stadtentwicklung und Wohnen Sebastian Scheel (Linke).
Berlins Senator für Stadtentwicklung und Wohnen Sebastian Scheel (Linke).
© Doris Spiekermann-Klaas

Hatte Scheel das politisch Wünschenswerte über das durch seine Amtsausübung Gebotene gestellt? Und welche Rolle spielte er bei der Rettung der vor der Pleite stehenden Diese eG?

Die Genossenschaft hatten erst Darlehensförderungsverträge über 22 Millionen Euro sowie Landeszuschüsse über knapp 1,5 Millionen Euro von der landeseigenen IBB vor einer Pleite bewahrt. Ein tiefer Griff in die Fördertopf – aber ging der mit rechten Dingen zu?

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Zu dieser sowie der entscheidenden Frage, ob die Koalition für die "aus dem Nichts entstandene" (Scheel) Diese e.G. ein Maß geschneidertes eigenes Sonder-Förderungsrecht schuf - und wie sich das mit dem Gleichheitsgrundsatz verträgt - äußerten sich die Vertreter der Koalition nur ausweichend. Mikael Nelken (Linke) sagte, "alle Förderbedingungen sind eingehalten worden". Und das politische Risikos des "Supergaus einer Insolvenz" sei abgewendet worden. Tatsächlich hätten die Bewohner der Häuser im Falle einer Insolvenz ihre Geld-Einlagen verloren und unter Umständen auch ihre Wohnungen, die dann wieder am Markt gehandelt würden. Von einem "politischen Kredit ohne Deckung, die eine Bank niemals ausgeben würde" sprach Bernd Schlömer von der FDP. Dagegen sagte Christian Hochgrebe von der SPD, weil es nach den "starren Bedingungen" der als Behörde agierenden IBB "anfangs geknirscht hat, justiert man nach, das ist das Allernormalste"

Der Rechnungshof hatte bei der Prüfung des Ankaufs der sechs Wohnhäuser durch die Diese eG ein „pflichtwidriges Ausüben von Vorkaufsrechten“ durch den Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt, festgestellt. Der Grünen-Politiker habe nicht ausreichend geprüft, ob die kurz zuvor gegründete Genossenschaft überhaupt die finanziellen Voraussetzungen für den Erwerb der Immobilien mitbringt.

 Jürgen Allerkamp (63) ist seit Anfang 2015 Chef der Investitionsbank Berlin (IBB), der Förderbank des Landes Berlin.
Jürgen Allerkamp (63) ist seit Anfang 2015 Chef der Investitionsbank Berlin (IBB), der Förderbank des Landes Berlin.
© Investitionsbank Berlin

Das tat sie nicht: Die Diese eG konnte in zwei Fällen den Kaufpreis zunächst nicht bezahlen. Dadurch sei dem Bezirk ein Schaden über 270.000 Euro entstanden. Dabei sei in einem bezirksinternen Hinweis die finanzielle Klärung angemahnt worden – vergeblich. Nun bestehe ein Haftungsrisiko über 27 Millionen Euro.

Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) hatte bei einer früheren Anhörung des Ausschusses ausdrücklich die Sichtweise des Rechnungshofes geteilt. Kollatz hatte vor der Ausübung des Vorkaufsrechtes gewarnt, weil zu dem Zeitpunkt noch gar kein Beschluss zur Förderung von Genossenschaften vorlag. Ohne Fördermittel drohte der Diese eG die Insolvenz.

Auch Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte als Zeuge im Ausschuss die Ausübung des Vorkaufsrechts einen "unüblichen Vorgang" genannt, den er "nicht gemacht" hätte. Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hätten sich die Verantwortlichen „nicht rechtskonform, man kann auch rechtswidrig an einigen Stellen sagen“, verhalten.

Im Kern geht es um diese Frage, ob die Gründung der Diese eG und deren reichhaltige Ausstattung mit öffentlichen Fördermitteln zum politisch erwünschten Erwerb von Miethäusern ein Fall rot-rot-grüner Patronage ist – oder es sich um ein Beispiel einer dem Gemeinwohl verpflichteten neuen Wohnungspolitik handelt, die von Vertretern der Opposition in Verruf gebracht werden soll.

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