Ergebnisse der Wahlanalyse: Berliner SPD fehlen Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Profil
Eine SPD-interne Arbeitsgruppe legt eine kritische Analyse der Parteipolitik und des Wahlkampfs vor. Schon 1999 wurde nach einem ähnlich schlechten Wahlergebnis der Ruf nach Erneuerung laut.
Es war alles schon mal da: „Die Berliner SPD braucht Veränderung“ – so hieß es im Parteibeschluss. Als Konsequenz aus dem Wahlergebnis, das eine schwere Niederlage sei, werde der Berliner SPD-Landesverband ein Programm zur „Reform der konzeptionellen Arbeit, der Organisation und des Erscheinungsbildes“ starten. Alle Parteigliederungen seien aufgefordert, die Erneuerung aktiv mitzugestalten. Dieser Beschluss wurde nicht auf der Klausurtagung des SPD-Landesvorstands am Dienstag gefasst, sondern auf einem außerordentlichen Landesparteitag der Sozialdemokraten im November 1999. Lesen Sie hier die Wahlanalyse komplett.
Die Berliner SPD reagierte damit auf die Abgeordnetenhauswahl vor 17 Jahren, bei der sie mit 22,4 Prozent von den Wählern abgewatscht wurde. Ein Ergebnis, das die Partei zu der Erkenntnis brachte, dass das Vertrauen der Bürger durch „profilierte inhaltliche Arbeit, glaubwürdiges Handeln und ein geschlossenes Erscheinungsbild“ zurückgewonnen werden müsse. Im Vorfeld des Parteitages starteten einige Genossen unter der Überschrift „Politik sozial gestalten – Verantwortung übernehmen“ einen öffentlichen Aufruf, in dem die SPD aufgefordert wurde, sich den „Bürgern und neuen Ideen“ zu öffnen“ und sich stärker in der Gesellschaft zu verankern. Zu den Unterzeichnern gehörten damals der Vorsitzende des Ortsverbandes Tempelhof, Michael Müller, und der Vize-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Klaus Wowereit.
Verlust an Vertrauen
Jetzt ist es wieder so weit, dass die Sozialdemokraten die Wahl aufarbeiten. Am 18. September erzielte die SPD mit 21,6 Prozent das schlechteste Ergebnis seit 1945. Die Diskussion über die Ursachen wurde vom Vorstand unter Führung des Regierenden Bürgermeisters Müller in die Parteigremien verbannt. Eine öffentliche Debatte sollte vermieden werden – was nicht gelang. Eine Arbeitsgruppe „Wahlanalyse“ wurde eingesetzt, auf Initiative des linken Parteiflügels. Am Dienstag, in einer Klausurtagung des SPD-Landesvorstands, lag die äußerst kritische Bestandsaufnahme vor.
Das Fazit: Bundesthemen, mit Ausnahme der Flüchtlingsprobleme, und auch der Zustand der Bundes-SPD seien keine Erklärung für das schlechte Abschneiden bei der Abgeordnetenhauswahl. Das größte Problem der Berliner SPD sei der „Verlust an Vertrauen und Glaubwürdigkeit“ und eine Wahlkampagne, die am Lebensgefühl vieler Berliner vorbeigegangen sei. Das gelte vor allem für den Slogan: „Berlin bleibt...“ Die Koalitionsaussage für Rot-Grün in der letzten Wahlkampfphase habe zwar zuspitzend und medial mobilisierend gewirkt, aber profitiert habe davon die Linkspartei.
Auch der Regierende Bürgermeister und SPD-Landeschef bekam sein Fett weg. Er sei in der Regierung mit der CDU zum „Streiter in einer zerstrittenen Koalition geworden“ anstatt die Rolle des zusammenführenden Landesvaters für alle Berliner zu übernehmen. Müller habe in der Bevölkerung zwar ein positives Image, das weniger auf Glamour als auf das bürgernahe und praktische Regieren setze.
„Wenn sich jedoch die Probleme einer sich blockierenden Streit-Koalition mit objektivem Verwaltungsversagen mischen, dann fehlen im Alltag sowohl der Glamour als auch die Problemlösung“, urteilte die innerparteiliche Arbeitsgruppe.
Es mangelt an Glaubwürdigkeit
Die Berliner SPD habe ein „Umsetzungs- und Wahrnehmungsproblem“, heißt es im Bericht an den Landesvorstand. Die Partei müsse besser darin werden, frühzeitig auf Probleme in der Stadt zu reagieren und spürbare Verbesserungen zu schaffen. Zudem fehle es dem SPD-Landesverband an einem Profil, das sowohl sozial Schwache wie auch die „junge und urban orientierte Zielgruppe der Zuziehenden“ anziehe. Bei sozialen Themen mangele es der Berliner SPD an Glaubwürdigkeit. Deshalb reiche es nicht, die Landespolitik „neu zu justieren“, es bedürfe stattdessen eines „als substanziell wahrgenommenen Neustarts mit Rot-Rot-Grün“.
Empfohlen wird in diesem Zusammenhang auch eine Abkehr von einer „Kürzungspolitik“. Haushaltskonsolidierung sei kein originäres politisches Ziel. Fehler der Vergangenheit müssten eingestanden und ohne viel Aufhebens korrigiert werden. In Zukunft sollten politische Versprechungen „möglichst konkret, für Menschen einfacher und mittlerer Schichten relevant und absehbar erfüllbar sein“. Die Analyse wird nun zur Diskussion den Parteigliederungen übergeben.