Digitalisierung: Berliner Sozialgericht wird digitaler Vorreiter
Mit dem ersten digitalen Gerichtssaal steht das Sozialgericht an der Spitze der Digitalisierung Berliner Gerichte – auch wenn es zurzeit noch viel Papier gibt.
Der Kläger hört schlecht und will früher in Rente, aber die Rentenversicherung zahlt nicht. Ein typischer Fall vor dem Sozialgericht. Knapp 31.000 Rechtsstreitigkeiten haben die Richter jährlich zu entscheiden, in den meisten Fällen geht es um Hartz IV oder Rente. Das Gericht war lange Zeit für seine Aktenstapel bekannt, besonders auf dem Höhepunkt der Hartz-IV-Klagewelle. Nun steht das Sozialgericht an der Spitze der Digitalisierung der Berliner Gerichtsbarkeit.
Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne), drückte am Mittwoch den grünen Knopf – auch dies nur schon kein richtiger Knopf mehr, sondern ein Button auf dem Bildschirm – und startete das System. Saal 9 des Gerichts an der Invalidenstraße ist damit Berlins erster voll digitaler Gerichtssaal.
Eine kleine Vorführung anhand eines fiktiven Falles gab es auch. Ach, Tinnitus? Und – zack! – erscheint der Wikipedia-Eintrag zum Krankheitsbild auf einem großen Monitor hinter der Richterbank und auf den Bildschirmen der Parteien. Ja, wie schlecht hört er denn? Zack, erscheinen die Befunde seiner Untersuchungen. Wenn Publikum im Saal ist, kann es so geschaltet werden, dass die Schweigepflicht gewahrt bleibt.
Noch immer viel Fax-Verkehr
Beruft sich der Anwalt auf eine Gerichtsentscheidung, um seinen Anspruch zu untermauern, reicht ein Mausklick, um von dem Entscheidungszitat auf der Online-Plattform direkt zu der zitierten Entscheidung zu gelangen. Alle Richter haben Laptops und Zugang zu den juristischen Datenbanken. Mit den Anwälten soll ab Januar nur noch elektronisch kommuniziert werden, nachdem deren Postfach beA endlich funktioniert. „Wir sehen uns als Treiber des elektronischen Rechtsverkehrs“, sagte Gerichts-Vizepräsident Hans-Christian Helbig. Heutzutage ist allerdings die Zahl der Eingänge und Absendungen per Fax immer noch doppelt so groß wie alles Digitale.
Bezahlt wurde das alles mit Mitteln aus dem landeseigenen Siwana-Fonds. Wie teuer es für das ganze Gericht wird, dazu wagte Behrendt keine Prognose. Quer über den Flur steht übrigens immer noch die Wundermaschine Opex. Sie scannt das eingehende Papier, erfasst Aktenzeichen und fügt elektronische Akten zusammen. Noch gibt es alles doppelt – elektronisch und auf Papier.