Warnsystem in der Corona-Pandemie: Berliner Senat beschließt „Ampel“ statt Obergrenze
Berlin setzt auf ein eigenes Warnsystem in Form einer Infektionsampel. Maßnahmen und Lockerungen hängen von drei Indikatoren ab.
Michael Müller (SPD) hat sich nach eigener Aussage am Wochenende mal „ein bisschen umgesehen“ und sich ein Bild von der Stadt gemacht, die er als Bürgermeister regiert.
Zweierlei habe er erlebt, berichtete der Regierende am Dienstag nach der Sitzung des Senats: Es gehe in sehr vielen Geschäften sehr diszipliniert zu. Die Einlasskontrollen und das Zählsystem seien aufmerksam kontrolliert worden und funktionierten.
„Das war ein sehr positiver Eindruck, den ich zumindest bekommen habe“, sagte Müller, auch wenn er wisse, dass das nur subjektiv sei. Es gebe allerdings ein zweites Bild, das er im öffentlichen Raum gesehen habe, wo Menschen dicht gedrängt in Parks und an Uferstreifen gesessen hätten.
„Manche glauben, alles, was wir in den vergangenen Wochen vereinbart haben, gilt nicht mehr“, sagte Müller. Aber, das wolle er deutlich machen, es gebe keinen Grund für Entwarnung. Es bleibe in den nächsten Wochen ein vorsichtiges Vorantasten an eine neue Normalität.
Weitere Lockerungen keine Selbstverständlichkeit
Es sei auch nicht automatisch so, dass Anfang Juni alles, was bis dahin noch geschlossen sei, aufgemacht werde, betonte Müller. „Wir werden diskutieren, wie es mit Kinos und Fitnessstudios weitergeht.“ Weitere Lockerungen seien keine Selbstverständlichkeit.
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Und sie können auch wieder rückgängig gemacht werden – wann und auf welcher Grundlage hat der Senat am Dienstag in Form eines Ampelsystems beschlossen und geht damit einen bundesweiten Sonderweg.
In dem von der Senatsgesundheitsverwaltung ausgearbeiteten Ampelsystem sollen steigende Infektionszahlen und andere Faktoren miteinander kombiniert werden.
Drei Indikatoren statt Obergrenze
Anders als am vergangenen Mittwoch zwischen Bund und Ländern entschieden wurde, soll in der Hauptstadt nicht ausschließlich die „Obergrenze“ von 50 Neuinfektionen auf 100 000 Einwohnern innerhalb einer Woche gelten, sondern ein Mix aus drei Indikatoren, von denen zwei mindestens einen kritischen Status erreicht haben müssen, damit es zu neuen Eindämmungsmaßnahmen kommt:
Die Reproduktionszahl „R“, die angibt, wie viele andere Menschen eine mit dem Coronavirus infizierte Person ansteckt, solle immer in Kombination mit der vorhandenen Kapazität der Intensivbetten in Krankenhäusern und der Zahl der Neuinfektionen betrachtet werden. Wenn „R“ drei Tage über dem Wert 1,1 liege, werde dies als „gelbe“ Stufe betrachtet. Drei Tage über 1,3 als „rote“ Stufe.
Bei 20 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb der letzten sieben Tage werde bereits die „gelbe“ Ampelphase erreicht, bei 30 Fällen die rote.
Berlin derzeit „im grünen Bereich“
Gleichzeitig soll die Kapazität auf den Intensivstationen der Krankenhäuser eine Rolle spielen. Sind mehr als 15 Prozent der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten belegt, soll der Status „gelb“ lauten, ab mehr als 25 Prozent Auslastung gelte "rot", heißt es in der Vorlage der Senatsgesundheitsverwaltung.
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Sobald zwei der drei Indikatoren in Phase „gelb“ sind, sollen neue Maßnahmen zur Eindämmung erörtert werden. Ist es zwei Mal „rot“, sollen Lockerungen zurückgenommen werden.
„Derzeit ist Berlin „überall im grünen Bereich“, sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) in der Senats-Pressekonferenz. Die Reproduktionszahl liege in Berlin bei 0,79 und damit unter dem Bund (1,13).
Das Erreichte nicht aufs Spiel setzen
Es sei die spannende Frage, wie die Lockerungen sich auf die Zahl „R“ auswirkten. In Berlin habe es 286 Neuinfektionen in den letzten sieben Tagen gegeben. Die rote Stufe sei nach dem neuen Ampelsystem erst bei 1131 Fällen erreicht.
Die Krankenhäuser, als nächster Indikator, hätten in Berlin derzeit freie Kapazitäten auf den Intensivstationen von 38 Prozent, neun Prozent seien mit Covid-19-Patienten belegt.
Kalayci will nun wöchentlich über die Indikatoren berichten. Müller ergänzte: „Wenn zwei solcher Indikatoren rot sind, haben wir ein echtes Problem.“ Dann müsse man sehen, ob Lockerungen zurückgenommen werden oder anstehende Lockerungen noch nicht umgesetzt würden.
„Aber wir reagieren natürlich schon bei gelb. Zugucken kann man bei Grün“, sagte Müller. Und schickte damit eine Warnung an die Berliner: „Es geht darum, dass wir das, was wir erreicht haben, nicht aufs Spiel setzen“, sagte er.
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