Prügel und Betrug: Berliner S-Bahn hat ihre Kontrolleure nicht im Griff
In 30 Fällen musste die Berliner S-Bahn Personal aus dem Prüfdienst abziehen. Der Grund: Fehlverhalten gegenüber Fahrgästen – von Gewalt bis Betrug.
Die Berliner S-Bahn hat in größerem Umfang Probleme mit ihrem Kontrollpersonal als bisher bekannt. In den vergangenen anderthalb Jahren sind nach Tagesspiegel-Informationen in insgesamt 30 Fällen Kontrolleure wegen Fehlverhaltens aus dem Prüfdienst abgezogen worden – ein erheblicher Anteil angesichts täglich eingesetzter 70 bis 90 Personen.
„Beim Verdacht auf Unregelmäßigkeiten, fehlerhafte Dokumentation bei der Annahme von Barzahlungen im Rahmen von Kontrollen wurde durch die S-Bahn grundsätzlich Anzeige erstattet“, teilte das Unternehmen dazu mit. Die erforderlichen Unterlagen und Überprüfungsergebnisse der S-Bahn seien an die Bundespolizei übergeben worden. „Die Mitarbeiter wurden im Verdachtsfall konsequent und mit sofortiger Wirkung aus dem Prüfdienst entfernt.“
Das Personal kommt vom Dienstleister Wisag
Die S-Bahn beschäftigt keine eigenen Kontrolleure, sondern Personal der Frankfurter Dienstleistungsfirma Wisag. Hier waren im Dezember vergangenen Jahres erstmals Fälle von Gewalttätigkeiten gegenüber Fahrgästen bekannt geworden. Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte damals drei Männer nach einer Prügelattacke wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung. Kurz darauf wurden Bewährungsstrafen gegen zwei Wisag-Mitarbeiter verhängt, weil sie Touristen das erhöhte Beförderungsentgelt von 60 Euro abgenommen haben sollen, ohne es an die S-Bahn abzuführen.
Wie berichtet, hat die Berliner Justiz ihre Ermittlungen wegen mutmaßlicher Gewalttaten, Betrugs- und Beleidigungsdelikten seitdem ausgeweitet. In sieben Fällen mit insgesamt zehn Betroffenen hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. In einem Fall gab es Mitte Mai einen Freispruch und eine Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage, nachdem der Vorwurf, einen Fahrgast festgehalten und getreten zu haben, nicht nachgewiesen werden konnte.
Seit Montag stehen in Moabit zwei Wisag-Männer vor Gericht, die einem schottischen Touristen 120 Euro abgenommen und in die eigene Tasche gesteckt haben sollen, nachdem dieser kein Ticket vorzeigen konnte. Ein Verfahren gegen einen weiteren Kontrolleur am Dienstag wurde eingestellt, da Zeugen nicht erschienen waren. Dem Mann war vorgeworfen worden, einen Fahrgast auf Arabisch beleidigt zu haben.
Die Zusammenarbeit läuft im nächsten Jahr aus
Ob die zahlreichen Vorfälle für die S-Bahn ein Anlass sind, die langjährige Zusammenarbeit mit der Wisag zu überdenken, will das Unternehmen nicht sagen. Eine Sprecherin teilt dazu nur mit, die S-Bahn sei gegenwärtig im Ausschreibungsverfahren zur Vergabe von Prüfdienstleistungen. Diese sollen ab 1. März kommenden Jahres neu vergeben werden. Nähere Angaben dazu, welche Vorwürfe den 30 Fällen im Einzelnen zugrunde liegen, werden weiterhin nicht gemacht. Dazu lägen keine Informationen vor, heißt es.