Öffentlicher Nahverkehr: Anklage gegen Berliner Fahrkartenkontrolleure
Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Beleidigung, Betrug – es gibt mehrere Anklagen gegen Berliner Fahrkartenkontrolleure. Die meisten richten sich gegen die Firma Wisag, die von der S-Bahn eingesetzt wird.
Berlins Justiz geht massiv gegen mutmaßliche Gewalttaten, Betrugs- und Beleidigungsdelikte von Fahrkartenkontrolleuren im öffentlichen Nahverkehr vor. Betroffen sind vor allem die S-Bahn und die Mitarbeiter der von ihr mit dem Kontrolldienst beauftragten privaten Sicherheitsfirma Wisag. Wie der Tagesspiegel erfuhr, hat die Staatsanwaltschaft jetzt in sieben Fällen mit insgesamt zehn Betroffenen Anklage erhoben. In vier Fällen hat das Gericht die Anklage bereits zugelassen. Eine erste Hauptverhandlung ist für diesen Donnerstag angesetzt.
Die Anklagen könnten der von Nordrhein-Westfalen angestoßenen Diskussion um eine Entkriminalisierung des Schwarzfahrens neuen Schwung geben. So warnt etwa der Potsdamer Kriminologe Wolfgang Mitsch bei einer derartigen Kontrollpraxis vor einer „explosiven Situation“, in der aus der Beförderungserschleichung binnen Sekunden ein Schlagabtausch entstehen könne. „Deeskalation ist also für alle Beteiligten das Gebot der Stunde.“ Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) hatte sich angesichts zahlreicher so genannter Ersatzfreiheitsstrafen für Schwarzfahrer und der Belastung der Justiz mit Strafverfahren dafür ausgesprochen, die Tat nur noch als Ordnungswidrigkeit zu verfolgen.
Am Donnerstag stehen zwei S-Bahn-Kontrolleure vor Gericht
Mutmaßliche Gewalttaten von Wisag-Kontrolleuren im Dienst der S-Bahn waren erstmals im Dezember vergangenen Jahres bekannt geworden. Damals hatte das Amtsgericht Tiergarten erstmals drei Wisag-Kontrolleure wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung verurteilt, die einen Studenten trotz gültigen Tickets in den Schwitzkasten genommen und zu Boden gebracht haben sollen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Verantworten müssen sich an diesem Donnerstag vor dem Amtsgericht zwei angeklagte S-Bahn-Kontrolleure wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Einer der beiden soll einem Fahrgast bei einer Ticket-Kontrolle gezielt gegen das Schienbein getreten haben; der zweite Angeklagte soll einen anderen Mann minutenlang festgehalten haben, obwohl dieser ihm sein gültiges Semesterticket übergeben hatte. Beide Angeklagten sind über die Wisag bei der S-Bahn beschäftigt.
Platzwunden und Betrug
In einem weiteren Fall soll ein S-Bahn-Kontrolleur einen Fahrgast übel beschimpft und seine Monatskarte zerrissen haben. Ein anderes Verfahren dreht sich um einen Wisag-Mitarbeiter, der einen Betrunkenen bei einer Ticketkontrolle so heftig geschlagen haben soll, dass dieser Platzwunden im Gesicht erlitt. In zwei Verfahren mit vier Angeklagten geht es um mutmaßlichen Betrug durch S-Bahn-Personal. In einem Fall sollen sie von drei Touristen ohne Ticket 120 Euro als erhöhtes Beförderungsentgelt verlangt haben, das Geld jedoch für sich behalten wollen. Zwei Angeschuldigte, bei denen die Anklage noch nicht gerichtlich zugelassen ist, sollen ortsunkundige Schülergruppen abkassiert haben, wenn diese ihre Tickets nicht ordnungsgemäß entwerteten, und das Geld teilweise in die eigene Tasche gesteckt haben. Angeklagt wurde zudem ein Mitarbeiter der „DB-Sicherheit“, der eine Frau geschlagen und erheblich verletzt haben soll. Laut Anklage hatte sie den Mann, der zuvor in einen Vorfall verwickelt gewesen sein soll, mit ihrem Handy gefilmt.
Die S-Bahn schweigt dazu
Die Wisag teilt mit, sie ziehe Beschäftigte von der S-Bahn ab, wenn die Bahn deren Arbeit im Prüfdienst beanstande. In welchen konkreten Fällen dies bisher geschehen sei, wird jedoch nicht gesagt. Auch die S-Bahn schweigt dazu. Wie die Wisag weiter mitteilt, würde das korrekte Vorgehen bei Fahrkartenkontrollen mit den Mitarbeitern wiederkehrend thematisiert. „Wo notwendig, werden Mitarbeiter noch einmal eingehend auf richtiges Agieren hingewiesen.“
Eine Bahn-Sprecherin fordert dazu auf, sich bei Fehlverhalten von Kontrollpersonal an die Kundenbetreuung zu wenden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen sich höflich und freundlich allen Kunden gegenüber verhalten. „Sollte dies einmal nicht so sein, bedauern wir dies außerordentlich.“