Nachgefragt seit 1918: Berliner Pressekonferenz wird 100 Jahre alt
Am Montag findet im Restaurant Hugo im Hotel Interconti das alljährliche Spargelessen mit 170 Gästen statt - diesmal mit sehr rundem Geburtstag.
Mit Überraschungen, auch bedenklichen, ist immer zu rechnen. Nie hätte Thomas Klein, der Vorsitzende der nunmehr 100-jährigen Berliner Pressekonferenz gedacht, dass diese Institution an Bedeutung noch einmal so viel hinzu gewinnen würde. Als er vor elf Jahren die Leitung übernahm, sah es eher so aus, als sei der altehrwürdige Verein in modernen Zeiten fast überflüssig geworden.
„Dass wir aktuell über Themen wie Presse- und Meinungsfreiheit sprechen müssen, hätten wir uns damals nicht träumen lassen“, sagt er. Es sind ja nicht nur die Entwicklungen im nahen Europa, die das Thema Pressefreiheit als wichtiger denn je erscheinen lassen.
Auch ein Vorfall wie der bei einer Pressekonferenz der AfD in Brandenburg kürzlich, bei der alle Journalisten gegangen sind, nachdem einer keine Frage stellen durfte, gibt dem Gemeinschaftsbewusstsein eine neue Bedeutung.
Der Zusammenhalt aller Kollegen im Dienste der Pressefreiheit, egal für welches Medium sie arbeiten und in welcher Konkurrenz sie zueinander stehen, ist in der Berliner Pressekonferenz ganz wichtig. In schwierigen Zeiten wird er zu einer Art Schutzschild.
Traditionelles Spargelessen am Montag
Der Ernst der Lage soll aber nicht die Feierlichkeiten zum 100-jährigen Jubiläum dieser bedeutsamen Berliner Institution trüben. Das alljährliche Spargelessen mit 170 Gästen wird am Montagabend im Restaurant Hugo im Hotel Interconti einen würdigen und gleichzeitig vertrauten Rahmen dafür geben.
Traditionell kommen zu diesem gesellschaftlichen Ereignis mit bemerkenswert geringer Absagenquote immer zahlreiche Prominente. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller und Staatsministerin Monika Grütters haben sich als Redner angesagt. Als Ehrengast wird Can Dündar erwartet, der frühere Chefredakteur der türkischen Zeitung Cumhuriyet.
Kurzfilme vom RBB sollen außerdem Einblicke in die Geschichte der Berliner Pressekonferenz als unabhängiger, überparteilicher Arbeitsgemeinschaft geben, der nur Chefredakteure bedeutender Medien angehören, sowie Redakteure und Korrespondenten, die von ihnen entsandt wurden.
Es ist nicht nur ein ehrwürdiger, sondern in gewisser Weise auch ein elitärer Verein, der hier an vorderster Front die Wächterfunktion der Presse verteidigt. Längst nicht jedes Medium wird aufgenommen. Seriosität und Qualität werden genau unter die Lupe genommen. Kundenzeitschriften etwa haben da ein eher schweres Spiel.
Zur wöchentlichen Pressekonferenz, die jeweils am Dienstag mittags nach der Senatssitzung stattfindet, wollen viele kommen, aber nur ordentliche Mitglieder haben Zutritt, wenn der Senator oder die Senatorin sich den Fragen der Journalisten stellen.
Meist sind es diejenigen, deren Themenbereich gerade besonders im Fokus steht. Moderiert wird die Veranstaltung in der Regel von der stellvertretenden Vorsitzenden Sabine Beikler, Rathaus-Reporterin des Tagesspiegels. Kritisch wird es immer dann, wenn sie jemanden nicht kennt, der im Publikum sitzt.
Gerade in spannenden und aufgeladenen Zeiten versuchen immer mal wieder Lobbyisten oder Vertreter von Gewerkschaften oder anderer Behörden, sich einzuschleichen. Eine Chance haben sie kaum. Höflich, aber bestimmt werden sie hinaus komplimentiert. Nur wer das Geschäft wirklich ernst nimmt, kann auch in schwierigen Zeiten die Wächterfunktion der Presse erfolgreich verteidigen.
Eine Institution der Pressefreiheit
Gegründet wurde die Berliner Pressekonferenz am 9. November 1918, als in der revolutionären Reichshauptstadt Journalisten sich nicht länger zur Aufzeichnung regierungsfreundlicher Verlautbarungen zitieren lassen, sondern lieber eigene Pressekonferenzen veranstalten wollten.
Eine besondere Rolle spielte die Berliner Pressekonferenz im Kalten Krieg. Nachdem sie im Juni 1933 von der Nazi-Diktatur verboten wurde, konnte an eine Wiederbelebung erst nach der Spaltung der Stadtverwaltung Ende 1948 gedacht werden.
Da war der Tagesspiegel, der am 27. September 1945 als erste Zeitung von den Amerikanern eine Lizenz erhielt, schon drei Jahre alt. Der damalige Chefredakteur Erik Reger und Willy Brandt gehörten zu den Neugründern. Die Vertreter der Ost-Presse waren nicht zugelassen, da es dort keine Meinungs- und Informationsfreiheit gab.
Gerade in Zeiten des Kalten Krieges war es immer auch eine Bestätigung für den Fortbestand West-Berlins, wenn die Großen der Welt vor der Berliner Pressekonferenz sprachen. Manche Anekdoten sind noch heute präsent, etwa wenn sich ältere Mitglieder an Besuche von François Mitterrand, James Baker, Gyula Horn, Helmut Schmidt, Bruno Kreisky und Chaim Herzog erinnern.
Zwar dürfen nicht alle in Berlin tätigen Journalisten an den exklusiven Pressekonferenzen und Hintergrundgesprächen teilnehmen, aber das Mitgliederverzeichnis mit den Adressen der Senats- und Bundesdienststellen ist auch in Zeiten des Internets ein Hit geblieben.
Wer es zu etwas gebracht hat in der Stadt, erkennt das sowieso daran, dass mit der Fliederblüte eine Einladung zum traditionellen Spargelessen eintrifft, bei dem die Mitglieder mit ihren wichtigsten Gesprächspartnern einmal im Jahr endlich mal ganz entspannt zusammenkommen.
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