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Der Berliner Landeschef der Piraten: Christopher Lauer.
© dpa

Progressive Plattform: Berliner Piraten reden über mögliche Abspaltung

Landesverband der Piraten prüft die Abspaltung von der Bundespartei. Am Montagabend waren aber nur wenige Vertreter des linken Flügels dafür. Dazu gehörte Landeschef Christopher Lauer.

Der Ton zwischen Bundesvorstand und dem Berliner Vorstand der Piraten wird immer schärfer. Der politische Bundesgeschäftsführer Kristis Thingilouthis forderte in einer Erklärung des Bundesvorstandes den Berliner Landesvorstand auf, „alles zu tun, um die Einheit der Piratenpartei zu sichern“. Es könne nicht angehen, in der Öffentlichkeit „laut über eine Abspaltung“ nachzudenken. Der Berliner Landeschef Christopher Lauer sagte, der Bundesvorstand habe sich bisher nicht beim Landesvorstand gemeldet. „Der Vorgang ist einmalig. Offenbar möchte der Bundesvorstand die Situation eskalieren lassen“, sagte Lauer. Damit bekräftige er „die Leute, die eine Abspaltung wollen“.
Lauer ist auch einer der wenigen, die am Montagabend auf dem Treffen der „Progressiven Plattform“ im Wilmersdorfer „Büro der guten Laune“ von Fraktionschef Martin Delius und dem Abgeordneten Simon Weiß für die Neugründung einer Partei plädieren. „Die Energie, die in die Plattform gesteckt wird, kann man auch in den Neustart einer Partei stecken“, sagte Lauer. Die Erfolgsaussichten für die Abgeordnetenhauswahl 2016 seien so groß wie die der bisherigen Piratenpartei. Lauers Problem mit der bisherigen Piratenpartei ist, dass sie sich strukturell nicht weiterentwickelt habe.
Delius, Mitglied der „Progressiven Plattform“, sagte, er sei für die Piraten ins Abgeordnetenhaus gewählt worden und wolle auch keine andere Partei gründen. „Jede Neugründung bringt Reibungsverluste mit sich.“
Die „Progressive Plattform“ hat etwa 250 Mitglieder. Gestern Abend gehörten 20 der 70 Anwesenden zur Plattform, darunter auch die Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg. Sie sagte, es gebe den Wunsch nach einer linken Kraft innerhalb der Piratenpartei. Der Bundesparteitag im Juni in Halle sei für die Parteilinken das „absolute Brasilien“ gewesen. Jetzt heiße es „Kräfte bündeln und zusammenbleiben“. Das spiegelte das Gros der Anwesenden wider, die die „Progressive Plattform“ als „geschützten Raum“ verstehen, in dem offen diskutiert werden kann. Viele Parteilinke berichteten, sie würden von anderen Piraten angefeindet. Nach gut eineinhalb Stunden Diskussion entschieden die Mitglieder der Plattform auch, untereinander weiter zu diskutieren.

Seit dem Bundesparteitag sind viele Berliner Piraten unzufrieden mit ihrem Bundesvorstand

Spätestens seit dem Bundesparteitag sind viele Berliner Piraten nicht mehr zufrieden mit ihrem Bundesvorstand. Als Reaktion darauf hatte sich die „Progressive Plattform“ gegründet. . Sie will laut eigenem Selbstverständnis die Leute auffangen, „die sich durch die Unfähigkeit der Bundespartei tragfähige Strukturen und Interessenausgleiche zu schaffen, demotiviert fühlen“. Zur Plattform zählen inzwischen Europaparlamentarierin Julia Reda, Ex-Parteichef Thorsten Wirth oder der sächsische Landesvorsitzende Marcel Ritschel. Unter den Piraten im Abgeordnetenhaus gehören Oliver Höfinghoff und Martin Delius der Plattform an.
Mittlerweile wurde in der parteiinternen Meinungsbildungsplattform „Liquid Feedback“ des Berliner Landesverbands mit Mehrheit ein Antrag beschlossen, demzufolge der Landesvorstand prüfen soll, unter welchen Bedingungen sich die Berliner Partei vom Bundesverband abspalten könnte. Lauer sagte dem Tagesspiegel, eine Vorprüfung habe ergeben, dass eine Abspaltung „überaus kompliziert“ sei.
Lauer gilt als politischer Intimfeind des neues Bundesvorsitzenden Stefan Körner. Der Berliner Parteichef und Abgeordnete hatte auf dem Bundesparteitag in Halle ebenfalls für einen Posten im Vorstand kandidiert, war aber mit einer höchst umstrittenen formalen Begründung in letzter Minute vom Wahlgang ausgeschlossen worden. Zuvor hatte er eine in Teilen leidenschaftliche, in Teilen satirisch anmutende Rede gehalten. Darin hatte er seiner Partei unter anderem vorgeworfen, sich einer Debatte über die Gründe des Scheiterns bei der Bundestagswahl verweigert zu haben und apolitisch zu agieren. Bei der Bundestagswahl 2013 erreichte die Partei noch 2,2 Prozent, bei der Europawahl im Mai waren es nur noch 1,3 Prozent.

Der sozialliberale Flügel hat sich seit Dezember 2012 organisiert

Hochgekocht war der Flügelstreit, nachdem der sozialliberale Flügel die Parteispitze übernommen hatte. Dieser Flügel will sich wieder auf die Internet-Kernthemen fokussieren. Parteichef Lauer spricht über den Inhalt dieses Flügels von einem „erzkonservativen Netzparteischeiß“. Dieser sozialliberale Flügel ist schon seit Dezember 2012 organisiert, und zwar im so genannten „Frankfurter Kollegium“. Dass sich nun die linken Piraten formal zusammenschließen, hängt mit der schweren Niederlage zusammen, die sie auf dem Bundesparteitag erlitten haben. Sämtliche Kandidaten des linken Flügels fielen bei der Vorstandswahl durch. Ob die beiden Flügel in einer Partei zusammenarbeiten wollen und können, ist offen. Die Diskussion geht weiter.

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