„Obdachlosenfeindlich und menschenverachtend“: Berliner Obdachlosenhilfe greift Bürgermeister von Dassel an
Die Politik des Mitte-Bürgermeisters sei für die Kältetoten mit verantwortlich. Deswegen will der Verein keinen Preis des Bezirks. Von Dassel widerspricht.
Die Berliner Obdachlosenhilfe lehnt den Ehrenamtspreis des Bezirks Mitte ab. Der Verein begründet diesen Schritt mit der "obdachlosenfeindlichen und oft menschenverachtenden Politik des Bezirksamts", mit deren Konsequenzen die ehrenamtlich Engagierten auf ihren Hilfstouren konfrontiert seien.
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"Obdachlose Menschen werden aus dem öffentlichen Raum geräumt und verdrängt, ihr Besitz wird wie Müll behandelt", schreibt die Obdachlosenhilfe auf ihrer Facebookseite. Der Bezirk komme seiner Unterbringungspflicht nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) nicht nach.
Deswegen sei der Verein "maßgeblich damit beschäftigt, ehrenamtlich Aufgaben zu erfüllen, die der Bezirk vernachlässigt", heißt es. Und: "Für die Kältetoten auf Berlins Straßen ist diese Politik mit verantwortlich."
Stephan von Dassel, der Bürgermeister von Mitte, wird außerdem direkt angegriffen: Dass der Grünen-Politiker, der von "aggressiven osteuropäischen Obdachlosen" spreche, den Preis verleihe, "setzt dem ganzen noch die Krone auf", schreibt der Verein.
Von Dassel forderte, aggressive Obdachlose notfalls abzuschieben
Der Konflikt um die Obdachlosen-Politik von Dassels begann vor rund zwei Jahren: Damals beklagte der Mitte-Bürgermeister Probleme "mit aggressiven Obdachlosen aus Mittel- und Osteuropa", vor allem im Tiergarten. Ordnungsamtsmitarbeiter würden regelmäßig angegriffen, Passanten, zum Beispiel am Hansaplatz, angepöbelt. Die Berliner Obdachlosenhilfe bezeichnet die Aussagen als "rassistisch".
Von Dassel forderte damals außerdem, aggressive Obdachlose notfalls in ihre Heimatländer abzuschieben. Er betonte stets, dass viele Menschen, die auf der Straße und in Grünanlagen leben, sich nicht helfen lassen wollten. Damit bediene er populistische Ressentiments, kritisiert der Verein.
Auch wegen der Räumung von Obdachlosencamps in Mitte stand der Bürgermeister immer wieder in der Kritik, auch in seiner eigenen Partei.
Von Dassel: "Wir schicken niemanden weg"
Der Grünen-Politiker sagte dem Tagesspiegel am Sonntag, es sei "bedauerlich", dass die Obdachlosenhilfe den Ehrenamtspreis nicht annehmen wollte. Die Kritik an seiner Politik weist von Dassel allerdings zurück. Mitte sei im Gegenteil der Bezirk, der sich am intensivsten darum bemühe, alle Menschen, die auf der Straße leben, zu erreichen - egal, woher sie kommen.
Schon seit einiger Zeit sei sichergestellt, dass das Ordnungsamt, zum Beispiel bei Räumungen, stets mit dem Sozialamt zusammenarbeite. Und das Sozialamt sei wiederum eng mit den freien Trägern der Obdachlosenhilfe vernetzt. "Mir ist kein Fall bekannt, in dem wir jemanden wegschicken mussten, der untergebracht werden wollte", sagte von Dassel.
Er merkt allerdings auch an, dass viele Obdachlose "nicht zu uns kommen, weil sie nicht wollen, dass wir wissen, wer sie sind". Weil sie zum Beispiel Konsequenzen wegen ihres Aufenthaltsstatus fürchteten.
Task-Force Tiergarten nach Senatsangaben erfolgreich
Der Senat reagierte auf von Dassels Ausbruch, der auch als Hilferuf an die Landespolitik gedacht war, mit einer Task-Force Tiergarten, welche die Situation in Berlins größtem Park mittlerweile entspannt habe.
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„Ich halte nichts davon, mit dem Finger aufeinander zu zeigen. Das hilft niemandem“, kommentierte Sozialstaatssekretär Alexander Fischer (Linke) gegenüber dem Tagesspiegel. Er sagt: „Wir arbeiten gemeinsam daran, die Situation schrittweise zu verbessern, auch mit dem Bezirk Mitte und Stephan von Dassel.“ Wenn man ein dringendes Problem habe, suche man besser nach Lösungen als nach Schuldigen.
Die Obdachlosenhilfe, die ihren Sitz in Wedding hat, versorgt dreimal wöchentlich Menschen auf der Straße mit Essen, Kaffee und warmer Kleidung. Dafür fahren die ehrenamtlichen Helfer Touren zum Leopoldplatz, Alexanderplatz, Kottbusser Tor und zum Hansaplatz. Eigentlich sollte der Verein am Freitag zusammen mit sieben anderen Preisträgern und 300 Gästen im Festsaal des Roten Rathauses ausgezeichnet werden. Der Bezirk Mitte hat den Preis zum 16. Mal ausgelobt.