Vor dem SPD-Bundesparteitag: Berliner Genossen wünschen sich Minderheitsregierung
Berlins SPD träumt lieber von Rot-Rot-Grün im Bund als von einer neuen Groko. Und will die Mitglieder vor Aufnahme von Verhandlungen befragen.
Es ist in jedem Fall ein origineller Vorschlag. Wenn es nach dem SPD-Kreisverband Steglitz-Zehlendorf geht, sollte der Bundesvorstand der Partei über eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung im Bund verhandeln. Als „Alternative zu einer neoliberalen Politik“, beschloss die Kreisdelegiertenversammlung im Südwesten Berlins. Es gebe in der Bevölkerung ein großes Bedürfnis für eine linke Politik, behaupten die Genossen.
Tatsächlich gibt es im Berliner SPD-Landesverband eine tiefe Abneigung gegen die Wiederauflage der Großen Koalition mit den Christdemokraten. Trotzdem hat sich der Landesvorstand der Sozialdemokraten am Montagabend nicht auf ein bestimmtes Regierungsmodell für den Bund festgelegt.
Stattdessen fordert die Berliner Parteiführung, dass die SPD-Mitglieder bundesweit über das Ergebnis der Sondierungen mit CDU/CSU entscheiden sollen – und zwar vor Beginn von offiziellen Koalitionsverhandlungen. Dieser Beschluss geht über das Hinaus, was die Parteiführung im Bund als Vorschlag für den Bundesparteitag vorgelegt hat. An der Parteibasis in der Hauptstadt gibt es auch große Sympathien für Tolerierungsmodelle ohne festen Einstieg in eine Bundesregierung, und Neuwahlen werden auch noch nicht ausgeschlossen.
Kein Platz für Landespolitik
Die Stimmung der Genossen in der Hauptstadt-SPD wird auf dem Bundesparteitag vom 7. bis 9. Dezember allerdings keine große Rolle spielen. Die notwendigen Mehrheiten werden dort von den großen Landesverbänden geliefert. Der Landeschef Michael Müller kann froh sein, wenn er als Vertreter der Berliner SPD als Beisitzer in den Bundesvorstand gewählt wird. Die Führung des SPD-Landesverbandes hatte ihn schon im September einstimmig nominiert. Aber auch die Berliner Bundestagsabgeordnete Eva Högl will für einen Sitz im neuen SPD-Parteivorstand kandidieren.
Weil das große bundespolitische Thema allen Genossen unter den Nägeln brennt, wird sich der SPD-Landesvorstand aller Voraussicht nach nicht mit dem Streit in der SPD-Abgeordnetenhausfraktion über den Politik- und Arbeitsstil des Fraktionschefs Raed Saleh befassen. Auch gibt es intern ein großes Bedürfnis nach etwas Ruhe und Erholung in der bevorstehenden Weihnachtszeit.
Trotzdem bleibt der Gesprächsbedarf in der von Spaltung bedrohten SPD-Fraktion groß. Die Vorschläge Salehs für befriedende Workshops und Teamtraining finden wenig Resonanz und es gibt informelle Treffen seiner Kritiker. Auf der Jahresklausur der Fraktion im Januar soll unter Einbeziehung aller Abgeordneten, aber unter Ausschluss der nach Hamburg mitreisenden Journalisten weiterdiskutiert werden.