Studie zur Mobilität in Berlin: Berliner fahren aufs Rad ab und laufen viel
Eine Studie für den Senat zeigt, wie stark der Radverkehr wächst - und wie das Wetter die Verkehrsmittelwahl beeinflusst.
Radfahrer vermehren sich von allen Verkehrsteilnehmern am schnellsten. Nicht erst seit der Coronakrise, da es öffentliche Verkehrsmittel zu meiden gilt, sondern seit Jahren schon. Wie sehr, zeigt die von der Verkehrsverwaltung des Senats veröffentlichte Haushaltsbefragung „Mobilität in Städten“, an der allein in Berlin mehr als 40 000 Menschen teilgenommen haben. Binnen fünf Jahren wuchs demnach der Anteil des Radverkehrs von 13 auf 18 Prozent – ein Zuwachs um fünf Prozentpunkte oder, eindrucksvoller formuliert, um nahezu 40 Prozent. Bereits in den fünf Jahren davor war der Radverkehrsanteil von elf auf 13 Prozent des Gesamtverkehrs gewachsen.
Offenbar sind vor allem Autofahrer aufs Rad umgestiegen, denn der Anteil des „Motorisierten Individualverkehrs“ an den zurückgelegten Wegen sank von 30 auf 26 Prozent. Dass es auf den Straßen nicht leerer geworden ist, hängt mit dem Bevölkerungswachstum der Stadt zusammen – und damit, dass der Ausstattungsgrad der Haushalte mit Autos im Zehnjahresvergleich leicht gestiegen ist.
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Öffentliche Verkehrsmittel hielten ihren Anteil am Verkehrsmix der Berliner mit 27 Prozent konstant, die eigenen Füße bleiben mit 30 Prozent das wichtigste Verkehrsmittel der Hauptstädter. Dabei unterscheiden sich die Werte für Binnenverkehr und solchen, der die Stadtgrenze überschreitet, kaum – wenn man vom etwas geringeren Fußgängerverkehr aus dem oder ins Umland absieht.
Die größtenteils 2018 von einem Leipziger Institut erfragten und von der Technischen Universität Dresden im Senatsauftrag ausgewerteten Angaben beziehen sich auf die Zahl der zurückgelegten Wege, nicht auf die Entfernung. Die Verwaltung hält die Zahlen für realistisch: „Diese Erkenntnisse korrespondieren mit den Verkehrszählungen, die im öffentlichen Raum durchgeführt werden“, heißt es in einer Mitteilung zu der Studie, die dank der großen Teilnehmerzahl sowohl für die Gesamtstadt als auch für die einzelnen Bezirke erstellt werden konnte.
Der Rückgang des Autoverkehrsanteils betrifft alle Bezirke, aber der Mobilitätsmix in der City unterscheidet sich fundamental von dem der Außenbezirke. So besitzen nur rund 35 Prozent der Haushalte in Friedrichshain-Kreuzberg mindestens ein Auto. In Reinickendorf und Spandau sind es jeweils rund 70 Prozent, in Steglitz-Zehlendorf fast ebenso viele.
Auffallend ist, dass unter den Autobesitzern die Wohlhabendsten („sehr hoher ökonomischer Status“) fast doppelt so viel damit fahren wie jene mit niedrigem oder mittlerem Status, nämlich knapp 20 000 Kilometer im Jahr. Dabei haben rund zwei Drittel aller Befragten eine Bushaltestelle in höchstens fünf Gehminuten Entfernung von ihrer Wohnung.
Die Teilnehmer der Befragung legen im Durchschnitt 3,7 Wege pro Tag zurück, sofern sie mobil sind. Im Mittel sind die Wege 5,9 Kilometer lang und dauern 24 Minuten, was ein Durchschnittstempo von knapp 15 Kilometer pro Stunde ergibt. Über den gesamten Tag verbringt der Durchschnittsberliner 84 Minuten im Verkehr und legt gut 20 Kilometer zurück.
Interessant ist, wie das Wetter die Verkehrsmittelwahl beeinflusst: Während der Anteil der Radfahrer im schlechtesten Fall von gut 21 auf knapp 13 Prozent sinkt, bleibt der Fußverkehr konstant bei etwa 30 Prozent. Der Anteil der Autofahrer variiert zwischen 25 und 28 Prozent, mit den Öffentlichen fahren 24 bis 29 Prozent – je schlechter das Wetter, desto mehr. Auffällig ist auch, dass relativ arme Menschen deutlich häufiger BVG und S-Bahn nutzen oder zu Fuß gehen, aber weniger Fahrrad fahren als wohlhabendere. Allein beim Auto existiert über alle Einkommensstufen hinweg ein direkter Zusammenhang zwischen Wohlstand und Nutzung.