Unfallursache „Fehler beim Abbiegen“: Wo Berlins Kreuzungen doppelt gefährlich sind
An manchen Ecken in Berlin dürfen Fahrzeuge zweispurig rechts abbiegen – trotz längst bekannter Risiken für Radfahrer und Fußgänger.
Wenn die Polizei am Mittwoch wie angekündigt ihre alljährliche Bilanz zur „Verkehrssicherheitslage“ für 2019 zieht, wird die häufigste Unfallursache dieselbe sein wie immer: „Fehler beim Abbiegen“. Mehr als 11.000 waren es in den Vorjahren jeweils. Diese Zusammenstöße sind nicht nur besonders häufig, sondern oft auch besonders folgenschwer, wenn tonnenschwere Kraftfahrzeuge mit Fußgängern oder Radfahrern kollidieren.
Prinzipiell kann das überall passieren, wo Geradeausverkehr und Abbieger gleichzeitig Grün haben. Allerdings gibt es eine Kreuzungsart, die solche Unfälle geradezu herausfordert – nämlich jene, wo zweispurig rechts abgebogen wird, sodass das Fahrzeug in der Nebenspur jegliche Sicht auf Geh- und Radwegfurt versperrt.
Schon vor einigen Jahren hatte die damals noch SPD-geführte Verkehrsverwaltung angekündigt, diese unfallträchtige Konstellation abzuschaffen. Jetzt heißt es auf Anfrage wieder, dass „das zweispurige Abbiegen – insbesondere wegen der Gefährdung von zeitgleich geradeaus gerichtetem Rad- oder Fußverkehr – sukzessive neu geregelt werden“ solle: entweder durch Trennung der Grünphasen oder durch Ummarkierung mit nur noch einer Abbiegespur. „Vorzugsweise“ passiere das, wenn ohnehin Kreuzungsumbauten oder die Neuprogrammierung von Ampeln anstünden.
Manche Brennpunkte existieren sei vielen Jahren
Eine Übersicht, wie viele solcher Kreuzungen auf Entschärfung warten, hat die Verkehrsverwaltung nach eigenen Angaben nicht. Aber es dürften Dutzende sein. In vielen Fällen ist die rechte Autospur mit Pfeilen auf der Fahrbahn markiert und die links daneben befindliche gar nicht – wie beispielsweise am Köllnischen Platz an der Langen Brücke und an der Salvador-Allende-Straße Höhe Fürstenwalder Damm in Köpenick.
An Letzterer hat die Polizei binnen zehn Jahren 23 Unfälle mit Radfahrerbeteiligung registriert, acht davon durch Abbiegefehler motorisierter Verkehrsteilnehmer. Vier dieser Unfälle wurden dadurch begünstigt, dass die Radfahrer den Radweg entgegen der Fahrtrichtung benutzten.
Auch an anderen Stellen existiert das Problem seit vielen Jahren – etwa in Marzahn an der Allee der Kosmonauten, von der sogar laut den Markierungspfeilen aus zwei Spuren rechts in die Rhinstraße abgebogen werden darf. Ebenfalls so markiert ist der Abzweig von der Bundesallee in den Südwestkorso. Den hatte der Unfallforscher Siegfried Brockmann schon vor mehr als fünf Jahren als Paradebeispiel für eine besonders krasse Gefahrenstelle benannt, die sich unkompliziert beseitigen ließe. Es wäre dort auch besonders sinnvoll, da im Südwestkorso ohnehin nur eine Autospur weiterführt.
Wer nicht ganz rechts fährt, muss besonders aufpassen
Konflikte und Unfälle gibt es häufig auch zwischen Autos, weil die Regeln für zweispuriges Abbiegen vielen nicht präsent sind. Die Polizei teilt mit Verweis auf die Straßenverkehrsordnung mit, dass Pfeile auf der Fahrbahn nur dann verbindlich gelten, wenn die Fahrstreifen durch gestrichelte Linien voneinander getrennt sind.
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Deshalb zählt es auch nicht als Spurwechsel, wenn ein Abbieger aus der rechten Spur am Ende der (unmarkierten) Kurve nicht wieder in der rechten Spur der Querstraße angekommen ist. Wer aus der zweiten Spur rechts abgebogen ist, muss dem Nachbarn am Ende der Kurve den Vorrang lassen, da man sich laut StVO „grundsätzlich möglichst weit rechts einordnen“ muss und aus anderen Spuren nur dann rechts abbiegen darf, wenn man dabei keinen Nachbarn behindert.
Auch das Berliner Kammergericht hat in einem Urteil zu einem Unfall diese besondere Sorgfaltspflicht betont. Insofern ist klar: Wer mit dem Kraftfahrzeug aus einer anderen als der ganz rechten Spur rechts abbiegt, muss höllisch aufpassen. Und wer per Rad oder Fuß eine solche Kreuzung passiert, erst recht.