zum Hauptinhalt
Transparente gegen den Verkauf und für die Ausübung des Vorkaufsrechts hängen an einer Neuköllner Häuserfassade.
© Christoph Soeder/picture alliance/dpa

Häuserkauf mit leeren Taschen: Berliner „Diese eG“ soll gegen Förderrichtlinien verstoßen haben

Die Genossenschaft „Diese eG“ erhielt ein Darlehen der Förderbank IBB offenbar ohne das nötige Eigenkapital. Fachleute erwägen, Strafanzeige zu stellen.

Die umstrittene Genossenschaft „Diese eG“ soll gegen Förderrichtlinien verstoßen haben, um an Millionen-Subventionen zu gelangen für den Kauf und die Bewirtschaftung von fünf Miethäusern. Diesen Vorwurf haben Fachleute in dem für die Ausschüttung der Fördergelder zuständigen Bewilligungsausschuss der Berliner Förderbank IBB erhoben.

In dem Gremium wurde offen ein mutmaßlicher „Subventionsbetrug“ diskutiert und erwogen, „gegebenenfalls eine Strafanzeige“ zu stellen.

Die Vorwürfe gehen aus Dokumenten vom September 2020 hervor, die dem Tagesspiegel vorliegen. Sie stammen von Personen, die an der vom Senat politisch gewollten Bewilligung der Millionen-Förderung zur Rettung der Diese eG beteiligt waren.

Darin heißt es: „Es bestätigt sich der Eindruck, dass die Zahlungsfähigkeit der Genossenschaft trotz des fehlenden Eigenkapitals dadurch erreicht wird, dass die bereits ausgezahlten Darlehensmittel (...) zweckentfremdet werden.“

In einem weiteren Schreiben der Senatsverwaltung für Finanzen regt ein Sachbearbeiter „dringend an zu prüfen, ob hier Anhaltspunkte für den Verdacht eines Subventionsbetruges nach Paragraf 264 Absatz 1. Nummer 2 Strafgesetzbuch vorliegen.“

Finanzierungsplan wurde nicht eingehalten

Die im Mai 2019 neu gegründete Diese eG steht im Zentrum einer Immobilien-Affäre um den Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne). Dieser hatte das bezirkliche Vorkaufsrecht für privat gehandelte Wohnhäuser zugunsten der Genossenschaft ausgeübt und sich dabei nach Feststellung des Rechnungshofes „pflichtwidrig“ verhalten und dem Land Millionen-Risiken aufgebürdet.

An dem waghalsigen Unterfangen sind die Senatsverwaltungen für Finanzen sowie für Stadtentwicklung beteiligt. Ob es dabei mit rechten Dingen zuging, prüft zurzeit ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Verdächtigt wurden die Manager der Genossenschaft des möglichen Subventionsbetrugs auch, weil der vereinbarte Finanzierungsplan zwischen Diese eG und Förderbank IBB nicht eingehalten wurde. Der Genossenschaft fehlte ein Teil der 4,4 Millionen Euro, die sie zum Erhalt des Fördergelds in Höhe von 22 Millionen Euro auf den Konten haben musste. Eigenkapital verlangen Banken immer und von jedem, der ein Haus kaufen, bauen oder eine Firma gründen will. Ohne Eigenkapital kein Kredit, lautet die Regel.

Bei der Diese eG fehlte jedoch Geld in den Kassen, weil die Genossenschaft eine zunächst geheim gehaltene Sondervereinbarung mit einem ihrer Mitglieder abschloss, die diesen von Millionen-Einzahlungen freistellte. Es handelt sich um den öffentlich als Förderer der Diese eG bekannten Thomas Bestgen. Der Unternehmer half anders als bisher bekannt allerdings gar nicht mit dem so dringend benötigten Kapital aus, sondern versprach dieses zu großen Teilen nur.

Senator setzte Sonderregelungen durch

So heißt es in der geheim gehaltenen Sondervereinbarung mit der Diese eG, dass Bestgen zwar die „übliche Beitritts- und Beteiligungserklärung der Genossenschaft für 12.000 Anteile beziehungsweise den Zeichnungsbetrag von 1.200.000 Euro“ abgibt. Zahlen sollte Bestgen der Vereinbarung nach aber nur 100 Euro, den Gegenwert für einen Genossenschaftsanteil. In der Vereinbarung heißt es, dass die „weiteren 11.999 Anteile gestundet und nicht fällig gestellt werden“.

Florian Schmidt (Grüne), Bezirksstadtrat für Friedrichshain-Kreuzberg.
Florian Schmidt (Grüne), Bezirksstadtrat für Friedrichshain-Kreuzberg.
© imago images/Jochen Eckel

Ans Tageslicht gelangte das fragwürdige Finanzmanöver durch eine Prüfung der landeseigenen Förderbank IBB im September vergangenen Jahres. Konsequenzen blieben auf politische Anweisung aus.

Stattdessen setzte Wohnen-Senator Sebastian Scheel (Linke) einzigartige Sonderregelungen für die Diese eG durch: Statt eigenes Kapital nachweisen zu müssen, sollten Unterschriften für Mitgliedschaften in der Genossenschaft vorerst ausreichen. Außerdem wurden Fristen für die Instandsetzung der Häuser großzügig verlängert.

Ob die Prüfung des mutmaßlichen Subventionsbetrugs erfolgte und mit welchem Ergebnis, wollte die Senatsverwaltung für Finanzen auf Anfrage nicht sagen – nur so viel: „Eine zweckwidrige Verwendung der Mittel ist ausgeschlossen.“

Langfristige Ratenzahlungsvereinbarungen für Neumitglieder

Dass die Diese eG nicht das zum Bezug von Fördergeldern üblicherweise erforderliche Eigenkapital auf den Konten hatte, liegt nach Einschätzung der Fachleute auch daran, dass die Genossenschaft ihren Neumitgliedern „langfristige Ratenzahlungsvereinbarungen“ versprochen hat, sofern sie nicht das für die Mitgliedschaft notwendige Geld einzahlen konnten. Dieses Geld fehlt also zunächst ebenfalls.

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Bestgen sagte dem Tagesspiegel, er werde Fragen erst nach seiner Anhörung als Zeuge im Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses zur Diese eG-Affäre beantworten. Ähnlich äußerte sich eine Sprecherin der Diese eG.

Eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Wohnen bestätigte, dass „die Bewilligung der Fördermittel auf Grundlage einer vorgelegten Wirtschaftlichkeitsberechnung und einer geschlossenen Gesamtfinanzierung als notwendiger Voraussetzung erfolgte“.

Dabei sei „für den Nachweis des erforderlichen Eigenkapitals die Zeichnung von Geschäftsanteilen akzeptiert“ worden. „Im weiteren Verlauf“ müsse „das Eigenkapital durch die Genossenschaft als tatsächlich vorhandene Mittel (zum Beispiel tatsächlich eingezahlte Geschäftsanteile) nachgewiesen“ werden.

Auf die Frage, ob wegen des fehlenden Geldes die Häuser nicht instand gesetzt werden können, hieß es bei der Senatsverwaltung für Finanzen: „Die Frist für die Durchführung der Instandsetzungsmaßnahmen wurde bis zum 30. Juni 2024 verlängert“. Hintergrund der Fristverlängerung seien „geplante Ausbaumaßnahmen in den Objekten“.

Zur Startseite