Ausgehen in der Hauptstadt: Berliner Clubbesitzer veranstalten erste Nachtleben-Konferenz
Berlins erste Nachtleben-Konferenz soll das Image der Partynacht verbessern. Die Szene will in neue Bezirke – vielleicht sogar an den Flughafen Tegel.
Wenn die Sonne aufgeht, geht die Clubtür zu. Normalerweise. Im "Musik und Frieden", ehemals "Magnet-Club" am Schlesischen Tor, wurde es am Donnerstag erst am Morgen richtig voll. Tabak in der Luft und hartnäckiges Lametta, festgetanzt am schwarzen Fußboden, sind letzte Zeichen der Nacht. Doch an der Bar gibt es Cappuccino und zu Gast sind keine Clubbesucher, sondern ihre Macher. Sie kommen für Berlins erste Nachtleben-Konferenz.
Die Nacht, das ist für viele noch immer das Stiefkind des Tages, schmuddelig, dunkel, obszön, unsicher. Die Konferenz, mit dem Namen "Stadt nach Acht", will das ändern. Organisiert wird sie unter anderem von der Berliner Clubcommision und der NewNet, einem europaweiten Netzwerk für sicheres Feiern. Drei Tage lang, bis Sonnabend, diskutieren rund 200 Berliner und internationale Experten, wie Berlin in Zukunft feiern wird.
Stadtplaner, Forscher und Architekten haben die Nacht für sich entdeckt
Stadtplaner, Forscher und Architekten haben die Nacht für sich entdeckt. Wichtige Themen sind auf der Konferenz neben Kultur, Sicherheit und Gesundheit deshalb auch Nachtökonomie und Stadtentwicklung. "Früher wurden Innenstädte durch den Einzelhandel attraktiv, die Gastronomie wirkte nur unterstützend – aber was passiert mit den Innenstädten, wenn das Einkaufen wegfällt?", sagt Jakob Schmid, Stadtplaner aus Hamburg. Die Partyszene ist der schillernde neue Bereich seiner Forschung. Es sei wichtig die bestehenden Partystrukturen zu konservieren, also Clubs nicht zu verdrängen, und gleichzeitig die Lebendigkeit bewahren, sprich neue Flächen zum Feiern zu finden, sagt Schmid.
Die Konflikte sind für Berlin nicht neu. Freie Flächen für alle, das war Anfang der 90er. In der Innenstadt will heute nicht nur gefeiert, sondern auch gewohnt werden. Pamela Schobeß leitete 15 Jahre lang das „Icon“ in Prenzlauer Berg. Heute sitzt sie auf der Bühne des "Musik und Frieden". Das "Icon" musste schließen, weil die neuen Anwohner das Wummern nicht mehr wollten. Heute leitet Schobeß das "Gretchen", gelegen zwischen Werkstatt und Bioladen, wo es nachts nicht stört. "Wenn Berlin seine Partyszene nach außen verlagert, verliert die Innenstadt das Licht, das die Leute anzieht", sag Schobeß. Steven Raspa stimmt zu.
Raspa ist Organisator des "Burning Men Festivals" vor den Toren San Franciscos, er trägt einen langen Bart, einen hohen Zylinder, und spricht aus Erfahrung. In New York und San Franciso hat er die Verdrängung des Nachtlebens miterlebt. "Berlin muss aufpassen nicht zu einer Touristenfalle und zu einem Museum seiner Selbst zu werden", sagt Raspa und ruft die Berliner auf: "Schützt eure Partykultur!"-Stadtplaner Jakob Schmid verweist hingegen auf ein ein konfliktlösendes Potential: "Berliner haben eine hohe Fahrbereitschaft."
Ein Schwerpunkt der Konferenz: Der Umgang mit den Drogen
Die Außenbezirke sind auch bei der Clubcommision Berlin, die die Konferenz mitorganisiert, auf dem Plan. "Ich kann verstehen, dass Friedrichshain-Kreuzberg eine gewisse Belastungsgrenze erreicht hat", sagt Clubcommison-Vorstand Marc Wohlrabe, "Bezirke sollen Clubs aber auch als Chance verstehen." Wo feiert Berlin also in fünf Jahren? "Ich sehe einige Industrieflächen in Treptow-Köpenick, die sich eignen würden. Und wer weiß, was mit dem Flughafen Tegel passiert?", sagt Wohlrabe. Noch praktischer als ein Partyflughafen ist laut Wohlrabe aber der Bezirk Spandau. Brachflächen und eine ICE-Anbindung würden den Bezirk attraktiv machen.
Ein weiterer Schwerpunkt ist der Umgang mit Drogen. Ein Besuch auf der Konferenz macht deutlich: Der Konsum soll nicht verhindert werden, doch die Kontrolle steht an erster Stelle. An einem Stand werden Party-Pakete verteilt. Drin sind neben Kondomen und Ohrstöpseln auch "Snief", ein sauberes Papierröllchen für den Konsum von Koks, und eine Infobroschüre über Speed. Am Ende der Konferenz soll eine Deklaration entstehen, die Politikern in der Kommunikation mit den Clubs helfen soll. Die Drogenpolitik wird wohl einer der größten Streitpunkte sein.
Lisa McMinn