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Pro Baum werden jährlich etwa 80 Euro für die Pflege benötigt.
© Getty Images/iStockphoto

Luftverschmutzung in Berlin: Berliner Bezirke kommen mit der Pflege der Straßenbäume nicht nach

Noch immer ist der Schwund der Straßenbäume nicht gestoppt. Aber nach vielen Jahren zeichnet sich die Trendwende ab.

Zum Abschluss des alten Jahres wollte Frank Mann der Berliner Luft im Allgemeinen und seinem Wilmersdorfer Kiez im Besonderen etwas Gutes tun und einen Straßenbaum spenden. Doch vor der Überweisung wollte er von den Behörden noch ein paar Details wissen – und erfuhr Dinge, die ihn umstimmten. In der Senatsverwaltung für Umwelt hörte er von noch immer nicht behobenem Geld- und Personalmangel, und das Büro des Bezirksstadtrates teilte ihm mit, dass in Charlottenburg-Wilmersdorf vorerst gar keine Bäume mehr gepflanzt würden, weil zunächst die Altlasten aufgearbeitet werden sollten, die zwei Jahrzehnte des finanziellen und personellen Kahlschlages hinterlassen haben.

Tatsächlich hatte Umweltstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) im vergangenen Juni die weiße Fahne gehisst: Von rechnerisch benötigten 5,75 Stellen zur Straßenbaumpflege seien im Grünflächenamt nur zwei vorhanden – bei 43 000 Straßenbäumen, von denen 30 000 „pflegerisch behandelt“ werden müssten, mehr als die Hälfte davon wegen abgestorbener Äste dringend. Das vom Land inzwischen aufgestockte Budget solle vorerst komplett in die Bestandspflege investiert werden. „Ich will meinen Mitarbeitern ersparen, dass strukturelle Probleme zu ihren privaten werden“, sagt Schruoffeneger mit Verweis auf das Risiko für Bezirksamtsleute, im Falle eines Unfalls haften zu müssen.

80 Euro jährlich pro Baum

Sechs Jahre nach dem Start der Stadtbaumkampagne war dieser Stopp einerseits ein abschreckendes Signal an die vielen privaten und kommerziellen Spender, deren Gaben sich auf 1,2 Millionen Euro summieren. Kofinanziert vom Land konnten dafür fast 9000 zusätzliche Bäume gepflanzt werden. Andererseits markiert der radikale Schritt des City-West-Bezirks eine Trendwende zum Besseren: Zum ersten Mal seit langem bekommen die Bezirke deutlich mehr Geld für ihre Straßenbäume. Nach Auskunft der Umweltverwaltung werden für die Pflege pro Jahr und Baum etwa 80 Euro benötigt. Die Bezirksämter erhalten zwar regulär nur 48 Euro (2018: 44 Euro) pro Baum, aber dank einer Sonderzuweisung von weiteren 8,1 Millionen Euro (2018: 6,5 Millionen) ergeben sich in diesem Jahr immerhin knapp 67 Euro pro Baum.

„Im Frühjahr 2020 werden wir wieder pflanzen“, sagt der Bezirksstadtrat. Dann würden auch jene Bäume gesetzt, die schon in diesem Jahr dran gewesen wären. Bei denen handelt es sich überwiegend um „Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen“ für Bauprojekte. Die sind neben der Stadtbaumkampagne die zweite wesentliche Quelle für Neupflanzungen.

Die "grüne Null" noch nicht erreicht

Nach Einschätzung von Christian Hoenig, Baumreferent beim Umweltverband BUND, ist die Situation in den anderen Bezirken kaum besser als in Charlottenburg-Wilmersdorf. Aber „man merkt, dass sich unter dem aktuellen Senat etwas tut“. Noch besser als die jährlichen Sondermittel wäre allerdings ein entsprechend aufgestocktes reguläres Budget, damit die Bezirksämter nicht nur mehr Aufträge vergeben, sondern auch selbst zusätzliches Personal einstellen können. Die Senatsverwaltung gehe mit gutem Beispiel voran, indem eine Mitarbeiterin dort jetzt explizit für die Stadtbaumkampagne zuständig sei. Und die „Charta fürs Berliner Stadtgrün“, die die Verwaltung zurzeit erarbeiten lässt, sehe auch Verbesserungen für die Grünflächenämter vor. Die seien auch deshalb nötig, weil mit dem Wachstum der Stadt auch das urbane Grün stärker beansprucht werde.

Wie sich der Bestand der Straßenbäume real entwickelt, hat Hoenig auch in jahrelanger Arbeit nicht exakt klären können: Das System der jährlichen Bestandskorrekturen durch die Bezirke sei unergründlich. Gewiss sei aber, „dass die grüne Null noch nicht erreicht ist: Die Stadtbaumkampagne füllt immer noch die Verluste der Jahre davor auf.“

Eine anderweitige Spende

Wie viele Bäume den heißen Dürresommer 2018 nicht überstanden haben, wird sich im Frühjahr zeigen. Verluste schmerzen auch deshalb, weil Neupflanzungen plus Pflege in den ersten Jahren immer teurer werden. Laut Senat haben sich die Kosten seit dem Start der Stadtbaumkampagne Ende 2012 auf reichlich 2000 Euro verdoppelt. Für die Spender gilt aber wie gehabt: Wer 500 Euro gibt, kann sich den Standort seines Baumes auf einer Lücken-Karte aussuchen. Ansonsten wird ein Baum finanziert, sobald sich kleinere Spenden auf 500 Euro summieren. Zurzeit kann für die Frühjahrspflanzung in Mitte, Neukölln, Tempelhof-Schöneberg und Friedrichshain- Kreuzberg gespendet werden.

Frank Mann hat seine Klimasünden des Jahres 2018 dann anderweitig kompensiert: mit einer Spende an Atmosfair. Die auf die CO2-Kompensation von Flugreisen spezialisierte Organisation investiert ebenfalls Geld in Klimaschutzprojekte. Allerdings eher in Afrika und Asien, wo sich pro Euro mehr CO2 vermeiden lässt. Aber frische Luft fürs sommerliche Berlin, wie sie sich nicht nur Frank Mann wünscht, gibt es dort nicht.

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